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Goethe, €uro und die CDU – Dichtung und Wahrheit

Das hatte der große Dich­ter­fürst wohl nicht ahnen können, als er sein auto­bio­gra­phi­sches Werk „Dichtung und Wahrheit“ ver­fasste – fast zwei Jahr­hun­derte (1808–1831) vor „Erfindung“ des €uro. Aller­dings, wozu Goethe volle zwanzig Bücher brauchte, genügen der CDU ganze sechs Sätze, um ihr Ver­hältnis zu Dichtung und Wahrheit ins rechte Licht zu rücken.
(Von Peter Helmes)
Goethes Bio­graph Richard Frie­denthal (Her­aus­geber des Knaurs Kon­ver­sa­ti­ons­le­xikons) wertete des Dichters Werk als „man­nig­faltig vor­schrei­tende Lebens­ge­schichte einer der großen Romane – ein Hausbuch“. Welch´ eine Parodie auf den €uro! Auch er „schreitet man­nig­faltig“ voran und gleicht einem großen Aben­teuer-Roman, wie ihn selbst Goethe nicht besser hätte ver­fassen können. „Denn der innere Gehalt des bear­bei­teten Gegen­standes ist der Anfang und das Ende der Kunst“, meint Goethe in „Dichtung und Wahrheit“ dazu (Teil 2, Bd. 7). Haben Sie gehört? Kunst nennt das Goethe! Doch zurück zur CDU, dem €uro und dessen Dichtung und Wahrheit. Die Ein­leitung zu diesem „Werk“ der neuen Währung hätte auch von Goethe geschrieben sein können: „Die wahre Poesie kündet sich dadurch an, dass sie, als ein welt­liches Evan­gelium, durch innere Hei­terkeit, durch äußeres Behagen, uns von den irdi­schen Lasten zu befreien weiß, die auf uns drücken. Wie ein Luft­ballon hebt sie uns mit dem Ballast, der uns anhängt, in höhere Regionen, und lässt die ver­wirrten Irr­gänge der Erde in Vogel­per­spektive vor uns ent­wi­ckelt daliegen“ (Teil 3, Bd. 13). Haben Sie gehört? „Ver­wirrte Irr­gänge der Erde“ nennt das Goethe! Trefflich gesprochen, fürwahr! Wie sich gleich zeigt:
Mir fiel gestern ein altes Wahl­plakat der CDU aus dem Jahre des Unheils 1999 in die Hände. (Am 1.1.1999 wurde der €uro offi­ziell ein­ge­führt.) Viele waren begeistert, viele eher (sehr) skep­tisch. So fühlte sich die CDU bemüßigt, eine Wer­be­kam­pagne für den €uro zu starten. Auf dem mir vor­lie­genden Wahl­plakat stehen u.a. diese sechs bedeu­tenden Sätze, die man langsam lesen sollte, um den wahren Wert der Worte richtig wür­digen zu können:
Unter der fetten Über­schrift „Was kostet uns der EURO?“ erklärt uns die CDU in diesen sechs Sätzen:
„a) Muss Deutschland für die Schulden anderer Länder aufkommen?
Ein ganz klares Nein! Der Maas­trichter Vertrag ver­bietet aus­drücklich, dass die Euro­päische Union oder die anderen EU-Partner für die Schulden eines Mit­glieds­staates haften. Mit den Sta­bi­li­täts­kri­terien des Ver­trages und dem Sta­bi­li­tätspakt wird von vorn­herein sicher­ge­stellt, dass die Net­to­neu­ver­schuldung auf unter 3% des Brut­to­in­lands­pro­dukts begrenzt wird. Die EURO-Teil­neh­mer­staaten werden daher auf Dauer ohne Pro­bleme ihren Schul­den­dienst leisten können.
Eine Über­schuldung eines Euro-Teil­neh­mer­staats kann daher von vorn­herein aus­ge­schlossen werden…“ (Her­vor­he­bungen lt. Originaltext).
So also geht „Dichtung und Wahrheit“ bei der CDU! Wir sollten uns bei der anste­henden Euro­pawahl daran erinnern.
Um mit Goethe zu schließen: „Unsere Wünsche sind Vor­ge­fühle der Fähig­keiten, die in uns liegen, Vor­boten des­je­nigen, was wir zu leisten imstande sein werden“ (Teil 2, Band 9). Der Mann hat ver­dammt recht! Die schönsten Satiren schreibt das Leben.
 


Peter Helmes — conservo.wordpress.com