Vor einer Woche schrieb ich an dieser Stelle, dass der Springer-Konzern Angela Merkels Abschied von ihren politischen Ämtern eingeläutet hat. Und immer mehr Medien stimmen in den Abgesang ein. Die Journalisten haben Annegret Kramp-Karrenbauer (“AKK”) auserkoren, es künftig zu richten. Sollte die Landtagswahl in Bayern für die Union in die Hose gehen, könnte schon der CDU-Parteitag im Dezember zu Merkels “D‑Day” als Vorsitzende werden. Freilich nicht als Abgang mit Schimpf und Schande, sondern mit jeder Menge warmer Worte für die Hinauskomplimentierte, wobei stehende Ovationen von weniger als fünfzehn Minuten Dauer als bittere Enttäuschung gewertet würden. Vielleicht wird ein Klatschkanon einstudiert, um ermüdenden Händen eine kurze Pause zu gönnen. Man kann den Delegierten jedenfalls nur empfehlen, eine medizinische Handcreme in den Koffer zu packen. Am besten auch Blasensalbe. Doch wer ist diese unscheinbare Frau mit der Bubikopf-Frisur und der Designer-Brille, die irgendwann auch Kanzlerin werden soll? Offenbar vor allem eines: Merkels politische Miniaturausgabe, die optisch alles daran setzt, nicht so zu wirken. Sie mag ein wenig konservativer sein und die Bürger dieses Landes nicht für unmündige Kinder halten, denen man in einfacher Sprache beizubringen hat, was richtig für sie ist. Doch sie sieht in ihrer Parteivorsitzenden eine “Visionärin” – das letzte aller möglichen Attribute, das dem durchschnittlich politisch Interessierten zu Angela Merkel einfallen würde.
Merkel hat nur zwei Tage nach dem Parteitag noch einen Job zu erledigen – einen, dem sie seit Jahren alles untergeordnet hat, sogar ihren Amtseid
Ein Griff nach der Kanzlerschaft ist demnach bis auf weiteres nicht zu erwarten, wenngleich die frühere Ministerpräsidentin des Saarlands vielsagend betont, dass Angela Merkel ja “bei der vierten Kandidatur schon sehr lange überlegt hat, ob sie es noch einmal machen soll”. Eine überstürzte Abdankung der “Mutter aller Migranten” will sowieso niemand aus dem bunten Regenbogen, der sich von der CDU bis zur Linkspartei spannt. Denn Merkel hat nur zwei Tage nach dem Parteitag noch einen Job zu erledigen. Einen, dem sie seit Jahren alles untergeordnet hat, sogar ihren Amtseid. Am 10. und 11. Dezember will sie im marokkanischen Marrakesch dem globalen Migrationspakt der Vereinten Nationen zustimmen. Die Steigbügelhalter der Großen Koalition haben naturgemäß kein Interesse daran, die Garantin für die grenzenlose Weltbürgerschaft mit allumfassender deutscher Staatsalimentierung vor ihrer historischen Absage an den funktionierenden Nationalstaat zum Teufel zu jagen. Zwar ist der sogenannte Global Compact for Migration völkerrechtlich nicht bindend und wird von einigen Staaten auch gar nicht erst mitgetragen, allen voran Trumps USA, doch dürfte selbst den naivsten Zeitgenossen klar sein, dass all das, was dort niedergelegt ist, im ohnehin für seine vorauseilende Planübererfüllung weltberühmten Deutschland künftig als politische Rechtfertigung für eine noch wahnsinnigere Migrationspolitik dienen wird. Armutseinwanderung wird dann nicht mehr nur begleitet, sondern offiziell forciert werden.
Globale Organisationen, die sich zu einer Art Weltregierung aufspielen, betrauen nicht legitimierte NGOs mit der nationalen Regierungspolitik
Dem hätte auch Annegret Kramp-Karrenbauer nichts entgegenzusetzen, selbst wenn sie es wollte, was niemand unterstellt. Denn die deutsche Regierungspolitik wird längst anderswo gemacht: In globalen Organisationen, die einst ihre Berechtigung als völkerverbindende Zusammenschlüsse hatten, sich aber inzwischen zu einer Art Weltregierung aufspielen und mit der Umsetzung ihrer politischen Vorgaben private Nichtregierungsorganisationen betrauen, die sich jeder demokratischen Legitimation entziehen. Ralph Brinkhaus, der gegen Merkels Willen zum Chef der Unionsfraktion im Bundestag gewählt wurde, hat am Wochenende überraschend deutlich durchblicken lassen, dass es im Grunde völlig egal ist, wer ihr im Kanzleramt nachfolgt. Die Wettbewerber seien heute nicht mehr die anderen Parteien, sondern NGOs wie Greenpeace und die Deutsche Umwelthilfe, die eine “wesentlich größere Durchschlagskraft” hätten. Damit spricht Brinkhaus eines der Kernprobleme unserer Zeit an: Privatorganisationen, die de facto einen Regierungsstatus erlangt haben und von Firmen oder Einzelpersonen mit zweifelhafter Agenda finanziert werden, bestimmen längst die Politik und führen die demokratischen Institutionen ad absurdum. Es gibt Regierungen, die dies erkannt haben und gegensteuern. Die Bundesregierung gehört nicht dazu. Unterdessen hat die WELT schon einmal einen AKK-Fanclub gegründet. “Eine, die kann und die will”, frohlockt sie in Anspielung auf den Titel der in Kürze erscheinenden Biografie der 56-Jährigen. Nur 31% der Deutschen sehen das auch so. Nach Marrakesch spielt das aber ohnehin keine Rolle mehr.