von Roger Letsch | Die Nerven liegen blank im poliÂtiÂschen Berlin, seit ein Datenleck unbeÂkannter ProÂveÂnienz und Größe die MitÂtelÂmäÂĂźigkeit unseres RegieÂrungsÂmaÂteÂrials und der ihm zuarÂbeiÂtenden BĂĽroÂkratie offenbart hatte. Schon wieder! Man ĂĽberÂbietet sich nun in marÂkigen ForÂdeÂrungen und schĂĽttelt drohend die Faust in unbeÂkannte Richtung, was aus der Ferne betrachtet so wirkt, als wĂĽrden die VerÂantÂwortÂlichen mit verÂbunÂdenen Augen verÂsuchen, eine Piñata zu treffen. Doch was fĂĽr lächerÂliche KnĂĽppel stehen fĂĽr diese Aufgabe zu Gebote!
DeutschÂlands Beitrag zur weltÂweiten EntÂwicklung der IT ist in den letzten 20 Jahren mit den Bereichen KlaÂmotten (Zalando), Pizza (LieÂferheld) und RepresÂsionen gegen oppoÂsiÂtioÂnelle MeiÂnungen (NetzDG) erschöpfend zusamÂmenÂgeÂfasst – also im weiÂtesten Sinne Zuckerbrot und Peitsche. Sonst war da wenig, was der AufÂmerkÂsamkeit wert war. Wir sind ein IT-EntÂwickÂlungsland, in Sachen NetzÂausbau und QuaÂlität nicht mal das, da konÂkurÂrieren wir mit Albanien. Ach ja, eines ist noch typisch Deutschland, allerÂdings nicht nur in Sachen IT, sondern in geradezu allen Aspekten des Lebens: Wenn etwas nicht funkÂtioÂniert, machen wir schärfere Gesetze, auf das vor Schreck gleich alles viel besser funkÂtioÂniere. Das hat zwar noch nie funkÂtioÂniert, aber wohl nur deshalb, weil die GesetÂzesÂverÂschärfung nicht scharf genug war. JedenÂfalls glaubt das unsere Regierung. Wir erinnern uns leise kichernd an deutsche RohrÂkreÂpierer wie MietÂpreisÂbremse, SchulÂdenÂbremse und das forÂmiÂdable WachsÂtumsÂbeÂschleuÂniÂgungsÂgesetz. Auch die weltÂfremden GrenzÂwerte von NOx und FeinÂstaub oder die fixe Idee, die TemÂpeÂratur des PlaÂneten auf dem VerÂordÂnungsweg immer weiter optiÂmieren zu können, entÂspringt unmitÂtelbar dem „GestalÂtungsÂwillen“ theoÂrieÂgeÂfluÂteter deutÂscher BĂĽrokratenhirne.
In eben diese Kerbe schlägt wieder einmal die OberÂjusÂtizia Barley, wenn sie strengere SicherÂheitsÂvorÂgaben fĂĽr Software-HerÂsteller und die Betreiber von Internet-PlattÂformen in Betracht zieht. „Wir prĂĽfen, inwieweit hier schärfere gesetzÂliche VorÂgaben sinnvoll und erforÂderlich sind“, zitiert das HanÂdelsÂblatt. Man kennt im Moment aber weder Ursache noch VerÂurÂsacher des DatenÂlecks im BunÂdestag. Es ist, als verböte man nach einem Brand schon mal vorÂsichtsÂhalber den Verkauf von StreichÂhölzern — ohne die ErgebÂnisse der BrandÂerÂmittler abzuwarten.
Das dumme an Barleys AktioÂnismus ist zudem, dass in der IT-BanaÂnenÂreÂpublik Deutschland so gut wie keine Software oder Hardware entÂwiÂckelt wird und es auĂźerdem kaum jemanden gibt, der die EinÂhaltung der SicherÂheitsÂvorÂgaben ĂĽberÂprĂĽfen könnte. Die geforÂderte „starke SenÂsiÂbiÂliÂsierung beim Umgang mit perÂsönÂlichen Daten“ darf man indes als unverÂschämtes HohnÂlachen des Staates ĂĽber seine gleichÂgeÂschalÂteten BĂĽrger interÂpreÂtieren. Ist es doch gerade der Staat, der mehr und mehr in datenÂhoÂheitÂliche Belange des BĂĽrgers einÂgreift. Der Handel mit MelÂdeÂdaten der BĂĽrger geschieht mit staatÂlichem Plazet, die GEZ ist eine staatlich sankÂtioÂnierte mediale ZwangsÂbeÂglĂĽÂckung und dieser Staat ist es auch, der 2018 die WeltÂrangÂliste derÂjeÂnigen anfĂĽhrt, die bei Apple Anfragen zur OffenÂlegung der KomÂmuÂniÂkation mit dessen Geräten gestellt haben. Um sich nicht dem Vorwurf der Zensur ausÂzuÂsetzen, deleÂgiert der deutsche Staat seine GesinÂnungsÂschnĂĽfÂfeÂleien in sozialen Medien zudem an private UnterÂnehmen und ĂĽberÂschreitet gleich eine weitere rote Linie. Deutschland ist ein Land, das seine natĂĽrÂlichen Grenzen bereitÂwillig aufÂgeÂgeben hat und in dem die digitale EntÂgrenzung und die EinÂschränkung der AbwehrÂrechte des BĂĽrgers gegenĂĽber staatÂlicher WillkĂĽr bereits ebenÂfalls beachtÂliche, ja, grenÂzenlose AusmaĂźe angeÂnommen hat.
Auch Dieter Janecek, Obmann der GrĂĽnen im DigiÂtalÂausÂschuss des BunÂdesÂtages, also einer staatÂlichen FaziÂlität, die den Mangel in Deutschland wohlÂwollend beobÂachtet, bringt ErwartÂbares in VorÂschlag: Einen verÂbindÂlichen SicherÂheits-TĂĽV mit HafÂtungsÂregeln fĂĽr Software. Eine Behörde also. Noch eine. Na prima! Was soll denn da ĂĽberÂwacht und geprĂĽft werden? In AnbeÂtracht der BedeuÂtungsÂloÂsigkeit DeutschÂlands in der weltÂweiten IT-Branche sind all diese MaĂźÂnahmen in etwa so sinnvoll, wie wenn die Schweiz ein MariÂneÂmiÂnisÂterium grĂĽnden wĂĽrde, um die weltÂweite SchiffÂfahrt dazu zu zwingen, Schweizer Häfen anzusteuern.
Diese Mischung aus InkomÂpetenz, Ignoranz und GröÂĂźenwahn bei PoliÂtikern, die zum „Gestalten“ angeÂtreten sind und nicht bemerken, dass sie nicht mit Puppen, sondern mit MenÂschen spielen, ist es, die uns immer tiefer hinÂeinÂzieht in ĂĽberÂreÂguÂlierte, planÂwirtÂschaftÂliche ProÂzesse, was die Reste der freien Märkte hierÂzuÂlande immer weiter abwĂĽrgt. Ich werfe deshalb einen eher gelangÂweilten und frusÂtrierten Blick in meine USB-GlasÂkugel 3.0 und proÂphezeie, wie es laufen wird:
Ein Hacker-Angriff und seine Folgen
Zunächst die Abwehr. Da bereits davor gewarnt wurde, unter die geleÂakten Daten könnten bösÂwillige Hacker – womöglich von Trump bezahlte Putin-Trolle, die im Auftrag der AfD handeln, man beobÂachte die ReloÂtiaden der einÂschläÂgigen VerÂlautÂbaÂrungsÂorgane – falsche AnschulÂdiÂgungen mischen, ist die StoĂźÂrichtung beschrieben: Jede PeinÂlichkeit, die ĂĽber einen AbgeÂordÂneten, Minister, StaatsÂseÂkretär oder einen der MediÂenÂbuddys verÂbreitet wird, bekommt sofort den AbwehrÂstempel Fake-News. Damit ist die Sache klar, wer sich trotz des regieÂrungsÂamtÂlichen Schmutz-Siegels mit dem Fall befasst, macht sich zur ZielÂscheibe im „Kampf gegen Rechts”.
Dann geht’s in die Offensive. Die BunÂdesÂreÂgierung wird „Geld in die Hand nehmen“, es werden AusÂschĂĽsse und KomÂmisÂsionen gebildet, Tagungen abgeÂhalten, KonÂgresse mit wichÂtigÂtueÂriÂscher NumÂmeÂrierung (7. DigiÂtaler Dingsbums, 14. Netz-Zukunfts-Irgendwas, 21. BER-EröffÂnungs-Termin…) werden HandÂlungsÂbedarf konÂstaÂtieren und festÂstellen, dass noch mehr „Geld in die Hand“ genommen werden mĂĽsse. SteuÂergeld selbstÂverÂständlich, denn in Deutschland geht InnoÂvation per Order nicht mehr von freier WisÂsenÂschaft und WirtÂschaft, sondern vom Staate aus. Man wird verÂkĂĽnden, was jeder weiĂź, dass Deutschland nämlich in der Tat 20 Jahre hinter dem Mond lebt und beschlieĂźen, was wohl jeder ahnt: dass man die verÂlorene Zeit mit viel Geld komÂpenÂsieren mĂĽsse. Es werden sich LobÂbyÂgruppen, Berater und IT-Firmen finden und fĂĽr den dopÂpelten Preis das umsetzen, was in einem halbwegs funkÂtioÂnieÂrenden Markt fĂĽr die Hälfte und dreimal so gut zu haben wäre. Am Ende wird man voller Stolz verÂmelden, dass endlich Bewegung gekommen sei in den 20-jähÂrigen RĂĽckÂstand – er sei nun auf 30 Jahre angewachsen.
Immerhin werden Berater, PoliÂtiker, InterÂesÂsenÂverÂbände, Medien-ClaÂqueure und an den PlanÂwirtÂschaftsÂbeÂtrieb angeÂpasste UnterÂnehmen eine schöne Zeit haben und kurzÂfristig ordentlich Kasse gemacht haben, fĂĽr die langÂfrisÂtigen Dinge ist ja ohnehin der Staat, die EU, die UN oder der galakÂtische Rat zuständig. Und der potenÂtielle StörÂfaktor „BĂĽrger“, dem die Politik zutiefst missÂtraut, wird auf dem Altar poliÂtiÂscher NotÂwenÂdigÂkeiten und im Namen eines glattÂgeÂbĂĽÂgelten planÂwirtÂschaftÂlichen FĂĽnfÂjahÂresÂplans (DatenÂsiÂcherÂheitsÂwachsÂtumsÂbeÂschleuÂniÂgungsÂgesetz wäre ein grifÂfiger Titel) wohl noch das eine oder andere kantige AbwehrÂrecht dranÂgeben dĂĽrfen.
Frau Barley wird dann aber längst ihre KarÂriere im BrĂĽsÂseler AbklingÂbecken ausÂklingen lassen und Herr Janecek sich wahrÂscheinlich wieder grĂĽnen KernÂkomÂpeÂtenzen zugeÂwandt haben, die eher bei der VerÂhinÂderung von TechÂnoÂlogien als in deren FörÂderung liegen. AbgeÂsehen natĂĽrlich von Annalena BaerÂbocks SpeiÂchernetz. Das wird sicher der Knaller, auf den die Welt gewartet hat.