Glück­wunsch, EU! Facebook, WhatsApp und E‑E­vi­dence-Ver­ordnung: kom­plettes Schreddern der Grundrechte

Facebook hat kein gutes Jahr hinter sich. Prak­tisch pau­senlos hagelte es Skandale und  Kritik. Der „Cam­brid­ge­Ana­lytica-Skandal“ war ein glo­bales Desaster für Mark Zucker­bergs Klatsch & Tratsch­markt aka „Soziales Netzwerk“. Plötzlich wurde deutlich, was für eine Mei­nungs­bil­dungs-Monster-Maschine Facebook eigentlich ist und wie sie zur Wahl­be­ein­flussung benutzt werden kann. Seitdem sind die Regie­rungen dieser Welt immer noch im Stadium hap­ti­scher Schnapp­atmung, haben sie doch hier erfahren – ohne die Fakten zu ver­stehen – welche Mei­nungs­macht so ein „Spielzeug“, wie Facebook hat. Da bekommt auch Lieschen Müller innerhalb von Stunden nationale Bedeutung, wenn sie einen rich­tigen Kracher loslässt.
Erst im Dezember rummste eine fatale Attacke in Face­books Neu­an­schaffung, dem Mes­senger-Dienst WhatsApp. Die Plattform hatte sich klamm­heimlich zum Ver­stän­di­gungs­medium und zur welt­weiten Foto- und Videothek für Kin­der­schänder ent­wi­ckelt.
Besonders auf­fällig: Einer­seits arbeiten bei Facebook die Zen­soren im Akkord gegen alles, was man irgendwie als Hassrede oder auch nur im ent­fern­testen als Aus­länder- oder Islam­feind­lichkeit bewerten könnte. Übrigens: Auch alles, was man als Por­no­graphie ein­ordnen könnte: Zuletzt wurde ein Foto des berühmten stein­zeit­lichen Figür­chens der „Venus von Wil­lendorf“ als „gefähr­liche Por­no­grafie“ weg­ge­löscht. Aber auf WhatsApp können die Kin­der­schänder munter Bilder ver­ge­wal­tigter Kinder zeigen. 20.000 Zen­soren ackern sich jeden Tag durch Facebook und zen­sieren zum Teil ganz normale Äuße­rungen kurz und klein, während bei WhatsApp ist Fleisch­markt der Kin­der­körper flo­riert. Besser kann man das wirre Gewurstel in der digi­talen Welt kaum noch illustrieren.
Doch Zuckerberg gelobt Bes­serung. Man lösche täglich Mil­lionen Fake-Profile, um zukünftig Wahl­ma­ni­pu­la­tionen zu ver­hindern, arbeite mit Fak­ten­prüfern zusammen, richte eine „unab­hängige Wahl­for­schungs-Kom­mission“ ein. Man will trans­pa­renter werden, was den Daten­schutz angeht und welche Wer­be­trei­benden auf Facebook welche Ziel­gruppen in der Bevöl­kerung adres­sieren. Hassrede und Falsch­in­for­ma­tionen sollen mit­hilfe künst­licher Intel­ligenz erkannt und gebannt, ter­ro­ris­tische Inhalte gelöscht werden. Die „ver­läss­lichen“ Quellen (Sys­tem­kon­former Main­stream) sollen pro­mi­nenter plat­ziert werden, die Nutzer sollen in ihren Ein­stel­lungen mehr Mög­lich­keiten zum Daten­schutz bekommen. Und die Nutzer sollen glück­licher werden. Man wolle die Grund­rechte der Daten­si­cherheit und der Pri­vat­sphäre mehr schützen, gleich­zeitig sollen aber alle Äuße­rungen eng­ma­schiger auf uner­laubte Inhalte durch­kämmt werden. Auf einen Satz gebracht: Mehr Über­wa­chung, mehr Zensur, mehr Daten­si­cherheit, mehr Glücks­ge­fühle. Oder: Mehr Daten­si­cherheit, weniger Meinungsfreiheit.
Das teilt man sich nun ein arbeits­teilig anders auf in der EU. Während Facebook & Co die Mei­nungs­freiheit mit einer Division von Zen­soren erwürgt und nebenbei ein bisschen Daten­si­cher­heits­kos­metik macht, kümmert die EU sich eifrig um die de-facto-Abschaffung der Daten­si­cherheit. Beide Grund­rechte sind nur noch schöne Worte auf dem Papier.
Die DSGVO regu­liert zwar für den anstän­digen, nor­malen Bürger alles zu Tode, für bestimmte Fälle soll sie aber über­haupt nicht mehr gelten. Es ist nämlich eine neue EU-Ver­ordnung im Anmarsch, die die EU-Jus­tiz­mi­nister aus­ge­heckt haben: die E‑E­vi­dence-Ver­ordnung (eng­lisch „evi­dence“ = Beweis).
Diese besagt, dass sich die Kri­mi­nal­ermittler der EU Länder unmit­telbar an die Internet- und Tele­fon­an­bieter eines anderen EU-Landes wenden und die kom­plette Her­ausgabe aller (!) Kun­den­daten ver­langen können.
Vor­aus­setzung ist lediglich, dass die Ziel­person im ermit­telnden EU-Land einer schweren Straftat beschuldigt wird, die dort mit min­destens drei Jahren Haft bestraft werden würde. Das muss nur noch ein Richter dieses Landes absegnen, und schon kann der dort ermit­telnde Staats­anwalt in Deutschland die kom­plette Her­ausgabe von schlicht allem, was der Ver­dächtige so im Netz tut und getan hat, fordern: Fotos, Memes, WhatsApp- und andere Mes­senger-Nach­richten, Skype-Kon­ver­sa­tionen, Bilder und Dateien,  E‑Mails samt deren Anhang, Tele­fonate von Festnetz oder Handy, alle SMS, welche Web­seiten der Ver­dächtige besucht hat, was er im Browser gesucht hat, was er wo bestellt hat oder nur ange­guckt, sein Online-Banking, seine PINs, seine IP-Nummern … einfach alles.
Das Bri­sante: Ob das in Deutschland nach deut­schem Recht über­haupt zulässig ist, spielt keine Rolle. Es gibt auch keine staat­liche Instanz in Deutschland, die die Zuläs­sigkeit dieser Aus­for­schungen, deren Berech­tigung oder Ver­hält­nis­mä­ßigkeit prüft.
Ein Staats­anwalt aus dem EU-Ausland, zum Bei­spiel Grie­chenland, müsste sich mit keiner deut­schen Auf­sichts­be­hörde, keinem deut­schen Richter ins Benehmen setzen, was er warum und über wen in Deutschland erfahren möchte. Ein grie­chi­scher Rich­ter­be­schluss reicht und schwupp! könnte er direkt von Facebook, Telekom oder wem auch immer alle Daten aus­nahmslos her­aus­fordern. Man darf davon aus­gehen, dass diese Ver­ordnung bald kommt.
Frau Noch-Bun­des­jus­tiz­mi­nis­terin Katarina Barley findet das zwar „fatal“ und betreibt noch ein wenig Schaunörgeln: „Ohne Zustimmung der zustän­digen Stellen in den Mit­glieds­staaten darf es keine Her­ausgabe der Daten geben.“
Tat­sächlich steht aber die EU-Ver­ordnung über dem natio­nalen Recht, und was Frau Minis­terin Barley fatal findet, das inter­es­siert in der EU kein Schwein.