von Roger Letsch | Während Grüne und Linke einen Rechtsruck im Land zu erkennen glauben, die Regierung aus Union und SPD in aufgeregten Alarmismus verfällt und die verbliebene bürgerliche Mitte sich mehr und mehr darüber wundert, wozu man in einer Marktwirtschaft eigentlich so viel Regulierung braucht und wozu Ministerin Giffey jetzt auch noch ein „Gesetz zur Förderung der Demokratie“ aufs Gleis setzen will – während die deutsche Politik also mit Selbstlob, Nabelschau und Spiegelfechtereien beschäftigt ist, klopfen im sich langsam mit Wasser füllenden Maschinenraum der europäischen Wirtschaft (genauer: der Finanzwirtschaft) die Heizer mit Schürhaken von unten gegen das Ballsaal-Deck der „MS Europa”, wo sich das Publikum darum streitet, wer beim Untergang links und wer rechts sitzen solle und mit wem man auf keinen Fall jemals gemeinsam unterzugehen gedenke. Wir haben nämlich in der Tat noch Probleme im Land und der EU, die sich nicht mit einem Hashtag, einem Gratiskonzert oder einer „breiten gesellschaftlichen Initiative“ beseitigen lassen. Rentenlücke? Pflegenotstand? Sicher, das alles drückt. Aber es kommt wohl noch dicker und schneller, als wir denken – und zwar auf einer Baustelle, die von der Politik bereits als erledigt gekennzeichnet wurde: unsere Währung und das Eurosystem als Ganzes.
Der Neigung des Menschen, einen als positiv empfundenen oder auch nur eingebildeten Ist-Zustand gedanklich in die Ewigkeit zu verlängern, verdanken wir einige der kuriosesten Aussagen von Politikern und Medienvertretern. „Deutschland ist ein reiches Land“ ist so eine, ebenso „das Klima muss bleiben wie es ist”, „die EU wird immer enger und besser“, „Griechenland ist gerettet” oder „wir schaffen das“. Doch das sind letztlich nichts als Glaubenssätze – zunächst soll man daran glauben, während am Ende immer jemand dran glauben muss. Wer etwa glaubt, Draghis „Whatever it takes“ von 2012 sei das finale Machtwort zur Stabilität des Eurosystems gewesen, der sollte hier aufhören zu lesen. Denn positiver wird es ab jetzt nicht mehr. Und zwar nicht nur im Text, sondern auch in der Realität.
Währungskollaps – ein Problem der Anderen?
Wer die Nachrichten der letzten Wochen und Monate bezüglich des Währungsverfalls in Venezuela oder der Türkei betrachtet, ganz gleich wie verschieden die Ursachen auch sein mögen, dessen Hand legt sich sofort beruhigt auf die eigene Brieftasche und man denkt „wie gut, dass wir den Euro haben”, denn der ist ja stabil und sicher. Vor allem gerettet, wie es scheint. Immer wieder. Wirtschaftskrise, Bankenkrise, Eurokrise, Staatsschuldenkrise in Griechenland, Irland, Spanien, Italien, wieder Griechenland… aber jetzt sei alles gut, meint das fiskale Spitzenpersonal, speziell unsere beiden schwarzen Nullen Schäuble und sein Nachfolger Scholz. Doch selbst eine Ming-Vase ist eine solide Sache, sogar dann noch wenn sie fällt. Der Fall ist nicht das Problem, lediglich der Aufprall macht uns Sorgen. Und der steht uns im Euro mit allergrößter Wahrscheinlichkeit noch bevor.
Mein Wirtschaftsverständnis neigt sich, auch wenn ich kein Ökonom, sondern nur ein Fan der Logik bin, eher den Erkenntnissen von Mises und Hayek zu, die eben gerade nicht dem Turbo- und Staatskapitalismus das Wort redeten, sondern einer Marktwirtschaft, die ökonomischen Gesetzen gehorcht und sich Regeln gibt, deren Einhaltung der Staat überwachen hilft. Hingegen halte ich den heute allgegenwärtigen Etatismus für das Grundübel unserer Schuldenwirtschaft, genau wie den in der Politik vorherrschenden Keynesianismus, der besinnungslose Staatsausgaben und Staatsverschuldung, aufgeblähte staatliche Strukturen, Verschwendung, Tausend-Töpchen-Günstlingswirtschaft und fehlgeleitete Spekulationen erzeugt. Ich war deshalb sehr erfreut, als ich einen Experten-Vortrag auf YouTube fand, der schlüssig all die kleinen Teile, all die Verwerfungen, über die Politik und Medien täglich einfach hinwegsehen, weil sie zu den Profiteuren gehören, zu einem ganzen Bild zusammenfasst. Die Symptome konnte ich zwar auch sehen, für deren Beschreibung und Synthese verfüge ich aber kaum über das passende Vokabular. Aber dafür verweise ich auf den Vortrag von Dr. Markus Krall weiter unten.
Sie kennen vielleicht das Gefühl, wenn sich nach intensiver Beschäftigung mit einem komplexen Thema auf einen Schlag der Nebel lichtet, alles klar wird und die Murmeln im Kopf, die sonst immer so unwillig klapperten, eine nach der anderen einrasten? Die Erkenntnisse waren vielleicht einzeln schon da, nur passten sie nie richtig zusammen oder man sah die Zusammenhänge einfach nicht. So etwa könnte es ihnen gehen, wenn sie zwar prinzipiell über Target-Salden, Nullzins, EZB, Rettungsschirme, Kreditmargen und all den gähn-langweiligen Finanzkram Bescheid wissen, jedoch noch nie das ganze Bild gesehen haben. Dr. Markus Krall lässt uns in seinem Vortrag einen Schritt zurücktreten und das ganze Bild betrachten.
Das Eurosystem und die Einmischung der Politik
Im Video sehen Sie, wie alles enden könnte und wohl auch wird, weil die Politik seit Jahren scheinbar besseres zu tun hat, als sich um eine stabile (und unabhängige) Währung zu kümmern, andere Währungen nicht zulässt und den Euro, den sie uns eher unfreiwillig übergestülpt hat, politisch missbraucht. Krall meint, 2020 könnte es so weit sein mit dem Finanzcrash, der dann in der Gewichtsklasse 1929 kämpft, sobald erst sichtbar werde, was bereits vor Jahren durch falsche Weichenstellung eingetreten ist. Mit Blick auf die Brüsseler Bürokratie und deren ausgeprägte Neigung zu Vertuschung und dreisten Lügen (Zitat Juncker: „Wenn es ernst wird, muss man lügen“) würde ich zwar noch ein oder zwei Jährchen drauflegen und natürlich genau wie Krall eine Flasche Schampus öffnen, wenn alles ganz anders käme – aber prinzipiell könnte Markus Krall Recht behalten und je länger der Absturz noch auf sich warten lässt, umso größer wird die Fallhöhe sein. Im Moment reden wir von der Größenordnung etwa der Hälfte des seit 1948 angesparten Volksvermögens, das vernichtet würde. Ich höre sie förmlich scharf Luft holen, liebe Leserinnen und Leser, mir ging es nicht anders.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
(Hermann Hesse)
Ein dem Sarkasmus zuneigender Mensch erkennt natürlich einen ungeheueren Kollateralnutzen, der einem Absturz aus den luftigen Höhen des Euro innewohnt. All die Hashtag-Initiativen, Gender-Bewegungen, Wohlfühlprojekte, Willkommens-Stuhlkreise und tertiärpolitischen Honigschleckereien hauchten ihr Dasein schlagartig aus, sobald die Zitzen von Parteien, Gewerkschaften, Ministerien und der EU keine Milch mehr geben. Die verstummenden Lautsprecher des alimentierten und betreuten „Meaning of Life” und ihre Medienverstärker würden, nachdem sie kurze Zeit lautstark um ihr Überleben gebettelt hätten, für den eigentlichen Sound der Krise sorgen: Stille! Unnötig zu erwähnen, dass auch die Attraktivität Europas als Ziel und Siedlungsraum internationaler Migrationgsströme schlagartig zerbröseln würde, weil unter dem Regenbogen kein Topf voll Gold mehr auf die Neu-Europäer wartete. So könnte sich paradoxerweise und auf sehr lange Sicht ein geflügeltes Kanzlerinnenwort in leicht veränderter Form als wahrhaftig und als Rettung Europas erweisen, denn nur weil der Euro scheitern wird, kann das Scheitern Europas abgewendet werden. Ich sage Europas, nicht der EU, weil diese Organisation den Crash sicher nicht überstehen wird. Jedenfalls nicht in ihrer heutigen Form.
Eine Einschränkung Kralls Szenarios und vielleicht unsere letzte Hoffnung um dem kurzfristigen Crash zu entgehen könnte sein, dass die Banken in Wirklichkeit seit Jahren penibel darauf achten, wem sie Kredite geben und wo sie Kreditlinien zurückfahren müssen, weil sie jene „Zombie-Firmen” sicher erkennen, die sich nur aufgrund der niedrigen Zinsen überhaupt noch halbwegs über Wasser halten können. Doch dann fällt Ihnen sicher ein, dass es sich immer noch um dieselben Banken handelt, die ihnen noch vor zehn Jahren und vor dem letzten Finanzcrash 2007/2008 Sub-Prime-Darlehn in schicken AAA bewerteten Derivaten von Lehman Brothers verkauft hätten, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Das die Banken also rechtzeitig gegensteuern können, darf bezweifelt werden.
Zwei Bemerkungen noch
Sie kennen das Wort „Banken-Union” sicher aus Nachrichtensendungen, speziell wenn es um EU-Themen, den vorpreschenden Macron und die zaudernde Kanzlerin geht. Eine Europäische Banken-Union wäre in den drei Szenarien, die Markus Krall gleich erwähnen wird, der Weg der sogenannte „Sowjetisierung”. Ein Weg, den die EU-Bürokraten offensichtlich bereit sind zu gehen, denn in keine andere Richtung gibt es so große Bemühungen. Als letztes noch eine kleine Eckzahl, die sie verstehen werden, wenn Sie das Video gesehen haben: Die mächtig unter Sparzwang und im Feuer stehende Deutsche Bank hat im vergangenen Jahr (2017) eine Kosteneinsparung von 3,5% hinbekommen. Merken Sie sich bitte diese Zahl. Jetzt habe ich aber genug Deprimierendes geschrieben, den Rest gibt Ihnen Markus Krall. Film ab!