Neues Ver­pa­ckungs­gesetz: Kampf dem Ver­pa­ckungsmüll – Vom Ver­pa­ckungs­chaos ins Pfandchaos

Jeder kennt es. Der Abfall­eimer oder ‑sack, der als erstes über­quillt, ist der gelbe Sack mit dem Ver­pa­ckungsmüll. Man sieht es und denkt sich leise bei sich: „Ist schon ein Wahnsinn, wieviel Plastik wir in die Gegend pesten.“
Doch selbst dann, wenn man nur in den Bio­laden geht, wo vieles noch in Papp-Packungen ange­boten wird, wo man Joghurt­gläser und Milch­fla­schen zurück­geben kann, Käse und Wurst in seine mit­ge­brachte Frisch­hal­tedose legen lässt und Obst und Gemüse in Pack­pa­pier­tüten bekommt, wird er zwar wesentlich lang­samer voll, aber eben doch voll.
Nun tritt ab 01. Januar 2019 von Staats wegen ein Ver­pa­ckungs­gesetz in Kraft, um des Müll­berges Herr zu werden. Und der wird immer schneller immer größer. Mitt­ler­weile ist der Jah­res­ver­brauch pro Kopf bei 220,5 Kilo ange­kommen. So ein voller, gelber Sack wiegt zirka 2–3 Kilo, je nachdem, wie voll man ihn stopft. Das bedeutet, dass pro Nase pro Jahr etwa 70–80 solcher Säcke anfallen. Das ist schon krass.
Also ist es sicher nicht falsch, etwas an der Ver­pa­ckungs-Seuche zu machen. Das sind aber nicht nur die Her­steller und Ver­sender schuld, die jetzt einer Regis­trier­pflicht unter­liegen und an erster Stelle zur Kasse gebeten werden. Davon bemerkt der End­ver­braucher jedoch wenig. Allen­falls der Preis wird steigen, weil die Ver­käu­fer­seite die Mehr­kosten auf den End­ver­braucher umlegen wird. Bei den knall­harten Preis­ver­handlung der großen Super­märkte und Dis­counter mit den Her­stellern ist da wenig Luft im Preis.
Der Grund für das explo­si­ons­artige Anwachsen des Ver­pa­ckungs­mülls ist nicht zuletzt ein gesell­schaft­licher. Die Anzahl der Single-Haus­halte wächst und erfordert kleinere Packungs­größen. Singles sind zum aller­größten Teil berufs­tätig und oft nicht gerade in gemüt­lichen „wir-sind-hier-auf-der-Arbeit-und-nicht-auf-der-Flucht“-Jobs in beschau­lichen Ver­bands­ge­mein­de­ämtern. Die meisten Singles arbeiten viel und ehr­geizig, sind immer gut gestylt und haben keine Zeit für täg­liches Kochen. Da werden Mini­größen an Auf­schnitt, Soja-Chia-Samen Brot in 250 Gramm-Packungen und kleine Fläschchen Fair-Trade-100% natur­reine Smoothies gekauft. Obst und Gemüse eben­falls immer tau­frisch und nur wenige Früchte, jedes in einer dünnen Plas­tiktüte. Dann noch schnell ein paar Bio-Joghurts und Kaf­fee­spe­zia­li­täten-Becher für morgens im Auto zum Job und für abends eine Packung mit Slim-Food-fertig-Essen… da ist der täg­liche Ver­pa­ckungs­müllberg beachtlich.
Wer hat außerdem die Zeit, in die Stadt zu fahren – wenn er das mit dem Diesel über­haupt noch kann – und einen Park­platz zu suchen, die Geschäfte und Kauf­häuser abzu­klappern nach einem Geschenk oder einem Buch, was man gern lesen würde? Die Lösung heißt Online-Ver­sand­handel. Nur: Da fällt ein Mehr­faches der Ver­pa­ckung an, die nötig wäre, wenn man den Kram im Laden kauft.
Nun wird der End­ver­braucher der Päckchen und Pakete die Kosten des neuen Ver­pa­ckungs­ge­setzes nur an einer Preis­er­höhung bemerken. Aber andere Ver­än­de­rungen werden sich auch im Alltag spürbar zeigen:
Ab jetzt gibt es keine Plas­tik­stroh­halme und kein Kunst­stoff-Party-Besteck mehr. Außerdem werden Einweg-Packungen für soge­nannte Obst-Nektar-Getränke und Gemü­se­n­ektare sowie Misch­ge­tränke mit Mol­ke­an­teilen pfand­pflichtig. Das sind 25 Cent pro Packung. Damit die Kunden dazu ange­halten werden, lieber Mehr­weg­pa­ckungen zu kaufen — und damit auch die Her­steller zur Ver­wendung von Mehr­weg­pa­ckungen zwingen -, müssen die Super­märkte auch deutlich sichtbare Schilder an den Waren­re­galen anbringen, die die Mehrweg- und die Ein­weg­ver­pa­ckungen kenn­zeichnen. Das gilt aber nur für die pfand­pflich­tigen Einweg-Getränke-Ver­pa­ckungen. Der natur­reine Apfelsaft bleibt pfandfrei, der Apfel­saft­nektar daneben nicht. Alles sehr ver­wirrend und irgendwie chao­tisch. Und wohin bringt man dann die leere, pfand­pflichtige Packung?
Dar­über­hinaus ist es Ziel des neuen Ver­pa­ckungs­ge­setzes, die Recy­cling­quoten zu erhöhen. Das soll schritt­weise 2019 und 2022 geschehen. Dabei soll die Recy­cling­quote von Glas, Alt­papier, Eisen­me­tallen und Alu­minium von derzeit 60% auf dann 90% (bis 2022) gesteigert werden. Bei Geträn­ke­kartons strebt man eine Quote von derzeit 60% auf 80% an und bei Plastik von derzeit 36% auf 63%.
Gleich­zeitig müssen Recycler wie der „grüne Punkt“ und andere duale Systeme wie interseroh, die sich ja über die Gebühren der Her­steller und Ver­käufer finan­zieren, besonders umwelt­freund­liche und leicht ver­wertbare Ver­pa­ckungen durch nied­rigere Lizenz­ge­bühren fördern. Wie die Ver­pa­ckungen umwelt­freund­licher oder leichter nach Mate­rialien trennbar werden, ist Sache der Her­steller. Auf welche Weise die Her­steller der Ver­pa­ckungen das gegenüber dem Recy­cling-Unter­nehmen belegen müssen oder können, ist nicht zu finden.
Mög­li­cher­weise ist das die Zen­trale Stelle, die nun ein­ge­richtet wird, um den ganzen Ver­pa­ckungsmüll zu kon­trol­lieren. Hier regis­trieren sich auch die „Inver­kehr­bringer“ der Ver­pa­ckungen.
“Vor­stand dieser Zen­tralen Stelle ist Gunda Rachut. ‘Aktuell ver­zeichnet das Register 70.000 Ein­träge. Bis Januar 2019 erwarten wir eine Ver­dopplung der Zahlen’, sagt sie. Das Register habe eine hohe Zahl an ‘Tritt­brett­fahrern’ auf­ge­deckt, die bisher keine Gebühren bezahlt haben. Damit sei ein wich­tiges Ziel schon erreicht, bevor das Gesetz über­haupt in Kraft trete. Viele hätten das Register aber auch noch nicht genutzt, für die sei es ‘quasi fünf vor zwölf’.”
Sich drücken kann nämlich teuer werden. Bis zu 200.000 Euro Bußgeld drohen, wenn man sich nicht korrekt lizen­siert. Die Recycler bieten Beratung an und rechts­si­chere Lizen­zierung. Bei dem Recycler Landbell kostet dieser Service 75 Euro/Jahr, bei Lizenzero geht das ab 49 Euronen. Natürlich kommen die Lizenz­ge­bühren für die zu ermit­telnde Menge an Ver­pa­ckungs­ma­terial dazu. Es gibt aber eine Schwelle an Ver­pa­ckungs­ma­terial-Menge, unter der für Kleinst­ver­braucher keine Lizenz­ge­bühren anfallen, melden und regis­trieren muss man aber. Unterhalb bestimmter Mengen ist auch die Voll­stän­dig­keits­er­klärung nicht nötig.
Ohne Gebühren berät die jeweils zuständige IHK und bietet meistens auch Kurse an, in denen man sich infor­mieren und Fragen stellen kann.