Wie die EU dicke Kinder schlank machen will

Von Bill Wirtz (Blog von Bill Wirtz) – Die Gesund­heits­mi­nister der Euro­päi­schen Union haben Vor­schläge für die Regu­lierung der Ver­marktung von soge­nanntem Junkfood vor­gelegt, in denen Beschrän­kungen von Werbung solcher Pro­dukte gefordert werden. Geschützt werden sollten vor allem Kinder.
Betroffen sind Lebens­mittel mit hohem Ener­gie­gehalt, gesät­tigten Fetten, Trans­fett­säuren sowie viel Zucker und Salz. Die Minister betrachten Junkfood als Problem für den Ver­brau­cher­schutz und als Hin­dernis für die „Ver­rin­gerung von Ungleich­heiten im Gesund­heits­be­reich“: Ihr Vor­schlag diene reiner Prä­ven­ti­ons­po­litik. Die Vor­schläge sind aller­dings ein Aus­druck von Miss­trauen gegenüber Eltern.
Es klingt zwei­fellos schrecklich, wenn wir die Wörter „Werbung, die Kinder anvi­siert“ lesen. Seman­tisch ist die Wortwahl von den Unter­stützern solcher Wer­be­verbote clever: Wer will sich denn schon Kinder als Ziel­scheibe vor­stellen? In Wirk­lichkeit ist es schwer vor­stellbar, dass viele Ver­braucher eine TV-Werbung für Corn­flakes, die eine Zei­chen­trick­figur enthält, als räu­be­ri­sches Ver­halten von Unter­nehmen betrachten würden.
Und trotzdem hat es ein Land wie Chile dazu ver­an­lasst, diese Figuren Anfang dieses Jahres auf Corn­flakes-Schachteln zu ver­bieten. Der bri­ti­schen Starkoch Jamie Oliver hat vor­ge­schlagen, eine ähn­liche Regel in Groß­bri­tannien zu fordern, obwohl er das­selbe in seinen eigenen Videos prak­ti­ziert. Wir alle kennen das Sprichwort: „Tu, was ich dir sage, nicht, was ich tue!“
Für einige Akti­visten mag es schwer zu glauben sein, und trotzdem ist es wahr: Wenn man „Tony the Tiger“ von der Corn­flakes-Schachtel nimmt, werden Kinder nicht von alleine gesünder früh­stücken. Der ganze Grund, warum Kinder nicht als Erwachsene betrachtet werden, ist, weil sie die Ergeb­nisse ihrer Hand­lungen nicht richtig ein­schätzen können.
Sie werden alles Süße oder Fettige essen, das ihnen schmeckt. Nur wenn wir Kinder voll­ständig aus den Händen ihrer Eltern ent­reißen würden (was besonders ange­sichts des gegen­wär­tigen Kon­textes in den Ver­ei­nigten Staaten keine sehr populäre Idee zu sein scheint), wäre es möglich, dafür zu sorgen, dass die Ernährung eines jeden Kindes den Richt­linien des Gesund­heits­mi­nis­te­riums entspricht.
Zwi­schen einem Kind (im Gegensatz zu Jugend­lichen), das eine Werbung sieht, und dem Kauf des Pro­dukts gibt es einen Elternteil, der das Produkt auch kauft. Indem wir die Fähigkeit ein­schränken, das Produkt zu ver­markten, würden wir auf das Urteil der Eltern ver­zichten. Schlimmer noch, solche Ein­schrän­kungen würden ein Signal an Eltern senden: Der Staat glaubt nicht, dass sie fähig sind, Kinder zu erziehen. In ähn­licher Weise ist Alkohol und Alko­hol­werbung voll­kommen legal und ver­fügbar, doch wir ver­trauen darauf, dass die über­wäl­ti­gende Mehrheit der Eltern keinen Wodka in Baby­milch gießt.
Das Bewusstsein für die Folgen von zu viel Zucker und Fett zu schärfen ist der richtige Weg, um dieses Problem anzu­gehen: Auf­klärung stärkt die Ver­braucher, indem sie ihnen Infor­ma­tionen gibt, und befür­wortet einen nicht pater­na­lis­ti­schen Ansatz. Das Letzte, was wir wollen, wäre, dass die Fort­schritte in der öffent­lichen Gesundheit auf­grund von Beschrän­kungen des Mar­ke­tings fehl­schlagen würden.
In der Tat können Branding-Verbote auch kon­träre Wir­kungen haben. Marken eta­blieren Kun­den­loya­lität, können sie aber genauso schnell wieder ver­lieren. Wenn ein Her­steller für seinen Mar­ken­namen oder sein Logo bekannt ist und er dann Fehler macht, dann schadet es ihm umso mehr. Auf der anderen Seite können Wett­be­werber Mar­ke­ting­tech­niken nutzen, um bessere Pro­dukte zu ver­kaufen: In den letzten Jahr­zehnten haben wir massive Zuwächse bei Ein­zel­händlern erlebt, die tat­sächlich gesündere oder nach­haltig erzeugte Pro­dukte anbieten. Dazu gehören Pro­dukte, die an Kinder ver­kauft werden, mit einem Fair-Trade- oder Bio-Label, um Eltern davon zu über­zeugen, sie zu kaufen. Auch sie werden unter Branding-Ver­boten leiden.
Vor allem aber sind diese Vor­schläge Teile einer faulen Ent­schei­dungs­findung. Das Gespräch über die Erziehung von Kindern und die schmale Linie zwi­schen der Beratung der Eltern und der Ein­mi­schung in die Erziehung, erfordert eine kom­pli­zierte Analyse. Die Werbung von „räu­be­ri­schen Unter­nehmen“ zu beschränken, ist dagegen eine viel ein­fa­chere Lösung. Es ist dem Strauß-Effekt sehr ähnlich: Wenn ich den Kopf in den Sand stecke, ver­schwindet das Problem sicher irgendwann.
Eltern sind die besten Richter für die Erziehung ihrer Kinder. Wir sollten sie als Kon­su­menten durch Infor­mation stärken, nicht durch Bevormundung.


Quellen: Zür­cherin — Dieser Artikel erschien zuerst auf dem Blog von Bill Wirtz.