NZZ: „Zentrum für poli­tische Schönheit“ betreibt nicht Kunst, sondern Stalinismus

Scharfe Kritik an poli­ti­schen Akti­ons­kunst­kol­lek­tiven wie „Peng“ oder dem „Zentrum für poli­tische Schönheit” übt Daniel Haas in der NZZ. Die dahin­ter­ste­hende Selbst­ge­rech­tigkeit greife keine Miss­stände auf, sondern pro­fi­tiere von deren Eskalation.

In einem Kom­mentar für die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) befasst sich Daniel Haas mit dem, wie er es nennt, „Comeback poli­ti­scher Akti­ons­kunst“ in Form von Kol­lek­tiven wie „Zentrum für poli­tische Schönheit“ oder „Peng“. Diese nehmen für sich in Anspruch, auf pro­vo­kative Weise poli­tische Miss­stände auf­zu­greifen und das Publikum auf diese auf­merksam zu machen – wie man es eigentlich land­läufig auch von Aktio­nisten erwarten würde. 

Ent­gegen ihrer Selbst­dar­stellung würden sie jedoch diesem Anspruch nicht gerecht, meint Haas. Vielmehr seien es Nar­zissmus und Selbst­ge­rech­tigkeit, die beim Wirken der Künst­ler­gruppen im Vor­der­grund stünden. Effekt­ha­scherei und Denun­ziation werfen einen Schatten des Zweifels auf die ver­meint­liche Gerech­tigkeit und Authen­ti­zität des Anliegens. Vor allem aber fühlt Haas sich durch die voll­ständige Zwei­fels­freiheit bezüglich des eigenen „Pre­mi­um­ge­wissens“ und des absolut Guten der eigenen gerechten Sache weniger an Rebellen erinnert denn an Tyrannen: 

„Die Künstler von heute lernen von Stalin“, schreibt Haas. „Unter­drü­ckung, Über­wa­chung, Ver­leumdung, das sind die Stil­mittel der neuen Krea­ti­vität. Wer heute hip und erfolg­reich sein will, macht es wie der Despot: Er drang­sa­liert ein aus­ge­suchtes Opfer so lange, bis genügend Gaffer und Mit­wisser ver­sammelt sind und die Stimmung reif ist für einen Schau­prozess. Das ist dann der Höhe­punkt der künst­le­ri­schen Leistung: die öffentlich ver­marktete, medial befeuerte Bloßstellung.“

Selbst­justiz im Dienst der Moral

Allen gemein sei eine tiefe Ent­rüstung gegenüber staat­lichen Insti­tu­tionen und die noch tiefere Über­zeugung, die dia­gnos­ti­zierten Miss­stände selbst beheben zu müssen. Rechts­staat­lichkeit und Lega­lität würden ange­sichts der eigenen Gewissheit, für das allem über­ge­ordnete Gute zu stehen, zur unver­bind­lichen Emp­fehlung, wenn nicht zur Geschmacks­sache. Der Applaus der 200 000 Fans auf Facebook und der 120 000 Fol­lower auf Twitter reiche zur Bestä­tigung aus. 

Haas teilt diese Gewissheit nicht und urteilt recht unpathetisch: 

Die ent­schei­dende Frage lautet: Wird die Gesell­schaft durch diese Kunst besser, humaner, offener? Die Antwort: Nein.“

Die Gesell­schaft werde von den, wie er sie nennt, Kunst­sta­li­nisten über­wacht und ein­ge­schüchtert. Bri­sante poli­tische Themen würden mit genau jenen popu­lis­ti­schen Mitteln zuge­spitzt, gegen die man angeblich zu Felde zieht.

Im Kern ver­mittle der Aktio­nismus der Künst­ler­kol­lektive eine Bot­schaft, die auf die Besei­tigung von Demo­kratie und Rechts­staat hin­aus­laufe. Die damit ver­bun­denen Insti­tu­tionen wären demnach zu schwach, um mit den ver­meint­lichen oder tat­säch­lichen Miss­ständen und Bedro­hungen fer­tig­zu­werden. Die Kra­wall­künstler und ihre Anhänger müssten die Dinge selbst in die Hand nehmen – wie etwa im Fall der Über­wa­chung des Pri­vat­hauses von Thü­ringens AfD-Frak­ti­onschef Björn Höcke oder des jüngst bekannt gewor­denen Denun­zia­ti­ons­aufrufs unter dem Titel „Soko Chemnitz“. Die gleiche Argu­men­ta­ti­ons­linie kennt man aller­dings auch von rechten Apokalyptikern. 

Erre­gungs­zirkus aus nar­ziss­ti­schen Beweggründen

Bei „Peng“ waren es Aktionen wie der Tor­tenwurf gegen die Abge­ordnete Beatrix von Storch oder eine inter­aktive Karte von Berlin, auf welcher vor gerade statt­fin­denden oder unmit­telbar bevor­ste­henden Poli­zei­ein­sätzen gewarnt wurde. 

Daniel Haas ist davon über­zeugt, dass diese Form von Kunst der Gesell­schaft schadet. Die Auf­merk­samkeit lande nicht mehr beim eigent­lichen Kon­flikt­stoff, die wirk­lichen Pro­bleme seien zweit­rangig. Was zähle, sei nur der maximale Auf­merk­sam­keits­zu­wachs. Am Ende bleibe der nar­ziss­tische Gewinn für eine Gruppe Volks­päd­agogen, die mit ihrem Erre­gungs­zirkus zum nächsten Thema wei­ter­ziehe. Diese würden sich und die Unred­lichkeit ihres Anliegens im Grunde selbst entlarven:

Wären die rechts­staat­lichen Insti­tu­tionen tat­sächlich so hilflos und geschwächt, wie es uns Stalins neue Kunst­schüler ver­kaufen wollen, müsste man sich dann nicht fragen: Wie kann ich diese Insti­tu­tionen stärken? Und nicht, wie schwäche ich sie noch weiter?“

Eska­lation als Ver­kaufs­hilfe in eigener Sache

Statt­dessen würden die Akti­vi­täten des „Zen­trums für poli­tische Schönheit“ oder ähn­licher Ver­ei­ni­gungen den Rechts­staat abser­vieren, während die­je­nigen, denen sie schaden sollten, davon pro­fi­tieren würden. Björn Höcke etwa vom dadurch bewirkten Mär­tyrer-Image, und denun­zierte Rechte von der Soko-Chemnitz-Seite, die ihren Arbeits­platz ver­lören, würden ihre zusätz­liche Freizeit sicher nicht nutzen, um Marx zu lesen. 

Philipp Ruch, der Anführer des „Zen­trums für poli­tische Schönheit“, gibt selbst zu, dass er die Eska­lation anstrebt – und die Gewissheit, auf der rich­tigen Seite zu stehen, ver­leiht seinem Sen­dungs­be­wusstsein Flügel: 

„Wir machen kein Ver­stän­di­gungs­projekt, dann würden wir von der Zen­trale für poli­tische Bildung bezahlt werden.“

Aus Sicht von Haas ver­ständlich: „Den Kunst­des­poten geht es nicht um die Klärung von Kon­flikten, sondern um ihre Ver­schärfung. Wer dabei das Sagen hat, ver­steht sich für sie von selbst.“

 


Quelle: EpochTimes