Von Roger Letsch — Bis vor wenigen Jahren kam die Schweiz in unseren Medien deutlich häufiger vor als heute. Bevor sie Ort der Begehrlichkeiten deutscher Finanzminister und Steuerfahnder wurde, war die Schweiz Vorbild! Es verging fast kein Tag, an dem nicht gerade vermeintlich progressive linke Politiker vom Schweizer Rentensystem schwärmten, in das alle einzahlten oder den Ausbau des Schweizer Schienennetzes lobten, das so viel besser, umfangreicher und zuverlässiger sei, als das in Deutschland. Alles richtig, auch wenn gern vergessen wurde, dass das Schweizer Rentensystem zwar umfassender aufgestellt ist, der Staat seinen Bürgern dort aber auch nicht so tief in alle Taschen greift, wie er es in Deutschland tut. Doch die Presse ist verstummt, die Schweiz wieder ein weißer kleiner Fleck auf dem bunten Teppich des besten Europas, in dem wir je lebten. Das Interesse flammt indes jäh wieder auf, wenn die Schweizer sich aufmachen, ihr Verhältnis zum Islam zu klären. Als das Minarett-Verbot beschlossen wurde, hieß es in deutschen Medien, direkte Demokratie führe dazu, dass sich „rückwärtsgewandte Kräfte“ und „Intoleranz” durchgesetzt hätten – was natürlich ein Schmarrn ist, angesichts der Tatsache, dass es ja gerade darum ging, einer intoleranten, rückwärtsgewandten Religion ihre Grenzen aufzuzeigen. Seit dieser Zeit jedoch und nochmal verstärkt durch den Brexit gilt direkte Demokratie in Deutschland als Teufelszeug und die Schweiz nimmt man in unseren Medien längst nicht mehr so gern als Vorbild in den Blick.
Aber ich schweife ab, wenn auch notwendigerweise. Man muss schon im Blick haben, wie die Schweizer so ticken, denn gerade die direkte Demokratie sorgt dort dafür, dass die Politik nicht nur Prinzipien reitet, sondern oft ganz pragmatisch die Interessen der Bürger im Blick hat. Nicht dass man die als deutscher Politiker nicht auch kennte, man betrachtet sie aber eher als störende moralische Fehlbildung, gegen die man erzieherisch, juristisch und moralisch angehen müsse, anstatt sie zu exekutieren. Immer wenn sie einen Politiker davon sprechen hören, man müsse „die Menschen mitnehmen“ oder wenn er nach einer verlorenen Wahl sagt, er habe seine Politik „nicht gut genug erklärt“, wissen sie, wie ein Politiker das Verhältnis der eigenen Meinung zu der seiner (Nicht)Wähler definiert. Es ist ein Herr-Knecht-Verhältnis. Das existiert in der Schweiz natürlich auch, nur gibt es dort das Verhältnis auch viermal pro Jahr in umgekehrter Form, wenn ein Wahltag ansteht. Mit Erklärungen und Rechtfertigungen hält sich der Souverän in der Schweiz nicht auf, er sagt seinen Politikern einfach, was sie machen sollen.
Ich schweife schon wieder ab, denn ich wollte ja noch etwas zu den Medien sagen, den Schweizer Medien. Ich maße mir nicht an, einzuschätzen, wie die Medienlandschaft im französischen und im italienischen Teil der Schweiz auf die Bürger Frankreichs und Italiens wirken – die Medien der deutschsprachigen Schweiz jedoch sind für kritisch denkende Deutsche mittlerweile das, was das Westfernsehen für DDR-Bürger war: Gewährsquelle. Wem der arrogant-belehrende Tonfall deutscher Leitmedien nicht mittlerweile gehörig auf die Nerven geht, der muss die letzten fünf Jahre auf dem Mars verbracht haben. Parteinahme, Alarmismus auf der einen und Totschweigen und Abwiegeln auf der anderen Seite sind an der Tagesordnung. Seit fast zwei Jahren versuche ich beispielsweise vergeblich, einen Tag im Kalender rot einzukreisen, an dem der Spiegel Donald Trump mal nicht verbal den Schädel einschlägt, meist schon in der Titelzeile. Nicht dass wir uns hier falsch verstehen: vieles was Trump tut, muss kritisch beleuchtet werden. Man hat nur schon keine Lust mehr, sich in vielen deutschen Medien die Fakten unter dem obligatorischen Haufen Mist heraus zu suchen. Also schaut man lieber gleich in die NZZ, die BAZ oder die Weltwoche. Ich würde SZ, SPON, FAZ, TAZ, ARD, ZDF und Konsorten gar nicht mehr lesen oder schauen, würde mir dort nicht Tag für Tag die Munition für meine Artikel frei Haus geliefert, die ich einfach nicht unverschossen liegen lassen kann.
Nun aber genug der Abschweifungen und zum eigentlichen Thema: Einbürgerung in die Schweiz. So ein Schweizer Pass ist eine feine Sache. Man ist damit überall auf der Welt (außer in deutschen Finanzministerien) gern gesehener Gast. Ein Türöffner also. Und anders als die deutsche Regierung, die amtliche Papiere über Krisengebieten im übertragenen Sinne mit dem Helikopter abwirft, schaut man in der Schweiz sehr genau hin, ob jemand, der einen solchen Pass haben möchte, ausreichend gefestigt ist in seiner Schweizerischkeit. Wie hält er oder sie es mit der Verfassung, wie mit den verfassungsmäßig garantierten Bürgerrechten, wozu auch die Gleichstellung von Mann und Frau gehört?
Die Stadt Lausanne jedenfalls war der Meinung, dass ein streng religiöses muslimisches Ehepaar die Schweizer Staatsbürgerschaft aufgrund der Verweigerung des Handschlages nicht erhalten dürfe. BAZonline schreibt dazu: „Die Antragsteller hätten damit mangelnden Respekt für die Gleichberechtigung der Geschlechter demonstriert, sagte der Bürgermeister von Lausanne, Grégoire Junod.“ Und weiter: „Bei der Befragung durch die dreiköpfige Kommission hätten sie zudem «grosse Probleme damit gehabt, Fragen zu beantworten, die von einem Mitglied des anderen Geschlechts gestellt wurden». Zwar gelte in der Schweiz die Religionsfreiheit, sagte Junod. Die Ausübung des Glaubens dürfe aber nicht «ausserhalb des Rechts» erfolgen.“
Lausannes Vizebürgermeister Pierre-Antoine Hildbrand, selbst Mitglied dieser Kommission schiebt dann auch noch eine Erklärung nach, für die er sich meinen allergrößten Respekt verdient hat. Ach was, ich könnte ihn küssen für diesen folgenden Satz, mit dem ich meinen kleinen, abschweifenden Ausflug in die Schweizer Berge dann auch ausklingen lassen möchte. Genießen Sie diesen Satz, liebe Leser! Schreiben Sie ihn auf einen Zettel und stecken Sie diesen in ihre Tasche, denn in Deutschland werden sie ihn nicht vernehmen, bis dorthin reichen die Echos aus den Bergen leider nicht mehr. Dieser Satz ist ein Kompass, der Orientierung geben und Leben retten könnte, wenn er auch in Deutschland gälte.
„Die Verfassung und die Gleichberechtigung von Mann und Frau haben einen höheren Wert als religiöse Intoleranz.“
Aber ich schweife ab, wenn auch notwendigerweise. Man muss schon im Blick haben, wie die Schweizer so ticken, denn gerade die direkte Demokratie sorgt dort dafür, dass die Politik nicht nur Prinzipien reitet, sondern oft ganz pragmatisch die Interessen der Bürger im Blick hat. Nicht dass man die als deutscher Politiker nicht auch kennte, man betrachtet sie aber eher als störende moralische Fehlbildung, gegen die man erzieherisch, juristisch und moralisch angehen müsse, anstatt sie zu exekutieren. Immer wenn sie einen Politiker davon sprechen hören, man müsse „die Menschen mitnehmen“ oder wenn er nach einer verlorenen Wahl sagt, er habe seine Politik „nicht gut genug erklärt“, wissen sie, wie ein Politiker das Verhältnis der eigenen Meinung zu der seiner (Nicht)Wähler definiert. Es ist ein Herr-Knecht-Verhältnis. Das existiert in der Schweiz natürlich auch, nur gibt es dort das Verhältnis auch viermal pro Jahr in umgekehrter Form, wenn ein Wahltag ansteht. Mit Erklärungen und Rechtfertigungen hält sich der Souverän in der Schweiz nicht auf, er sagt seinen Politikern einfach, was sie machen sollen.
Ich schweife schon wieder ab, denn ich wollte ja noch etwas zu den Medien sagen, den Schweizer Medien. Ich maße mir nicht an, einzuschätzen, wie die Medienlandschaft im französischen und im italienischen Teil der Schweiz auf die Bürger Frankreichs und Italiens wirken – die Medien der deutschsprachigen Schweiz jedoch sind für kritisch denkende Deutsche mittlerweile das, was das Westfernsehen für DDR-Bürger war: Gewährsquelle. Wem der arrogant-belehrende Tonfall deutscher Leitmedien nicht mittlerweile gehörig auf die Nerven geht, der muss die letzten fünf Jahre auf dem Mars verbracht haben. Parteinahme, Alarmismus auf der einen und Totschweigen und Abwiegeln auf der anderen Seite sind an der Tagesordnung. Seit fast zwei Jahren versuche ich beispielsweise vergeblich, einen Tag im Kalender rot einzukreisen, an dem der Spiegel Donald Trump mal nicht verbal den Schädel einschlägt, meist schon in der Titelzeile. Nicht dass wir uns hier falsch verstehen: vieles was Trump tut, muss kritisch beleuchtet werden. Man hat nur schon keine Lust mehr, sich in vielen deutschen Medien die Fakten unter dem obligatorischen Haufen Mist heraus zu suchen. Also schaut man lieber gleich in die NZZ, die BAZ oder die Weltwoche. Ich würde SZ, SPON, FAZ, TAZ, ARD, ZDF und Konsorten gar nicht mehr lesen oder schauen, würde mir dort nicht Tag für Tag die Munition für meine Artikel frei Haus geliefert, die ich einfach nicht unverschossen liegen lassen kann.
Nun aber genug der Abschweifungen und zum eigentlichen Thema: Einbürgerung in die Schweiz. So ein Schweizer Pass ist eine feine Sache. Man ist damit überall auf der Welt (außer in deutschen Finanzministerien) gern gesehener Gast. Ein Türöffner also. Und anders als die deutsche Regierung, die amtliche Papiere über Krisengebieten im übertragenen Sinne mit dem Helikopter abwirft, schaut man in der Schweiz sehr genau hin, ob jemand, der einen solchen Pass haben möchte, ausreichend gefestigt ist in seiner Schweizerischkeit. Wie hält er oder sie es mit der Verfassung, wie mit den verfassungsmäßig garantierten Bürgerrechten, wozu auch die Gleichstellung von Mann und Frau gehört?
Die Stadt Lausanne jedenfalls war der Meinung, dass ein streng religiöses muslimisches Ehepaar die Schweizer Staatsbürgerschaft aufgrund der Verweigerung des Handschlages nicht erhalten dürfe. BAZonline schreibt dazu: „Die Antragsteller hätten damit mangelnden Respekt für die Gleichberechtigung der Geschlechter demonstriert, sagte der Bürgermeister von Lausanne, Grégoire Junod.“ Und weiter: „Bei der Befragung durch die dreiköpfige Kommission hätten sie zudem «grosse Probleme damit gehabt, Fragen zu beantworten, die von einem Mitglied des anderen Geschlechts gestellt wurden». Zwar gelte in der Schweiz die Religionsfreiheit, sagte Junod. Die Ausübung des Glaubens dürfe aber nicht «ausserhalb des Rechts» erfolgen.“
Lausannes Vizebürgermeister Pierre-Antoine Hildbrand, selbst Mitglied dieser Kommission schiebt dann auch noch eine Erklärung nach, für die er sich meinen allergrößten Respekt verdient hat. Ach was, ich könnte ihn küssen für diesen folgenden Satz, mit dem ich meinen kleinen, abschweifenden Ausflug in die Schweizer Berge dann auch ausklingen lassen möchte. Genießen Sie diesen Satz, liebe Leser! Schreiben Sie ihn auf einen Zettel und stecken Sie diesen in ihre Tasche, denn in Deutschland werden sie ihn nicht vernehmen, bis dorthin reichen die Echos aus den Bergen leider nicht mehr. Dieser Satz ist ein Kompass, der Orientierung geben und Leben retten könnte, wenn er auch in Deutschland gälte.
„Die Verfassung und die Gleichberechtigung von Mann und Frau haben einen höheren Wert als religiöse Intoleranz.“
Roger Letsch — www.unbesorgt.de