Linke Staats­ver­gottung: „Der Zukunftsstaat”

von Dr. Rainer Zitelmann

Deutsche Umwelt­hilfe will Tem­po­limit auf 120

Der Kampf der Politik gegen „die Industrie“ nimmt immer absurdere und hys­te­ri­schere Formen an – und gefährdet die Grund­lagen unseres Wohl­standes. Deutschland auf dem Weg in den anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen „Zukunfts­staat“. Bei­spiele von dieser Woche.
„Die Industrie“ ist zu einem Schimpfwort geworden, obwohl sie die Basis unseres Wohl­standes ist. Allein schon die Ver­mutung, irgend­etwas könne „der Industrie“ nutzen, genügt in der erregten öffent­lichen Debatte als Tot­schlag­ar­gument – so, als ob es einen ant­ago­nis­ti­schen Wider­spruch zwi­schen den Inter­essen „der Men­schen“ und „der Industrie“ gebe.

Plas­tikmüll – was 99% nicht wissen

Täglich über­bieten sich EU-Büro­kraten, deutsche Poli­tiker und natürlich die Ver­treter der Welt­un­ter­gangs­sekte „Die Grünen“ mit neuen Ideen im Kampf gegen „das Kapital“. Bilder von Plastik im Meer flimmern täglich über die Bild­schirme und Jour­na­listen spe­ku­lieren über mög­liche gesund­heit­liche Folgen von „Mikro­plastik“, über die es in Wahrheit kei­nerlei wis­sen­schaft­liche Erkennt­nisse gibt. Allein die vage Ver­mutung, irgend­etwas könne viel­leicht die Gesundheit gefährden, reicht aus für Alarm­stufe 1 in der öffent­lichen Debatte. Die EU will jetzt Stroh­halme und Wat­te­stäbchen ver­bieten. Das EU-Verbot trifft die Kunst­stoff­branche, die 2015 einen Umsatz von 340 Mil­li­arden Euro machte und 1,5 Mil­lionen Men­schen beschäf­tigte. Die Wirkung der Beschlüsse auf die Umwelt dürfte fast bei Null liegen. Grund: 80 Prozent des Mee­res­mülls stammt aus asia­ti­schen Ländern, nur 1 Prozent aus Europa – aber ich vermute, dass 99 Prozent der Men­schen das nicht wissen.

Feindbild Lebens­mit­tel­in­dustrie

Eine andere Meldung aus dieser Woche: Bun­des­er­näh­rungs­mi­nis­terin Julia Klöckner (CDU) hat sich mit Teilen der Lebens­mit­tel­in­dustrie auf eine soge­nannte “Reduk­tions- und Inno­va­ti­ons­stra­tegie” geeinigt. Die besagt, dass Fer­tig­pro­dukte schritt­weise mit weniger Zucker, Salz und Fett aus­kommen. Erreicht werden soll das bis 2025 über frei­willige Ziel­ver­ein­ba­rungen. Natürlich langt das den Grünen nicht, die erst dann zufrieden sind, wenn der Staat alles gesetzlich regu­liert, ver­bietet und den Men­schen vor­schreibt, wie sie sich ernähren sollen. Orga­ni­sa­tionen wie „Food­watch“ machen den ganzen Tag nichts anderes, als die Lebens­mit­tel­in­dustrie an den Pranger zu stellen und For­de­rungen nach Ge- und Ver­boten zu erheben.

Der Haupt­feind: Die Automobilindustrie

Im Mit­tel­punkt des Kampfes gegen „die Industrie“ steht derzeit Deutsch­lands Herz­stück, die Auto­mo­bil­in­dustrie. Das ganze Jahr über fand ein irra­tio­naler Kampf gegen Die­sel­autos statt – und zwar im Namen von „Grenz­werten“, über die Experten und Ärzte nur den Kopf schütteln können, weil sie ohne jede wis­sen­schaft­liche Grundlage sind. Behaup­tungen über Tau­sende Tote (weltweit angeblich 107.000) pro Jahr als Folge von Fein­staub und Stick­oxiden werden täglich wie­derholt, aber die zugrun­de­lie­genden Berech­nungen ent­behren jeder wis­sen­schaft­lichen Basis. Die Grenz­werte sind absurd und die Mess­me­thoden sind falsch, aber die Erre­gungs­de­batte lässt sich davon nicht beein­drucken. Der FDP-Poli­tiker Oliver Luksic gei­ßelte die Ver­fahren zu Recht als „Messwahn“, der ein­malig in Europa sei. Angela Merkel ver­tei­digte diese Mes­sungen und fand es sogar richtig, diese an Auto­bahnen durch­zu­führen, was sonst niemand in Europa macht. Welche Fuß­gänger sollen dort geschützt werden?
Das nächste Etap­penziel der Politik steht schon fest, es sind Ben­ziner. Es müsse “lang­fristig auch das Aus für Ben­ziner” kommen, so for­derte diese Woche der SPD-Gesund­heits­experte Karl Lau­terbach. Ben­ziner setzten “mehr gefähr­lichen Fein­staub frei als ein Diesel” und ver­ur­sachten “mehr Kli­ma­wandel”. Deutschland brauche “Koh­le­aus­stieg und E‑Autos”. Bereits im März hatte Lau­terbach Auto­käufer davor gewarnt, sich Ben­zin­fahr­zeuge zuzu­legen. Nur ganz wenige Modelle ver­fügten bislang über einen Fein­staub­filter. “Der wird in den nächsten Jahren, wenn es um weitere Fahr­verbote in den Innen­städten geht, aber unter Garantie Vor­schrift werden”, so der SPD-Politiker.
Am gleichen Tag kommt die Meldung: Die wegen Klagen für Diesel-Fahr­verbote zuletzt heftig kri­ti­sierte Deutsche Umwelt­hilfe (DUH) prüft die Chancen für ein durch­gän­giges Tem­po­limit von 120 Stun­den­ki­lo­metern auf allen deut­schen Autobahnen.
Und: Nach dem Willen der EU sollen Neu­wagen bis 2030 erheblich „kli­ma­freund­licher“ werden. Der CO2 Ausstoß soll zwi­schen 2021 und 2030 um 37,5 Prozent sinken. Für leichte Nutz­fahr­zeuge wurde eine CO2-Reduktion um 31 Prozent ver­einbart. Für beide Fahr­zeug­klassen soll bis 2025 eine Min­derung um 15 Prozent als Zwi­schen­etappe erreicht sein. Das geht aus einer Einigung von Unter­händlern der EU-Staaten und des Euro­pa­par­la­ments hervor. Das könnte nur erreicht werden, wenn bis dahin zwei Drittel aller Neu­zu­las­sungen Elek­tro­autos sind – derzeit sind es zwei Prozent. Soeben erst wurde Angela Merkels Ziel, dass bis 2020 eine Million Elek­tro­autos auf deut­schen Straßen fahren, weit ver­fehlt – und schon werden neue, noch absurdere Ziele ver­kündet. Das erinnert an Plan­wirt­schaften. „Den Sozia­lismus in seinem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf“, meine Erich Hon­ecker. Wird er Recht behalten?
Noch vor wenigen Jahren belehrten uns die Grünen, wir müssten (wenn wir schon Auto fahren und nicht gleich aufs Fahrrad umsteigen) unbe­dingt Diesel fahren, um die Umwelt zu schonen, so wie sie uns jetzt belehren, wir müssten E‑Autos fahren. Man muss kein Prophet sein, um jetzt schon vor­her­zu­sagen: Sollte das Ziel, dass die meisten Men­schen Elek­tro­autos fahren, jemals erreicht werden, dann werden genau diese Autos Ziel der nächsten grünen Kam­pagne sein – denn schon heute wissen wir, wie schädlich E‑Autos für die Umwelt sind. So wie die Koh­le­kraft­werke an Stelle der Kern­kraft­werke als Feindbild getreten sind.

Feindbild Ver­mieter

Neben der Industrie sind auch Immo­bi­li­en­ei­gen­tümer im Visier. Soeben wurde erst von der Großen Koalition die Miet­preis­bremse ver­schärft und eine Kap­pungs­grenze für die Umlage von Moder­ni­sie­rungs­kosten ein­ge­führt. Schon werden weitere For­de­rungen laut: SPD-Finanz­mi­nister Scholz legte Pläne für die Reform der Grund­steuer vor, die zu einer erheb­lichen Erhöhung der Steuer in den von Woh­nungs­knappheit und stei­genden Mieten betrof­fenen Metro­pol­re­gionen zur Folge hätten. Da die Grund­steuer jedoch bislang auf die Miete umgelegt wird, legte die Bun­des­jus­tiz­mi­nis­terin Katarina Barley (SPD) diese Woche nach und for­derte, die Umla­ge­mög­lichkeit der Grund­steuer über die Betriebs­kosten auf die Mieter abzu­schaffen. „Dass die Grund­steuer künftig nicht mehr auf die Mieter umgelegt werden kann, ist eine sehr gute Über­legung“, meinte sie. Das hatten zuletzt schon die SPD-Frak­ti­ons­vor­sit­zenden von Bund und Ländern bei einer Klausur beschlossen. Auch Finanz­mi­nister Olaf Scholz (SPD) zeigte sich dafür offen. Die Folge wäre, dass Immo­bi­li­en­in­vest­ments bald unwirt­schaftlich wären (jeden­falls im Woh­nungs­be­reich), da eine Besei­tigung der Umla­ge­fä­higkeit auf die Miete mit Sicherheit zur Folge hätte, dass die Kom­munen die Grund­steuer ver­viel­fachen würden (schon heute liegen die Hebe­sitze in der Spitze bei bis zu 910 Prozent). Durch all diese Maß­nahmen ent­steht keine einzige neue Wohnung, ganz im Gegenteil. Augen­wi­scherei und Aktio­nismus, scheinbar im Interesse der Mieter, die jedoch nur zur Ver­schärfung der Wohn­raum­knappheit führen werden.
Nach­richten aus zwei Tagen. Der Feind ist immer der gleiche: „die Industrie“ oder auch Immo­bi­li­en­ei­gen­tümer, kurz: Das Kapital. Deutschland befindet sich im anti­ka­pi­ta­lis­ti­schen Rausch. Die Welt­un­ter­gangs­sekte „Die Grünen“ gibt den Ton an, die SPD folgt ihr. Die Union leistet manchmal zunächst halb­her­zigen Wider­stand und folgt dann ebenfalls.

Linke Staats­ver­gottung: „Der Zukunftsstaat“

Die links­grüne „taz“ über­schrieb vor wenigen Tagen eine Kolumne mit der ver­hei­ßungs­vollen Über­schrift „Zukunfts­staat“: „Zukunfts­staat – das ist ein schönes Wort, das auch heute wieder ver­hei­ßungsvoll klingen kann, denn, wenn nicht alles täuscht, schwindet die Neigung, den öffent­lichen Sektor zu ver­un­glimpfen, und die Idee, dass ‚Staat eine Kraft des Guten’ sein kann (Thomas Friedman), gewinnt an Boden. Aber ein Bebel des 21. Jahr­hun­derts wird noch gesucht. Kevin allein wird es nicht richten, auch wenn der baye­rische SPD-Frak­ti­onschef Horst Arnold ihn schon als neuen Par­teichef vor­schlägt.“ Die taz hat leider Recht: Die Utopie vom all­mäch­tigen Staat als „Kraft des Guten“ gewinnt immer mehr an Zustimmung.
Die Staats­ver­gottung der Linken ist lächerlich, wenn man bedenkt, wie in den ver­gan­genen 100 Jahren aus­nahmslos alle auf Staats­wirt­schaft basie­renden Systeme versagt haben. Absurd ist: Dort, wo der Staat stark sein müsste, bei­spiels­weise beim Schutz der Grenzen, in der inneren Sicherheit oder in der Ver­tei­digung, kann er nach dem Willen der Links­grünen gar nicht schwach genug sein. Im Bereich der Wirt­schaft ver­göttern die gleichen Leute den all­mäch­tigen Staat, der der Industrie bis ins Detail vor­schreiben soll, was und wie sie produziert.
Früher nannte man es Sozia­lismus oder Kom­mu­nismus – heute heißt die anti­ka­pi­ta­lis­tische Utopie „Zukunfts­staat“. Als ich vor wenigen Wochen mit der taz-Redak­teurin und Kapi­ta­lis­mus­kri­ti­kerin Ulrike Herrmann ein öffent­lichen Streit­ge­spräch in Tübingen hatte, schwärmte sie von einer Welt, in der niemand mehr fliegt und niemand mehr Auto fährt. So sieht der „Zukunfts­staat“ aus.
Und die Ange­grif­fenen, die Kapi­ta­listen? Manchmal murren sie ein wenig, so wie jetzt die Auto­in­dustrie, aber meist kuschen sie. Oder biedern sich sogar oppor­tu­nis­tisch bei ihren schärfsten Feinden an. Von einer ent­schie­denen Gegenwehr ist nichts zu spüren.


Quelle: the­Eu­ropean