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Geschwärzte Erin­ne­rungen Dank DSGVO – Wie der Daten­schutz einem die Kindheit vermasselt

Der kleine „Jakob“ wird einmal als Erwach­sener wenig Freude an der so lie­bevoll von den Kin­der­gärt­ne­rInnen der Dor­ma­gener Kita Sankt Katharina zusam­men­ge­stellten Abschluss­mappe haben. Dabei hat sich der Kin­der­garten soviel Mühe gegeben und sei­ten­weise hand­schrift­liche Erleb­nis­be­richte ver­fasst, Gebas­teltes und Gemaltes ein­ge­klebt. Aber das Foto seiner Gruppe … das ver­hagelt einfach alles. Die kleinen Möckse, wie sie da neben­ein­an­der­sitzen, haben alle einen dicken, schwarzen, runden Fleck, wo ein lachendes Kin­der­ge­sichtchen erwar­tungsvoll strahlen sollte. Jedes Kind kann in seiner eigenen Mappe auch sein eigenes Gesicht sehen, alle anderen sind geschwärzt. Es geht schon der böse Witz von der DSGVO-Burka herum.
Die Eltern sind ent­täuscht. Die ganze, schöne Mappe ist damit ver­dorben. Und die Eltern klagen, dass, wenn ihre Kinder später einmal hin­ein­schauen, dann können sie zwar sich selbst sehen, aber das, was eigentlich der Sinn solcher Bilder ist, nämlich sich zu erinnern: Wie man sich damals gedrängelt hat, neben der Monika mit dem lus­tigen Lachen zu sitzen … und mög­lichst weit weg von Maxi­milian, der gern mit den Beinen gebaumelt und einen damit per­manent vor‘s Schienbein gekloppt hat, aber heute ein ange­se­hener Notar geworden ist. Oder Johannes, der einem gerne Schnecken in die Hosen­ta­schen steckte. Und, da hinten, die Petra, die konnte immer die besten und flug­fä­higsten Papier­flug­zeuge falten. Ach ja und die Kin­der­gärt­nerin Lisa, die wun­derbar vor­lesen konnte und tolle Bas­tel­ideen hatte, aber einfach ständig zu Mittag gru­se­liges Gemüse auftischte …
 

 
Alles geschwärzt. Selbst ein Grup­penfoto vom Besuch des Niko­lauses in der Kita ist von schwarzen Kreisen ver­un­ziert und der Nikolaus hat einen schwarzen Balken über den Augen. Das ganze Bild erweckt den Ein­druck, als sei es ein Poli­zeifoto und zeige einen gesuchten Pädo­philen, der sich in Niko­laus­ver­kleidung an die armen Opfer in einem Kin­der­garten her­an­ge­macht hat.
Viel­leicht wird „Jakob“ seinen Kindern einmal diese Kin­der­gar­ten­mappe zeigen und kopf­schüt­telnd sagen: „Liebe Kinder, jaja, das war so. Denn wisst ihr, damals … da hatten wir noch die … EU!!!“ Und die Kinder werden unmerklich den Kopf ein­ziehen und hoffen, dass Papa aufhört, von den schlimmen, voll­kommen wahn­sin­nigen Zeiten unter der EU-Dik­tatur zu reden, denn das ist ihnen immer unheimlich. So unheimlich wie die Kinder mit den schwarzen Gesichtern und der Ver­brecher-Nikolaus auf dem Bild.
Das ist kein Ein­zelfall. Die Lokal­teile der Zei­tungen können keine Listen der Abitu­ri­enten, Real­schul- oder Haupt­schul­ab­gänger mehr mit den Namen der Absol­venten bringen, die sich die jungen Leute stolz aus der Zeitung aus­schnitten und in ihre Kalender oder Tage­bücher hef­teten. Wenn die Kinder und Jugend­lichen der „Jung­feu­er­wehren“ in den Dörfern früher unter­ein­ander ihre Wett­kämpfe im Schlauch­aus­rollen, Pro­be­feu­erchen löschen, Leitern auf­bauen und drü­ber­klettern abge­halten haben, war immer ein Lokal­re­porter dabei und alle fie­berten auf den Bericht. Nicht nur die jungen Feu­er­wehr­helden, auch die Eltern, Onkel, Tante, Opa und Oma. Geschwister und Cousins und Cou­sinen fassten den Ent­schluss, da auch mit­zu­machen, soviel Spaß und Beachtung zu haben und dabei noch etwas für die All­ge­meinheit zu tun, Leuten zu helfen und später auch hel­denhaft Brände zu löschen.
Alles vorbei. Die DSGVO erweist sich als wenig hilf­reich, aber erwürgt das soziale Leben und die gewach­senen Struk­turen, die sich seit der Erfindung der Dru­cker­presse als fester Bestandteil der sozialen Kultur über mehr zwei­hundert Jahre ent­wi­ckelt haben. Vom Steck­brief im Wilden Westen bis zum Hoch­zeitsfoto, von der Geburts- bis zur Todes­an­zeige. Die schönen alten, steifen Bilder der ersten Feu­er­wehr­truppe im Hei­mat­museum, wo man noch nicht lächelte, wenn man foto­gra­fiert wurde, sondern sich des Ernstes seiner Aufgabe bewusst war. Fami­li­en­fotos von Bau­ers­leuten, wie sie mit ihrer Heu­fuhre vor dem Bau­ernhaus stehen, das es heute voll­kommen reno­viert als Gast­stätte noch im Ortskern gibt. Alte Fami­li­en­fotos, die man seinen Kindern zeigen kann, wie der Ur-urgroß­vater mit der Ur-Urgroß­mutter das Richtfest ihres neuen Hofes feierte. Und dass das das Haus ist, wo sie letztes Jahr in Urlaub waren. Die öffentlich ein­seh­baren Kir­chen­bücher, in denen man heute noch nach­schauen gehen kann, wenn man seine Ahnen­reihe zusam­men­suchen möchte … all das sind tra­gende Struk­turen einer Gesellschaft.
Es gibt eine Art unüber­wind­licher Mauer, wenn man sich auf­macht, seine Fami­li­en­chronik zusam­men­zu­tragen: den Drei­ßig­jäh­rigen Krieg. Dort enden die meisten Suchen, weil es keine Kir­chen­bücher mehr gibt und soviel an Auf­zeich­nungen der Zer­störung durch maro­die­rende Lands­knechte, Krieg, Brand und Van­da­lismus anheim­ge­fallen ist. Stadt­ar­chive gingen in Flammen auf, Kirchen und die Kir­chen­bücher wurden zer­stört. Fami­li­en­linien lassen sich nur im Aus­nah­mefall weiter in die Ver­gan­genheit ver­folgen – mangels Unterlagen.
Ist es Zufall, dass man mit der DSGVO heute eine zweite solche Schneise der Zer­störung schlägt?