Claudia Roth - By BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Thüringen - originally posted to Flickr as Claudia Roth in Apolda, CC BY 2.0, Link

“Den Bullen die Köppe ein­hauen” — Claudia Roth ver­sucht ihre Ver­gan­genheit zu beschönigen

DIE WELT brachte ein großes Interview mit Claudia Roth von den Grünen. Wieder einmal ver­sucht sie, ihre Ver­gan­genheit zu beschö­nigen. Diesmal stieß sie jedoch auf einen Jour­na­listen – Ansgar Graw –, der kri­tisch nach­fragte und sich nicht so leicht in die Irre führen ließ. 
(Von Dr. Rainer Zitelmann)
Hier der Auszug aus dem Interview:
WELT: In den Anfängen war das Ver­hältnis der Grünen zur par­la­men­ta­ri­schen Demo­kratie nicht ein­deutig. Jetzt sollen sie Ver­fas­sungs­schützer werden. Auch Sie sind einen weiten Weg gegangen.
Roth: Da sprechen Sie jetzt die Falsche an. Ich bin auf­ge­wachsen in einer radi­kal­de­mo­kra­ti­schen Familie und habe bei den Jung­de­mo­kraten begonnen.
WELT: … den Judos, einst FDP-Jugend. Aber Sie waren Mana­gerin der linken Rockband “Ton, Steine, Scherben”, und die sangen über Haus­be­setzer: „Wir haun den Bullen ihre Köppe ein.“
Roth: „Wir haun dem was auf die Fingerlein.“
WELT: „Köppe ein!“
Roth: „Fin­gerlein.“ Ich war ab 1982 Mana­gerin von Ton, Steine, Scherben, und da wurde das jeden­falls so gesungen.
WELT: Wenn Sie es sagen. In der ursprüng­lichen Version des „Rauch-Haus-Songs“ von 1972 waren es die Köppe. Man sagte den Scherben auch Nähe zu den RAF-Ter­ro­risten nach.
Roth: In meiner Zeit haben die Scherben den gewalt­tä­tigen Weg nie mit­ge­macht. Sie sind nicht umsonst Mitte der 70er-Jahre aus diesem dro­gen­ge­schwän­gerten, gewalt­a­ffinen Berlin weg­ge­zogen nach Schleswig-Hol­stein. Damals habe ich die Band ken­nen­ge­lernt, und da gab es über­haupt keine Nähe zur RAF.
„Köppe ein­hauen“ oder nicht?
DIE WELT hat Recht. In dem Georg-von-Rauch-Haus-Song hieß es:
Letzten Montag traf Mensch Meier in der U‑Bahn seinen Sohn
Der sagt: “Die woll’n das Rauch-Haus räumen, ich muss wohl wieder zu Hause wohnen.”
“Is ja irre”, sagt Mensch Meier “sind wa wieder einer mehr
In uns’rer Zwei-Zimmer-Luxus­wohnung und das Bethanien steht wieder leer
Sag mir eins, ham die da oben Stroh oder Scheiße in ihrem Kopf?
Die wohnen in den schärfsten Villen, unsereins im letzten Loch
Wenn die das Rauch-Haus wirklich räumen, bin ich aber mit dabei
Und hau den ersten Bullen, die da auf­tauchen, ihre Köppe ein.”
Claudia Roth behauptet, als sie Mana­gerin der Band war, sei der Text anders gesungen worden. In Wiki­pedia gibt es einen eigenen Eintrag für das bekannte Lied. (http://www.riolyrics.de/song/id:178/) Da steht es genau umge­kehrt, dass es nämlich ursprünglich „Fin­gerlein“ heißen sollte, später dann jedoch auf der ver­öf­fent­lichten LP: „Und hau den ersten Bullen, die da auf­tauchen, ihre Köppe ein.“ Jeden­falls ist das die Version auf der LP, die in der Zeit ver­kauft wurde, als Claudia Roth Mana­gerin der Band war. Erst in dem 1999 ver­öf­fent­lichten Sampler „Piano II“ wurde der Text geändert und es hieß dann statt „Und hau den ersten Bullen, die da auf­tauchen, ihre Köppe ein” „Und hau den ersten Bullen, die da auf­tauchen, was auf ihre Fin­gerlein”. Das war 14 Jahre, nachdem die Band sich auf­gelöst hatte, lange nach der Zeit von Claudia Roth.
Die Wandlung: Nur „ins Knie schießen“
Auch die RAF-Nähe der Band ist keine Erfindung der WELT, und Claudia Roth stellt sich dumm, wenn sie so tut, als wisse sie davon nichts. In dem Buch „Keine Macht für Niemand: Geschichte der Ton, Steine, Scherben“ kann man auf Seite 106 nach­lesen, dass die Band ursprünglich während ihrer Kon­zerte „Flug­blätter und andere Pro­pa­gan­da­schriften der RAF“ ver­teilte und gezielt Leute auf­for­derte, ihre Per­so­nal­aus­weise zu „ver­lieren“, um sie dann an Unter­ge­tauchte – also an Ter­ro­risten – wei­ter­zu­geben. Später dann habe der Sänger der Band, Rio Reiser, seine Haltung modi­fi­ziert, so heißt es erklärend. Wobei Reiser es dann als „christ­liche Haltung“ ausgab, wenn man Men­schen nur ins Knie schießen würde, statt sie zu töten: „Dazu muss ich auch noch sagen, war ja meine christ­liche Haltung auch unter anderem, ich schäme mich nicht, das zu sagen, von Karl May beein­flusst. Kennen die meisten Leute, wissen viel­leicht, wenn sie Karl May gelesen haben, auch Old Shat­terhand hat ja geschossen, aber der hat dann ins Knie geschossen.“ (Seite 107). Also ins Knie schießen statt die „Köppe ein­zu­hauen“, das war die wun­dersame Wandlung in diesen Jahren.
Und auf Seite 122 des Buches heißt es, dass die Band 10.000 Kata­pulte aus Hongkong bestellte, weil man sie dem Album „Keine Macht für Niemand“ bei­legen wollte. Den gewalt­tä­tigen Liedern sollten auch die ent­spre­chenden Taten folgen.
Nichts gewusst?
Claudia Roth als Mana­gerin der Band wusste und weiß von all dem nichts? Wie naiv muss man sein, um das zu glauben?! Ich werfe Claudia Roth nicht ihre Ver­gan­genheit vor. Ich war als Teenager auch Maoist. Aber ich habe mich ehrlich und selbst­kri­tisch damit aus­ein­an­der­ge­setzt. Genau das kann man von ihr nicht behaupten. Claudia Roth hat, dies zeigt das Interview, noch heute ein völlig unkri­ti­sches und unehr­liches Ver­hältnis zu ihrer Ver­gan­genheit und idea­li­siert diese Band, die offen zur Gewalt gegen Men­schen aufrief, immer wieder als harmlose linke Pro­testband. Von Distanz oder Selbst­kritik keine Spur.
Zu Recht wäre die Empörung groß, wenn ein CDU-Poli­tiker stolz erklären würde, er sei in seiner Jugend Manager einer rechts­extremen Skinhead-Rockband gewesen. Und der sich dann raus­reden würde, angeblich hätte die Rockband nicht davon gesungen, dass man Türken „die Köpppe einhaun“ sollte, sondern die „Fin­gerlein“. Ich hoffe – und bin auch sicher -, dieser Poli­tiker müsste wegen einer solchen Äußerung als Bun­des­tags­vi­ze­prä­sident sofort zurücktreten.
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Dr. Rainer Zitelmann für TheEuropean.de