Der kleine „Jakob“ wird einmal als Erwachsener wenig Freude an der so liebevoll von den KindergärtnerInnen der Dormagener Kita Sankt Katharina zusammengestellten Abschlussmappe haben. Dabei hat sich der Kindergarten soviel Mühe gegeben und seitenweise handschriftliche Erlebnisberichte verfasst, Gebasteltes und Gemaltes eingeklebt. Aber das Foto seiner Gruppe … das verhagelt einfach alles. Die kleinen Möckse, wie sie da nebeneinandersitzen, haben alle einen dicken, schwarzen, runden Fleck, wo ein lachendes Kindergesichtchen erwartungsvoll strahlen sollte. Jedes Kind kann in seiner eigenen Mappe auch sein eigenes Gesicht sehen, alle anderen sind geschwärzt. Es geht schon der böse Witz von der DSGVO-Burka herum.

Alles geschwärzt. Selbst ein Gruppenfoto vom Besuch des Nikolauses in der Kita ist von schwarzen Kreisen verunziert und der Nikolaus hat einen schwarzen Balken über den Augen. Das ganze Bild erweckt den Eindruck, als sei es ein Polizeifoto und zeige einen gesuchten Pädophilen, der sich in Nikolausverkleidung an die armen Opfer in einem Kindergarten herangemacht hat.

Das ist kein Einzelfall. Die Lokalteile der Zeitungen können keine Listen der Abiturienten, Realschul- oder Hauptschulabgänger mehr mit den Namen der Absolventen bringen, die sich die jungen Leute stolz aus der Zeitung ausschnitten und in ihre Kalender oder Tagebücher hefteten. Wenn die Kinder und Jugendlichen der „Jungfeuerwehren“ in den Dörfern früher untereinander ihre Wettkämpfe im Schlauchausrollen, Probefeuerchen löschen, Leitern aufbauen und drüberklettern abgehalten haben, war immer ein Lokalreporter dabei und alle fieberten auf den Bericht. Nicht nur die jungen Feuerwehrhelden, auch die Eltern, Onkel, Tante, Opa und Oma. Geschwister und Cousins und Cousinen fassten den Entschluss, da auch mitzumachen, soviel Spaß und Beachtung zu haben und dabei noch etwas für die Allgemeinheit zu tun, Leuten zu helfen und später auch heldenhaft Brände zu löschen.
Alles vorbei. Die DSGVO erweist sich als wenig hilfreich, aber erwürgt das soziale Leben und die gewachsenen Strukturen, die sich seit der Erfindung der Druckerpresse als fester Bestandteil der sozialen Kultur über mehr zweihundert Jahre entwickelt haben. Vom Steckbrief im Wilden Westen bis zum Hochzeitsfoto, von der Geburts- bis zur Todesanzeige. Die schönen alten, steifen Bilder der ersten Feuerwehrtruppe im Heimatmuseum, wo man noch nicht lächelte, wenn man fotografiert wurde, sondern sich des Ernstes seiner Aufgabe bewusst war. Familienfotos von Bauersleuten, wie sie mit ihrer Heufuhre vor dem Bauernhaus stehen, das es heute vollkommen renoviert als Gaststätte noch im Ortskern gibt. Alte Familienfotos, die man seinen Kindern zeigen kann, wie der Ur-urgroßvater mit der Ur-Urgroßmutter das Richtfest ihres neuen Hofes feierte. Und dass das das Haus ist, wo sie letztes Jahr in Urlaub waren. Die öffentlich einsehbaren Kirchenbücher, in denen man heute noch nachschauen gehen kann, wenn man seine Ahnenreihe zusammensuchen möchte … all das sind tragende Strukturen einer Gesellschaft.
Es gibt eine Art unüberwindlicher Mauer, wenn man sich aufmacht, seine Familienchronik zusammenzutragen: den Dreißigjährigen Krieg. Dort enden die meisten Suchen, weil es keine Kirchenbücher mehr gibt und soviel an Aufzeichnungen der Zerstörung durch marodierende Landsknechte, Krieg, Brand und Vandalismus anheimgefallen ist. Stadtarchive gingen in Flammen auf, Kirchen und die Kirchenbücher wurden zerstört. Familienlinien lassen sich nur im Ausnahmefall weiter in die Vergangenheit verfolgen – mangels Unterlagen.
Ist es Zufall, dass man mit der DSGVO heute eine zweite solche Schneise der Zerstörung schlägt?

























