„Es gibt kein gutmütigeres, aber auch kein leichtgläubigeres Volk als das deutsche.
Zwiespalt brauchte ich unter ihnen nie zu säen.
Ich brauchte nur meine Netze auszuspannen, dann liefen sie wie ein scheues Wild hinein. Untereinander haben sie sich gewürgt, und sie meinten ihre Pflicht zu tun.
Törichter ist kein anderes Volk auf Erden.
Keine Lüge kann grob genug ersonnen werden: die Deutschen glauben sie.
Um eine Parole, die man ihnen gab,
verfolgten sie ihre Landsleute mit größerer Erbitterung als ihre wirklichen Feinde.“
(Napoleon Bonaparte zugeschrieben)
Gerade ist wieder eine neuen Umfrage herausgekommen: Die Deutschen sind gutgläubiger als andere Völker.
Das Meinungsinstitut, welches die Umfrage durchführte, heißt Ipsos. Im Griechischen heißt „Ipsos“ einfach nur „Gips“. Das ist wahrscheinlich nicht gemeint. Im Lateinischen betont „ipse“ eine Verstärkung der persönlichen Bedeutung. „Mea ipsius domus“ — Mein eigenes Haus. „Ipsos“ beinhaltet also die Bedeutung, „jene über sich selbst“. Passt. Schöne Firmenbezeichnung.
Was also hat Ipsos herausgefunden?
Die Erhebung ist in 27 Ländern gemacht worden und kam zu dem Ergebnis, dass die Menschen in Deutschland zu ca. 33% die Überzeugung hegen, dass sie häufig oder regelmäßig von den Medien mit bewusst in die Welt gesetzten Falschmeldungen in die Irre geführt werden. Das bedeutet, ein Drittel ist überzeugt, von Presse, Funk und Fernsehen bewusst manipuliert und belogen zu werden. Eigentlich schon eine Menge Leute. Aber: In anderen untersuchten Ländern glauben viel mehr Menschen, mit „Fake-News“ belogen zu werden. In Argentinien sind es 82%, in Serbien und in der Türkei sind es 79%.
Die Deutschen sind gutgläubig, 42% sogar sehr: Sie gaben an, selten oder nie solche „Fake News“ erkannt zu haben. Das bedeutet, es gibt noch 15%, die immerhin begriffen haben, dass die Medien zumindest bisweilen lügen und die sich nicht so sicher sind, ob sie den Medien glauben können.
Nur in Südkorea (52%) und China (47%) werden Fake News noch seltener wahrgenommen als in Deutschland. (Wahrscheinlich kämen die Ergebnisse in Nordkorea noch über die 90%-Grenze.)
Mehr als die Hälfte der Deutschen, nämlich 58%, denken also, dass die Medien mehr oder weniger oft lügen. Die gutgläubigen 42% sind wahrscheinlich zu einem Teil in der Generation 70+ zu verorten, die, kurz nach Kriegsende geboren, als Kinder den optimistischen Geist des Wirtschaftswunders, des Vertrauens in die Obrigkeit und der Glaubwürdigkeit und Kompetenz fähiger Politiker wie Ludwig Erhard eingeatmet haben. Damals waren die Redaktionsstuben des „Spiegels“ noch mit Selbstdenkern und kritischen Geistern bevölkert und hinter jedem Exemplar der FAZ steckte ein kluger Kopf. Heute alles weggemerkelt.
Eine zweite Teilmenge dieser 42% dürfte sich im Gutmenschenmilieu finden, für deren linksgrünbunte Diversity-Teletubby-Welt die heutige Berichterstattung eine Wohlfühl-Echokammer ist, deren Vertrauenswürdigkeit anzuzweifeln einem Steinwurf in ein Hornissennest gleichkäme. Was da alles mit dem giftigen Stachel der Wahrheit ans Tageslicht gebrummt käme, möchte man einfach gar nicht wissen.
Die meisten haben auch einfach weder Lust noch Zeit, sich damit auseinanderzusetzen. Das kommt in einer anderen Fragestellung zutage. Die Deutschen, so Ipsos, sehen sich „verhältnismäßig selten“ dazu in der Lage, zwischen zutreffenden Fakten und den „Narrativen“ der Medien zu unterscheiden. Nicht einmal ganz die Hälfte der Bundesrepublikaner glaubt von sich selbst, Falschnachrichten erkennen zu können, nämlich 47%. Im globalen Durchschnitt trauen sich 63% das zu. Interessanterweise findet jeder Zweite weltweit, der Durchschnittsbürger seines eigenen Landes könne wahre von unwahren Medienberichten nicht unterscheiden. Die Deutschen finden sogar zu 53%, dass ihre Landsleute das nicht können. (Daraus kann man aber nicht schließen, dass genau die 47%, die denken, sie blicken durch, exakt den anderen 53% diese Fähigkeit abstreiten.)
Die Ungarn halten sich anscheinend für sehr gewieft im Erkennen von Falschmeldungen. Sie trauen ihren Mitbürgern zu 69% zu, Medienlügen zu identifizieren.
Wahrscheinlich ist einem Großteil der Bevölkerung in Deutschland klar, dass sie sich viel zu wenig für Politik und Weltgeschehen interessieren, um viel Zeit mit dem Vergleichen der Berichte in verschiedenen, möglichst noch ausländischen Medien zu verbringen. Und dass sie mangels breiter Recherche Falschinformationen leicht aufsitzen. Man kommt abends müde heim, ist froh, wenn keine Rechnungen in der Post sind, guckt die Tagesschau, auch gerne „die Macht um acht“ genannt. Man trinkt sein Feierabendbier und lässt die Bilder vorbeiziehen. Nazi zu sein geht natürlich gar nicht, aber irgendwie hat die AfD schon in vielem Recht, und die Sozen reden nur dummes Zeug. Umwelt ist gut, das machen ja die Grünen. Sollen sich doch die Antifanten und Nazis gegenseitig den Schädel einschlagen, dann ist endlich Ruhe. Und echt der Hammer ist, wenn ich mit meinem teuer bezahlten Dieselauto nicht mehr in mein Büro fahren kann. Die ham ’se ja wohl nicht mehr alle. Kommt noch ein guter Krimi, oder geh ich gleich ins Bett?
Vierzig Prozent der Deutschen stimmen der Aussage zu, dass sie von Politikern getäuscht und in die Irre geführt werden. Auch hier ist der Deutsche gutgläubiger als der Rest der Welt, der mit weltweit 52% den Politikern nicht über den Weg traut. Mitschuld sind nach der Meinung von 35% der Deutschen die Medien, im Rest der Welt sehen das 49% so.
Mehr als die Hälfte der Menschen weltweit findet, dass falschen Informationen geglaubt wird, weil die Politiker das Volk belügen und die Medien diese Lügen und Falschinformationen eins zu eins als Wahrheit veröffentlichen und man überall nur die gleichen, verabredeten Schein-Informationen serviert bekommt. Aber auch die Sozialen Medien werden als Verteiler von Falschnachrichten gesehen.
Die Ipsos-Studie zitiert abschließend einen Herrn Dr. Robert Grimm, bei Ipsos in der Position des „Director Public Affairs“, welchselber gar Erhabenes als Quintessenz der Studie verlautbart. DAS, werter Leser, muss man sich auf der Zunge zergehen lassen:
»In den Daten wird eine Resignation vor der Komplexität der Lebenswelten und dem Datenüberfluss in einer zunehmend digitalisierten Gesellschaft ersichtlich, in der es schwer fällt, sich in verschiedene Expertensysteme in Politik und Wirtschaft hineinzudenken. Während sich Informationskanäle multiplizieren, verlieren Staat, Wissenschaft und traditionelle Medien die Informationshoheit. Sich emotionsgetriebenen Meinungsbildern hinzugeben, welche unmittelbare Erlebniswelten mittels leicht zugänglicher, bipolarer Gegenüberstellungen wie Opfer-Täter, Eliten-das Volk, Inländer-Ausländer gestalten, ist dabei eine einfachere Lösung, als die Wahrheit unter vielen möglichen Wahrheiten zu finden. Dort setzt der Populismus an.«
Lieber, deutscher Dumm-Michel, übersetzen wir das Soziologengeschwurbel mal:
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Es gibt einfach zu viel Zeugs und zu viele Infos zu allem und jedem.
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Jeder kann praktisch seine Meinung im Netz kundtun, vom Facebook-Posting bis zu den Online-Versionen der Presse.
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Es gibt zu jedem Thema jeweils einen Haufen von Experten und solche, die sich dafür halten …
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In dem ganzen Informationskosmos sind die alten Institutionen wie Staat, Universitäten und Zeitungen nur noch ein Teil des Angebots und verlieren die Deutungshoheit.
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Das kann kein Schwein alles durchblicken und kennen und beurteilen.
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Also verlassen sich sehr viele auf ihr Bauchgefühl und das, was sie selbst erfahren, hören, erleben, sehen und tatsächlich glauben, beurteilen zu können.
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Dabei denken die Menschen so simpel, wie Täter (böse) — Opfer (arm). Elite (die über uns herrschen und das nicht zu unserem Guten) – Volk (nämlich wir, die das Maul halten sollen und parieren, wollen wir aber nicht). Inländer (das sollen wir sein) – Ausländer (eben nicht wir).
Fazit der Grimmschen Erzählung: Da sieht man, wie dumm das Volk ist, denn so einfach ist das alles nicht. Das Volk kapiert nur einfache Lösungen, die gibt’s aber nicht, weil es ca. eine Million Wahrheiten gibt, die nur die jeweiligen Experten verstehen, aber nicht der einfache Dummbürger. Weil aber das blöde Nichtexperten-Volk schlicht seine schmerzhaft drängenden Probleme lösen will und auch zu wissen glaubt, welche Probleme es hat, weil es die nämlich jeden Tag erlebt, kommen die pöhsen, pöhsen Populisten daher und bieten dem Volk auch perfiderweise auch noch die Lösungen an, von denen alle wissen, dass die auch funktionieren würden. Was aber nicht sein darf, denn sonst sind die eine Million politisch korrekten Wahrheiten und deren Experten, Medien und Politiker blamiert.
Also, deutscher Michel, misstraue den Umfragen, den Experten, Medien und Politikern. Höre auf Dein Herz und Deinen eigenen Verstand:
Anmut sparet nicht noch Mühe,
Leidenschaft nicht noch Verstand,
dass ein gutes Deutschland blühe,
wie ein andres gutes Land.
Dass die Völker nicht erbleichen
wie vor einer Räuberin,
sondern ihre Hände reichen
uns wie andern Völkern hin.
Und nicht über und nicht unter
andern Völkern wolln wir sein,
von der See bis zu den Alpen,
von der Oder bis zum Rhein.
Und weil wir dies Land verbessern,
lieben und beschirmen wir’s.
Und das liebste mag’s uns scheinen
so wie andern Völkern ihr’s.
(Bertolt Brecht)