Die neue EU-Daten­schutz­grund­ver­ordnung — Oder: Wie die Euro­kratie die Unter­neh­mens­pro­duk­ti­vität senkt

… am Bei­spiel der EU-Daten­schutz­grund­ver­ordnung (DSGVO)
(Von Andreas Tögel für das Ludwig von Mises Institute Deutschland)

Das am 25. Mai in Kraft tre­tende Büro­kra­tie­monstrum hört auf den hüb­schen Namen Ver­ordnung (EU) 2016/679 des Euro­päi­schen Par­la­ments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natür­licher Per­sonen bei der Ver­ar­beitung per­so­nen­be­zo­gener Daten, zum freien Daten­verkehr und zur Auf­hebung der Richt­linie 95/46/EG. Davon betroffen ist jedermann, der per­so­nen­be­zogene Daten digital spei­chert oder ver­ar­beitet. Wer sich jetzt nicht ange­sprochen fühlt, sollte bedenken, dass unter anderem auch mit dem Mobil­te­lephon auf­ge­nommene Bild- und Ton­auf­zeich­nungen dar­unter fallen. Die Zeiten, in denen man unbe­fangen Land­schaften und Bau­lich­keiten pho­to­gra­phiert oder filmt, die zum betref­fenden Zeit­punkt nicht absolut men­schenleer sind, sind also vorbei – zumindest dann, wenn man zuvor keine Ein­ver­ständ­nis­er­klärung der Abge­lich­teten einholt. Viel Spaß, wenn es sich dabei zum Bei­spiel um ein paar Dutzend chi­ne­sische oder rus­sische Tou­risten handelt.
Die prak­ti­schen Kon­se­quenzen dieses (nach den Duschkopf- und Pommes-frites-Ver­ord­nungen) neuen euro­kra­ti­schen Irr­sinns lassen sich gegen­wärtig noch nicht abschätzen. Es wird wohl an der Rich­ter­schaft liegen, die sich mit den zu erwar­tenden Streit­fällen befasst, was in der Praxis künftig geschehen wird. Sicher ist: Auf sämt­liche Unter­nehmen, die per­so­nen­be­zogene Daten ver­ar­beiten – also auf so gut wie alle – kommt erheb­licher Arbeits­aufwand zu. Schon orga­ni­sieren die Wirt­schafts­kammern und findige Bera­tungs­agen­turen ent­spre­chende Infor­ma­ti­ons­ver­an­stal­tungen, geben prak­tische Leit­linien mit Fahr­plänen für die kor­rekte Vor­gangs­weise heraus und bieten sach­ge­rechte Dienst­leis­tungen an.
Es liegt auf der Hand, dass sich Groß­be­triebe mit der Umsetzung der Ver­ordnung leichter tun als  Kleinst­un­ter­nehmen, kleine und mittlere Unter­nehmen. Während die Großen Daten­schutz­be­auf­tragte instal­lieren und/oder die zur Erfüllung der Daten­si­cher­heits­an­for­de­rungen erfor­der­lichen Maß­nahmen an externe Profis dele­gieren, wodurch der normale Geschäfts­ablauf kaum gestört wird, sind Klein- und Mit­tel­be­triebe – einmal mehr – dazu gezwungen, sich anstatt mit ihrem Unter­neh­men­zweck, mit der, wie immer sinn­freien, Befrie­digung einer außer Rand und Band gera­tenen EU- und Staats­bü­ro­kratie zu befassen. Im Klartext: Anstatt im Auftrag des Kunden wert­schöpfend tätig werden zu können, müssen Listen erstellt, Ver­fahren und Ziele defi­niert – kurzum – lauter zeit­rau­bender und absolut unpro­duk­tiver Mist erledigt werden, der nie­mandem nutzt.
Wirklich nie­mandem? Nein, das stimmt nicht ganz. Die Branche der ein­schlägig spe­zia­li­sierten Unter­neh­mens­be­rater, vor allem aber die Rechts­an­walts­zunft, können sich die Hände reiben. Sie dürfen sich auf kräftige Umsatz­zu­wächse freuen. Schon bisher sorgen EU- und Staats­bü­ro­kratie durch die unent­wegte Pro­duktion neuer Regu­lative dafür, dass kleine Unter­nehmer ohne die Kon­sul­tation von Experten unmöglich über die Runden kommen. Ein Tischler- Maler- Handels- oder Fri­seur­be­trieb mit ein paar Ange­stellten wird bei­spiels­weise kaum imstande sein, etwa die Lohn­ver­rechnung in Eigen­regie durch­zu­führen, da sich sogar darauf spe­zia­li­sierte Fach­leute, auf­grund der laufend erfol­genden Vor­schrif­ten­än­de­rungen, unentwegt wei­ter­bilden müssen. Der Unter­nehmer ist also jetzt schon gezwungen, als Hand­langer des Finanzamts und der Sozi­al­ver­si­cherung tätig zu werden. Er kann ent­weder in der darauf ver­wen­deten Zeit nichts ver­dienen, oder er kauft teure externe Leis­tungen zu. In beiden Fällen geht das zu Lasten der Betriebs­pro­duk­ti­vität. Künftig darf er dann auch noch für die Daten­schutz­be­hörde unent­geltlich fronen.
Fazit: Der an der Wert­schöpfung unbe­tei­ligte Sektor für Bera­tungs­dienst­leis­tungen aller Art wächst zulasten der pro­duk­tiven Betriebe unauf­hörlich. Dass die immer weiter gehende Ver­la­gerung der Arbeits­ak­ti­vi­täten weg von der Pro­duktion hin zur Ver­waltung nicht ohne Folgen bleiben kann, wird jedem, der sein Brot unter Wett­be­werbs­be­din­gungen ver­dient, ein­leuchten – ins­be­sondere dann, wenn es über­see­ische Kon­kurrenz gibt, die von derlei büro­kra­ti­schem Schwachsinn ver­schont bleibt. Lieb­haber von Ver­schwö­rungs­theorien könnten glatt auf die Idee kommen, dass sich europide Büro­kraten groß­zü­giger Zuwen­dungen chi­ne­si­scher Wirt­schafts­ver­bände erfreuen.
Offen­sichtlich ist schon jetzt, dass in vielen Betrieben mit wach­sender Größe der Anteil der mit For­schung, Ent­wicklung, Pro­duktion und Verkauf befassten Mit­ar­beiter immer weiter absinkt. Dafür nimmt die Zahl jener Ange­stellten zu, die mit reinen Ver­wal­tungs- Kon­troll- und Über­wa­chungs­auf­gaben beschäftigt sind. Viele der Letzt­ge­nannten, deren Anteil bei einigen Groß­be­trieben längst die 50%-Marke über­steigt, ver­danken ihre für die Wert­schöpfung voll­kommen ent­behr­lichen Arbeits­plätze, staat­lichen Regularien.
Um die freche Anmaßung auch noch mit blankem Hohn zu würzen, hält die DSGVO einen ganz beson­derer Lecker­bissen bereit: Der besteht darin, dass alle staat­lichen Insti­tu­tionen (die davon natürlich gleich­falls betroffen sind), von den darin ent­hal­tenen Straf­be­stim­mungen aus­ge­nommen sind, während dem Tante-Emma-Laden um die Ecke im Falle eines Ver­stoßes, ruinöse Pönalen von bis zu 50.000,- Euro pro Fall drohen. Abge­sehen davon, dass der von diesem erneuten Anschlag auf die unter­neh­me­rische Freiheit aus­ge­hende, kon­junk­tur­be­le­bende Effekt eher begrenzt aus­fallen dürfte, wird dadurch den­je­nigen, die bislang bezweifelt haben, dass der Begriff „Rechts­staat“ ein Oxy­moron ist, dafür immerhin ein unum­stöß­licher Beweis geliefert.
 


Andreas Tögel, Jahrgang 1957, ist gelernter Maschi­nen­bauer, aus­übender kauf­män­ni­scher Unter­nehmer und über­zeugter “Aus­trian”.