Sparen: Deutschland wirt­schaftet wie ein Eichhörnchen

Im Deut­schen His­to­ri­schen Museum gibt es eine Son­der­aus­stellung mit dem Titel „Sparen – Geschichte einer deut­schen Tugend“.

 
Gezeigt wird die Geschichte des Sparens in Deutschland seit dem 30jährigen Krieg. Der Schwer­punkt liegt auf der staat­lichen Politik der Spar­för­derung, die im 19. Jahr­hundert begann und bis heute anhält. Plakate, Filme und Spar­dosen sind zu bewundern. Es ist der Versuch, zu erklären, warum wir Deutsche so ein Volk von Sparern sind, unge­achtet der mehr­fachen Ver­mö­gens­ver­nichtung im Zuge von Kriegen, Hyper­in­flation und Wäh­rungs­reform. Durchaus sehenswert, wenn man in der Gegend ist. (Anreisen würde ich dafür nicht extra).
Als ich die Aus­stellung besuchte, freute ich mich, dort zitiert zu werden:

Titel einer Geschichte von mir bei manager magazin online, die sich mit unserer fal­schen Export­fi­xierung beschäftigt. Immer noch aktuell, weshalb ich gerne an dieser Stelle daran erinnere:
„Deutschland ist wieder Export­welt­meister!“  fast schon jubelnd wurde in dieser Woche in den Medien davon berichtet, dass wir mit einem Über­schuss von 310 Mil­li­arden US-Dollar in diesem Jahr wieder China über­holen. Fan­tas­tische Nach­richten, so wird sug­ge­riert. Nichts zeigt doch deut­licher, wie gut wir wirt­schaftlich auf­ge­stellt sind. Uns kann keiner. Unsere Indus­trien stehen gut da, sind hoch inno­vativ und ungemein wett­be­werbs­fähig. Die beste Basis also, um Wohl­taten wie höhere Renten und bessere soziale Absi­cherung zu bezahlen. Migra­tions- und Euro­krise meistern wir so doch locker, wir können es uns doch leisten.
Leider ist diese Ein­schätzung falsch. In Wahrheit ergeht es uns wie den Eich­hörnchen, die zwar fleißig Nüsse sammeln und ver­stecken, also sparen, aber diese im harten Winter dann aber nicht wie­der­finden. Den Eich­hörnchen mag es letztlich egal sein, ob sie alle Nüsse wie­der­finden, Haupt­sache, sie ver­hungern nicht. Uns darf es nicht egal sein, weil es erheb­liche poli­tische und soziale Ver­wer­fungen mit sich bringen wird, wenn deutlich wird, dass wir unsere Nüsse nicht mehr wiederfinden.
Außen­han­dels­über­schuss bedeutet Kapitalexport

Ich habe an dieser Stelle schon mehrmals erklärt, wie der Zusam­menhang zwi­schen Außen­han­dels­über­schuss und Erspar­nis­bildung ist. Dennoch emp­fiehlt es sich, dies nochmals klar zu machen. Wenn ein Land einen Außen­han­dels­über­schuss erzielt, bedeutet dies zwangs­läufig einen Export von Erspar­nissen ins Ausland, ent­weder in Form von Kre­diten oder aber in Form von Direkt­in­ves­ti­tionen im Ausland.

Um das zu erklären, nehmen wir einmal an, es gäbe keinen Außen­handel. In diesem Fall besteht die Volks­wirt­schaft aus den pri­vaten Haus­halten, den Unter­nehmen und dem Staat. Jeder dieser Sek­toren kann sparen oder Schulden machen bezie­hungs­weise Eigen­ka­pital erhöhen. Die Summe der Finan­zie­rungs­salden der drei Sek­toren ist per Defi­nition null. Sparen die pri­vaten Haus­halte, was nor­ma­ler­weise der Fall ist, haben die Unter­nehmen übli­cher­weise ein Defizit, weil sie inves­tieren und dabei auf die Finan­zierung durch die pri­vaten Erspar­nisse ange­wiesen sind.
Das was die Unter­nehmen nicht brauchen, leiht sich dann der Staat. Sparen die Haus­halte mehr als Unter­nehmen und Staat sich leihen wollen, kommt es zu einer Rezession und die Anglei­chung erfolgt über sin­kende Ein­kommen und Ersparnis oder höhere Staats­de­fizite. Es ist in einer geschlos­senen Volks­wirt­schaft, also einer Welt ohne Außen­handel nicht möglich „zu viel“ zu sparen. Es kommt zu einem Ausgleich.
Wie Deutschland seine Erspar­nisse exportiert
Anders ist das, wenn man als wei­teren Sektor das Ausland mit ein­führt. So kann es sein, dass ein Land Erspar­nisse aus dem Ausland impor­tiert oder eigene Erspar­nisse expor­tiert. Die Summe der Finan­zie­rungs­salden der nun vier Sek­toren, private Haus­halte, Unter­nehmen, Staat und Ausland ist aller­dings auch hier zwingend null.
Wichtig zu wissen ist zudem, dass ein Net­to­ka­pi­tal­import aus dem Ausland zwangs­läufig ein genauso großes Han­dels­de­fizit bedeutet und umge­kehrt ein Han­dels­über­schuss immer auch einen Net­to­ka­pi­tal­export in gleicher Höhe bedingt. (Für die Volks­wirte unter den Lesern sei hier ange­merkt, dass ich natürlich weiß, dass neben dem Im- und Export von Waren und Dienst­leis­tungen auch Über­tra­gungen von Geld ins Ausland und die Bilanz der Ver­mögens- und Erwerbs­ein­kommen dazu gerechnet werden. Letztere sind aber von geringer Bedeutung ver­glichen zum Außenhandel).
Schauen wir uns die Zahlen für Deutschland für das Jahr 2015 genauer an (Quelle: Sta­tis­ti­sches Bundesamt):

  • Finan­zie­rungs­saldo private Haus­halte: 4,8 Prozent vom Brut­to­in­lands­produkt (BIP). Das bedeutet alle Haus­halte zusammen haben netto im Volumen von 4,8 Prozent des BIP gespart.
  • Finan­zie­rungs­saldo Unter­nehmen: 3,2 Prozent vom BIP. Also eben­falls eine Netto-Ersparnis.
  • Finan­zie­rungs­saldo Staat: 0,6 Prozent vom BIP die berühmte „schwarze Null“.

Wäre Deutschland eine geschlossene Volks­wirt­schaft, befänden wir uns in einer schweren Krise. Es würde massiv Nach­frage, immerhin im Volumen von 8,6 Prozent des BIP, fehlen, weil wir alle sparen. Doch von Krise ist keine Spur! Das ver­danken wir dem Ausland, wohin wir unsere über­schüs­sigen Erspar­nisse von 8,6 Prozent vom BIP expor­tiert haben.
Dies bedeutet aber zugleich, dass das Ausland im Volumen von 8,6 Prozent des deut­schen BIP mehr Waren aus Deutschland gekauft als nach Deutschland expor­tiert hat. Der Titel des Export­welt­meisters gilt folglich für Waren und für Erspar­nisse gleichermaßen.

Deutschland legt das Geld dumm an

Bis jetzt könnte man noch sagen, dass die Han­dels­über­schüsse ja nicht schlecht sind. Schließlich bauen wir For­de­rungen gegen das Ausland auf, die wir in den kom­menden Jahr­zehnten, wenn bei uns die Folgen der Alterung voll durch­schlagen, ent­spre­chend ein­lösen können, um die Kosten zu tragen. Dies würde aller­dings vor­aus­setzen, dass wir das Geld ähnlich wie Länder mit Staats­fonds wie Nor­wegen global diver­si­fi­ziert und ren­di­te­stark anlegen.
Dies tun wir aber nicht. Unsere Banken und Ver­si­che­rungen haben in den ver­gan­genen Jahr­zehnten unsere Erspar­nisse lieber in US-Sub­prime und grie­chische Staats­an­leihen inves­tiert. Alleine in der Finanz­krise, schätzt das DIW, haben wir 400 bis 600 Mil­li­arden Euro ver­loren also fast den Über­schuss von zwei Jahren! Die Summe der Han­dels­über­schüsse der letzten Jahre liegt deutlich über dem Zuwachs des Aus­lands­ver­mögens. Wie die Eich­hörnchen sammeln wir fleißig und finden nicht alles wieder.
Diese Politik wird unge­bremst fort­ge­setzt. Die in Ver­ges­senheit gera­tenen Target2-For­de­rungen der Bun­desbank im Zuge der Geld­schwemme der EZB, die die immer noch andau­ernde und sich ver­stär­kende Euro­krise ver­deckt,  wachsen wieder an. Zurzeit liegen sie bei über 677 Mil­li­arden Euro. Diese Mil­li­arden sind eine For­derung gegen Kri­sen­länder wie Grie­chenland und Italien, die mit dem „Haupt­fi­nan­zie­rungssatz“ der EZB also null ver­zinst werden.

Im besten Fall bekommen wir auf unsere Erspar­nisse also keine Zinsen, im schlimmsten Fall ver­lieren wir zumindest einen Teil der For­de­rungen im Zuge der unum­stößlich auf uns zukom­menden Schul­den­re­struk­tu­rierung im Euroraum egal ob offen durch Schul­den­schnitte oder ver­deckt durch Inflation. Wir hätten unsere Autos genauso gut ver­schenken können.

Doch die Aussage vom dummen Eich­hörnchen gilt auch unab­hängig von den Target2-For­de­rungen. In einer über­schul­deten Welt ist es keine gute Idee, Gläu­biger zu sein. Deshalb wäre es allemal besser, mehr im Inland aus­zu­geben, als dem Ausland als Kredit zu gewähren.
Vor die Wahl gestellt, unser Geld dem deut­schen oder dem spanischen/italienischen/portugiesischen Finanz­mi­nister zu leihen, sollten wir es lieber dem deut­schen geben. Nach dem Motto: Wenn ich das Geld sowieso nicht wieder zurück­be­komme, dann habe ich lieber in Deutschland eine gute Infra­struktur und ein modernes Breit­bandnetz finan­ziert als in Italien.
Inves­ti­tionen im Inland dringend nötig
Sparen soll ja dazu dienen, den Kapi­tal­stock einer Volks­wirt­schaft und so den lang­fris­tigen Wohl­stand zu erhöhen. Wie wir gesehen haben, ist dies zurzeit nicht der Fall. Der Über­schuss im Handel ist also eher ein Grund zur Trauer als zur Freude. Besser wäre es, im Inland zu investieren:

  • Die Indus­trien, auf denen unsere Erfolge basieren, stammen allesamt aus der Kai­serzeit. Es ist dringend nötig, hier den wei­teren tech­ni­schen Wandel zu bewäl­tigen. Stichwort: Brenn­stoff­zelle statt Diesel.
  • Die öffent­liche Infra­struktur zer­fällt. Dazu braucht man gar keine Studien, ein offener Blick auf die Straßen der Umgebung genügt.
  • Das Bil­dungs­wesen ist weit davon ent­fernt, die Grund­lagen für eine Hoch­tech­no­logie-Gesell­schaft der Zukunft zu legen. Im neu­esten Ranking der besten Uni­ver­si­täten der Welt belegt keine deutsche Uni­ver­sität einen Platz unter den Top 50. Die TU München schafft immerhin Platz 60. Von der Qua­lität der Schulen will ich an dieser Stelle als Ber­liner schon gar nicht mehr reden.
  • Wenn man schon eine unge­steuerte Zuwan­derung zulässt, dann muss man auch das Geld in die Hand nehmen, das nötig ist, um den lang­fris­tigen Schaden so gering wie möglich zu halten.
  • Da Erspar­nis­bildung im Ausland mit Blick auf die demo­gra­fische Ent­wicklung sicherlich nicht falsch ist, sollten wir unser Geld besser anlegen. Ideen für einen Staats­fonds gibt es bereits und die Bun­desbank sollte dem Vorbild der Schweizer Notenbank folgen und Aktien kaufen. Lang­fristig auf jeden Fall die bessere Geldanlage!

Leider ver­weigert sich die Bun­des­re­gierung diesen Über­le­gungen. Das Fest­halten an der „schwarzen Null“ zwingt die Erspar­nisse ins Ausland und ermög­licht erst so den Han­dels­über­schuss. Eine sich selbst nähernde Wohl­stands­il­lusion, aus der wir mit einem ziemlich schmerz­haften Knall erwachen werden, sobald die For­de­rungen aus­fallen. Wenn Sie also das nächste Mal die Jubel­mel­dungen zu unseren Han­dels­über­schüssen hören, denken Sie an das Eich­hörnchen. Ein put­ziges Tierchen, aber nicht son­derlich intelligent.
→ manager-magazin.de: „Deutschland wirt­schaftet wie die Eich­hörnchen“, 7. Sep­tember 2016


Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com