Mil­li­ar­den­ge­schäft Baby-Milch­pulver: US-Dele­gierte sprechen sich bei WHO gegen das Stillen aus

Die USA haben es einmal wieder fer­tig­ge­bracht, den Rest der Welt vor den Kopf zu stoßen. Einem Bericht der New York Times zufolge kam es bei einem Treffen der World Health Assembly (Welt­ge­sund­heits-Ver­sammlung) der UNO in Genf zu einem regel­rechten Showdown zwi­schen den Ver­tretern der USA und dem Rest der Welt. Es ging um Mut­ter­milch und das Stillen.
Mut­ter­milch gilt für kleine Babies als ideale Nahrung, da die Natur im Laufe der mensch­lichen Ent­wicklung die Mut­ter­milch zum per­fekten Nah­rungs­mittel her­aus­ge­bildet hat. Die Zusam­men­setzung ändert sich sogar im Laufe des Stillens, so dass das Kind immer genau die rich­tigen Nähr­stoffe und Bestand­teile bekommt. Alle Länder wollten die Mütter unter­stützen und ermu­tigen, ihre Babies zu stillen und so das beste für ihre Gesundheit tun. Ins­be­sondere sollten die Länder darauf achten, dass es keine Werbung für künst­liche Säug­lings­milch gibt, die den Müttern – oder Eltern – den Ein­druck ver­mittelt, die Ersatz­milch sei besser als die natür­liche Brustmilch.
Eli­sabeth Sterken, Direk­torin der „Infant Feeding Action Coalition“ in Kanada trug vor, dass vier Jahr­zehnte For­schung die Wich­tigkeit des Stillens belegt haben. Natür­liche Mut­ter­milch ver­sorgt das Kind mit essen­ti­ellen Nähr­stoffen, den nötigen Hor­monen und Anti­körpern, die das Neu­ge­borene gegen Infek­ti­ons­krank­heiten schützen. So dachten auch hun­derte Dele­gierte der UN-Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sation. Alle waren der Meinung, diese Reso­lution würde ein­stimmig und schnell auf einer Ver­sammlung in Genf verabschiedet.
Es waren auch alle begeistert dafür, mit Aus­nahme der US-Dele­gierten. Schließlich sind die Baby-Milch­pulver-Pro­dukte ein Mul­ti­mil­li­arden-Geschäft. Also ver­suchten die US-Dele­gierten mit aller Macht dagegen anzu­gehen. Ins­be­sondere wollten sie die Passage aus der Reso­lution ent­fernen, die den Ländern empfahl, „das Stillen zu schützen, zu unter­stützen und zu fördern“ und noch einen zweiten Passus, der die Mit­glieds­staaten dazu anhält, das Bewerben von indus­triell erzeugter Kin­der­nahrung ein­zu­grenzen. Man könne all die gesunden und wich­tigen Bestand­teile in der natür­lichen Mut­ter­milch nicht ersetzen.
Zum Erstaunen der ver­sam­melten inter­na­tio­nalen Gemein­schaft wehrten sich die US-Offi­zi­ellen vehement gegen die eigentlich ein­stimmige Reso­lution und ver­suchten, diese  Pas­sagen des Reso­lu­ti­ons­textes zu ent­fernen oder bis zur Unkennt­lichkeit zu ver­wässern. Besonders die oben genannten For­de­rungen, das „Stillen zu schützen, zu fördern und zu unter­stützen“, waren den US-Dele­gierten ein Dorn im Auge. Die andere Text­passage, die dazu aufrief, „die För­derung von Lebens­mit­tel­pro­dukten zu beschränken, die nach Ansicht von Experten schäd­liche Aus­wir­kungen auf kleine Kinder haben können“, schmeckte den US-Dele­gierten ebenso wenig.
Als die US-Dele­gierten zur Kenntnis nehmen mussten, dass sie mit ihren For­de­rungen nicht durch­kamen, zogen sie andere Saiten auf und  wurden grob: Wie die New York Times mit Berufung auf anwe­sende Diplo­maten und Regie­rungs­an­ge­stellte berichtet, ging man unge­niert und offen dazu über, den wirt­schaft­lichen Werk­zeug­kasten zu öffnen und die Dau­men­schrauben anzu­ziehen. Als einen der Ersten traf es den kleinen süd­ame­ri­ka­ni­schen Staat Ecuador. Quito hatte sich angemaßt, die Reso­lution zur För­derung des Stillens anzu­nehmen. „Unver­blümt“, schreibt die New York Times,  wurde den Süd­ame­ri­kanern damit gedroht, mit „wirt­schaft­liche Straf­maß­nahmen auf das kleine Land los­zu­gehen und wesent­liche mili­tä­rische Hilfe zurück­zu­nehmen.“ Prompt beugte sich Ecuador dem US-Diktat. Über ein Dutzend Teil­nehmer der UN-Kon­ferenz, die den Showdown mit­erlebt hatten, berich­teten der Presse davon, wollten aber aus Angst vor US-Ver­gel­tungs­maß­nahmen anonym bleiben. Ihren Schil­de­rungen nach wurden mit gleichen Dro­hungen ganz gezielt arme, afri­ka­nische und latein­ame­ri­ka­nische Staaten unter Druck gesetzt, um einen Keil zwi­schen die Dele­gierten zu treiben. „Wir waren wie vor den Kopf gestoßen, ent­setzt und tief­traurig“, beschrieb der Direktor der bri­ti­schen Inter­es­sen­ver­tretung Baby Milk Action, Patti Rundall, die all­ge­meine Stimmungslage:
„Was da geschah, war gleich­be­deutend mit Erpressung. Die USA nahmen die Welt als Geisel, und ver­suchten, nahezu vierzig Jahre ein­ver­nehm­licher Über­zeugung über den besten Weg, die Gesundheit von Säug­lingen und Klein­kindern zu schützen, vom Tisch zu fegen.“, gab Rundall zu Protokoll.
Dass die US-Dele­gierten mit dieser Aktion letzt­endlich doch schei­terten, lag laut New York Times an der rus­si­schen Intervention:
„Am Ende waren die US-Bemü­hungen wei­test­gehend erfolglos. Es waren die Russen, die schlu­ßendlich ein­griffen, um die gemeinsame Reso­lution ein­zu­führen – und die USA drohten ihnen nicht.“
Das US-Außen­mi­nis­terium lehnte es anschließend ab, auf Pres­se­fragen zu diesen Vor­gängen Stellung zu beziehen. Das „Department of Health and Human Ser­vices“, war die feder­füh­rende Behörde bei dem Versuch, die Reso­lution kippen. Sie kämpfte in vor­derster Front darum, die Ent­scheidung und den Wortlaut der Reso­lution für das Stillen zu ver­hindern. An den Dro­hungen etwa gegenüber Ecuador sei man angeblich aber nicht beteiligt gewesen. Man habe doch vor allem die Inter­essen von Müttern im Sinn gehabt:
„Die ursprünglich beab­sich­tigte Reso­lution errichte unnötige Hürden für Mütter, die ihre Kinder ernähren müssen. Aus ver­schie­denen Gründen sind nicht alle Frauen in der Lage zu stillen. Diesen Frauen wolle man im Interesse der Gesundheit ihrer Babies die Auswahl und Mög­lich­keiten für Alter­na­tiven geben – und wir wollen, dass diese Mütter nicht dafür stig­ma­ti­siert werden, wie Sie das (mit diesen For­mu­lie­rungen) tun“, bemühte sich ein Sprecher die US-Position zu erläutern.
Auch wenn Lob­by­isten der Baby­nah­rungs­mit­tel­in­dustrie am Treffen in Genf teil­nahmen, gäbe es jedoch angeblich keinen Beweis dafür, dass diese Leute sich an der ame­ri­ka­ni­schen „Taktik des starken Arms“ beteiligt haben.
„Die 70-Milliarden-Dollar-[Babynahrungs]Industrie, die von einer Handvoll ame­ri­ka­ni­scher und euro­päi­scher Unter­nehmen domi­niert wird, hat in den letzten Jahren in wohl­ha­benden Ländern einen Umsatz­rückgang erlebt, weil sich dort immer mehr Frauen für das Stillen ent­scheiden“. Alles in allem und global gesehen erwartet man aber, dass der Umsatz dieser Industrie im Jahr 2018 um vier Prozent steigen wird. Dies läge vor allem an Zuwächsen in den Ent­wick­lungs­ländern. „Es macht alle sehr nervös, denn wenn man sich nicht nicht einmal auf einen Gesund­heits-Mul­ti­la­te­ra­lismus einigen kann, auf welchen Mul­ti­la­te­ra­lismus dann?“ (Mul­ti­la­te­ra­lismus = Koor­di­nation natio­naler Politik zwi­schen drei oder mehr Staaten)

Der Nach­druck, mit dem die US-Dele­gation gegen das Stillen vor­ge­gangen war, ver­blüffte die Gesund­heits­experten und inter­na­tio­nalen Diplo­maten. Unter Obama wurde das Stillen noch gefördert und unter­stützt. Diesmal hatten Ver­treter der US-Gesund­heits­für­sorge bei der Aus­ein­an­der­set­zungen sogar ange­deutet, dass die USA ihre Bei­träge zur WHO kürzen könnten. Washington trägt als größter ein­zelner Bei­trags­zahler 845 Mil­lionen Dollar zum Budget der WHO bei. Das sind etwa 15% des Gesamtbudgets.