Das Mil­li­ar­den­spiel: Was uns die Par­teien und Abge­ord­neten des Bun­destags kosten

Im Bun­destag regnet es Geld. Schon wieder greift die Berufs­po­litik dem Steu­er­zahler tief in die Tasche. Nachdem die Große Koalition mit ihrer Stim­men­mehrheit gerade erst dafür gesorgt hatte, den Par­teien zusätz­liche Mil­lio­nen­be­träge in die Kassen zu spülen, haben sich die Bun­des­tags­frak­tionen kurz vor der par­la­men­ta­ri­schen Som­mer­pause nahezu unbe­merkt von der breiten Öffent­lichkeit auch ihre eigenen Gelder kräftig erhöht. Der auf 709 Abge­ordnete auf­ge­blähte Bun­destag ist uns Wählern nunmehr satte 112 Mil­lionen Euro im Jahr wert, weil die Abge­ord­neten beschlossen haben, dass ein drei­pro­zen­tiger Auf­schlag auf ihre Frak­ti­ons­gelder bei einer Infla­ti­onsrate von rund 2% gerade recht ist. Dazu kommen weitere drei Mil­lionen Euro für die Große Koalition zur Finan­zierung des “Nach­rüs­tungs­be­darfs bei der Digi­ta­li­sierung und IT-Sicherheit”. Ins­gesamt erhöhen sich die Zah­lungen an die Bun­des­tags­frak­tionen damit auf einen Schlag um mehr als 30%. Rechnet man die auf 190 Mil­lionen Euro ange­wach­senen Zuwei­sungen aus der staat­lichen Par­tei­en­fi­nan­zierung hinzu, die nur zu einem geringen Teil an Par­teien und Wäh­ler­gruppen außerhalb des höchsten deut­schen Par­la­ments fließen, bekommen die sieben im Bun­destag ver­tre­tenen Par­teien und die sechs dazu­ge­hö­rigen Frak­tionen 2018 rund 300 Mil­lionen Euro für ihre poli­tische Arbeit. Doch das ist nicht alles. Zusammen mit den Diäten und Kos­ten­pau­schalen für die Abge­ord­neten und den staat­lichen Geldern für die Par­tei­stif­tungen fließen den Bun­des­tags­par­teien und ihren Abge­ord­neten 2018 erstmals mehr als eine Mil­liarde Euro zu.

Der in Win­deseile durch­ge­peitschte Mil­lio­nen­regen für die Par­teien und ihre Frak­tionen war Gesetz, bevor sich grö­ßerer öffent­licher Protest erhob

Ner­ven­auf­rei­bende Debatten, wie sie bei den Erhö­hungen der Abge­ord­ne­ten­diäten früher regel­mäßig statt­fanden, gibt es heute kaum mehr, weil schnell und diskret gehandelt wird. A propos Diäten: Hier sorgt seit vielen Jahren eine Stei­ge­rungs­dy­namik dafür, dass Jahr für Jahr mehr Geld in die Taschen der Par­la­men­tarier wandert. Kein läs­tiges Aus­handeln mehr, das zu viele schla­fende Hunde wecken könnte. Nicht ganz so geräuschlos ver­liefen die Dis­kus­sionen zu den Anhe­bungen für Par­teien und Frak­tionen. Doch der in Win­deseile auf die Tages­ordnung gesetzte und eisern durch­ge­peitschte Mil­lio­nen­regen war Gesetz, bevor sich grö­ßerer öffent­licher Protest erhob. Auch die gekonnt zur Schau gestellte Empörung der Oppo­si­ti­ons­par­teien ver­puffte schnell wieder, weil jeder wusste, dass diese kei­nes­falls über Nacht ihre Liebe zum deut­schen Steu­er­zahler ent­deckt hatten, sondern aus­schließlich damit haderten, dass ihr finan­zi­eller Abstand zu den beiden großen Par­teien und deren Frak­tionen immer größer wird. Zwar wurde inzwi­schen eine Nor­men­kon­troll­klage ange­strengt, doch dürften nur die kühnsten Opti­misten davon aus­gehen, dass die geschaf­fenen Fakten noch einmal revi­diert werden. Und selbst im Falle des Ein­kas­sierens wird es nicht lange dauern, bis sich die fin­digen Trüf­fel­sucher der Großen Koalition neue Finan­zie­rungs­quellen auf Kosten der Steu­er­zahler erschließen. Es ist bezeichnend für den Zustand der Demo­kratie, dass wir Bürger nur noch zusehen können, wie sich die Berufs­po­litik immer unge­nierter am Gemeinwohl vergreift.

Michel und Lieschen durch­schauen das unselige Treiben zwar zunehmend, trauen sich aber nicht, ihrer Obrigkeit ent­schlossen entgegenzutreten

Poli­tische Ent­schei­dungen, die regel­mäßig in kleinsten Zirkeln außerhalb legi­ti­mierter Gremien fallen, allzu gerne in Brüs­seler Nacht-und-Nebel­ak­tionen, aber auch ansonsten so oft wie möglich ohne direkte Betei­ligung des Bun­des­tages, sind nur eines der vielen Sym­ptome einer ero­die­renden Demo­kratie. Da muss es nie­manden wundern, wenn längst auch der Zugriff auf die Steu­er­kasse nicht mehr nur zum Kauf von Wäh­ler­stimmen erfolgt. In Zeiten aus­blei­bender Wähler ver­schafft man sich das Geld durch die fort­lau­fende Änderung der Berech­nungs­grundlage – oder eben durch eine unap­pe­tit­liche Erhöhung. Der Bun­destag hat sich ver­selb­ständigt. Nur noch die Inter­essen der Par­teien und das Macht­kalkül ihrer Frak­tionen ent­scheiden heute darüber, was wann wie beschlossen wird. Waren die Par­teien einmal mit dem ver­fas­sungs­mä­ßigen Auftrag zur Mit­wirkung an der poli­ti­schen Wil­lens­bildung des Volkes betraut, so fühlen sie sich heute nur noch der Durch­setzung ihrer urei­genen Inter­essen ver­pflichtet. Der treue Michel und das naive Lieschen durch­schauen das unselige Treiben zwar zunehmend, trauen sich aber nicht, ihrer Obrigkeit ent­schlossen ent­ge­gen­zu­treten. Vor allem fürchten sie den Streit, den sie daher kei­nes­falls anzetteln wollen. Statt den Par­tei­en­staat endlich an die Kandare zu nehmen, schauen sie zu, wie er sich immer weiter abschottet und sich das in Infrak­struktur und Bildung so dringend benö­tigte Geld mil­li­ar­den­weise in den Rachen wirft. Wahr­scheinlich ver­dienen Lieschen und Michel es aber auch gar nicht anders. Wer sich nicht traut, seine demo­kra­ti­schen Rechte aus­zuüben, ist selbst schuld.
 

 
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