Symbolfoto Goldbarren - By Andrzej Barabasz (Chepry) - Own work, CC BY-SA 4.0, Link

Über die Kosten von FIAT- und Gold-Geld

von Karl-Friedrich Israel
Das tra­di­tio­nelle Argument für unge­deckte Umlaufs­mittel und letzt­endlich Fiat-Geld basierte auf den Pro­duk­ti­ons­kosten des Geldes. Die realen Res­sourcen, die man tra­di­tionell für den Gold­bergbau und die Prägung von Barren und Münzen ver­wendet hatte, könnten unter einem Fiat-Standard für andere Pro­duk­ti­ons­zwecke genutzt werden und so die Gesell­schaft als Ganzes berei­chern. Das Argument geht auf so große Namen wie Adam Smith und David Ricardo zurück.
In der jün­geren Ver­gan­genheit hat Milton Friedman das Argument wie­der­belebt, und es begegnet uns noch heute in Standard-Lehr­bü­chern der Öko­nomie. Eine von mir kürzlich im Eco­nomics Bul­letin ver­öf­fent­lichte Studie zeigt jedoch, dass das Argument, zumindest im Falle des Euro­systems, nicht stich­haltig ist (Israel, 2019).
Tat­sächlich sind die jähr­lichen Gesamt­aus­gaben des Euro­systems mehr als dreimal so hoch wie die geschätzten jähr­lichen Kosten eines Gold­stan­dards mit Teil­re­serve. Unter der Annahme eines Teil­re­ser­ve­satzes von 2% auf die Geld­menge M1 schätzte White (1999, S. 42–48) die lau­fenden Kosten des Gold­stan­dards auf etwa 0,025% des BIP pro Jahr.[1]

Es hat sich aller­dings her­aus­ge­stellt, dass die jähr­lichen Betriebs­aus­gaben des Euro­systems in den letzten zwei Jahren bei um die 0,090% des BIP der Eurozone lagen. Das ent­spricht in abso­luten Zahlen etwa 10 Mil­li­arden Euro. Nun muss man zugeben, dass die Schätzung von White womöglich ver­zerrt ist, da ein Reser­vesatz von lediglich 2% auf M1 als zu niedrig ange­sehen werden kann, obwohl solche Fälle his­to­risch exis­tiert haben, zum Bei­spiel in der Ära des freien Ban­ken­systems in Schottland in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Meine Fall­studie zeigt aller­dings noch etwas anderes: Selbst wenn der Reser­vesatz für M1 erheblich erhöht wird, bleiben die geschätzten Kosten eines gene­ri­schen Gold­stan­dards in der gleichen Grö­ßen­ordnung wie die tat­säch­lichen Kosten des Euro­systems. Mit einem Reser­vesatz von 25% wären die Kosten etwa gleich hoch. Bei voller Reserve auf M1 würden die geschätzten Kosten des Gold­stan­dards etwa 0,375% des BIP betragen. Dies ist lediglich viermal so hoch wie die gegen­wär­tigen Kosten des Euro­systems. Und es muss dabei betont werden, dass diese Berechnung das wichtige Argument von Gar­rison (1985) nicht berück­sichtigt, nämlich, dass die Gleich­ge­wichts­preis­in­fla­ti­onsrate bei einem freien Ban­ken­system mit Gold­standard negativ wäre, was die geschätzten Kosten des Gold­stan­dards weiter senken würde.[2] Und ent­gegen der land­läu­figen Meinung ist eine negative Preis­in­fla­ti­onsrate, oder Preis­de­flation, sehr wohl mit Wirt­schafts­wachstum und Pro­spe­rität ver­einbar (Bagus, 2015; Borio & Filardo, 2004).
Sollte es uns nun über­ra­schen, dass das Euro­system so kost­spielig ist? Nicht unbe­dingt. Die Zen­tral­banken des Euro­raums unter­liegen keiner strengen Gewinn- und Ver­lust­rechnung, wie her­kömm­liche Unter­nehmen. Sie können ihre Aus­gaben aus den Seig­norage-Gewinnen ihrer Geld­po­litik finan­zieren. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes finan­ziell unab­hängig. Einigen Öko­nomen der Public-Choice Schule zufolge werden solche Insti­tu­tionen im Laufe der Zeit, innerhalb von büro­kra­tisch gesetzten Grenzen, ten­den­ziell immer ver­schwen­de­ri­scher und kost­spie­liger. Das Euro­system bestätigt diese theo­re­tische Überlegung.
Die Kos­ten­ein­spa­rungen durch ein unge­decktes Fiat-Geld liegen im Falle des Euros damit deutlich unter den Erwar­tungen. Tat­sächlich widerlegt der Euro das tra­di­tio­nelle Spar­ar­gument für unge­deckte Umlaufs­mittel und Fiat-Geld. Wenn die Auf­recht­erhaltung des Euro­systems aller­dings so kost­spielig ist, könnte man sich ebenso gut wieder dem Gold zuwenden und damit einen zusätz­lichen Nutzen aus grö­ßerer wirt­schaft­licher und finan­zi­eller Sta­bi­lität und gerin­gerem mora­li­schem Risiko ziehen, das mit einer zentral gesteu­erten Grund­geld­menge einhergeht.
Der Schritt zu einer erneuten Gold­de­ckung erscheint poli­tisch im Moment noch sehr unwahr­scheinlich, da man an den schier uner­schöpf­lichen geld­po­li­ti­schen Mög­lich­keiten hängt, die ein reines Fiat-Geld eröffnet. Mit einem Gold­standard wäre die Geld­po­litik ganz erheblich ein­ge­schränkt, weil die Notenbank in diesem Fall die Grund­geld­menge nicht beliebig aus­weiten könnte, so wie es gegen­wärtig der Fall ist.[3] Diese Ein­schränkung wäre aber wün­schenswert, denn es würde die Real­wirt­schaft und die Staats­haus­halte der Eurozone zu struk­tu­rellen Ver­än­de­rungen zwingen, die für ein nach­hal­tiges Wirt­schaften not­wendig wären. Gegen­wärtig werden diese Struk­tur­an­pas­sungen durch eine ultra-lockere Geld­po­litik verhindert.
Ein wei­terer Vorteil der Gold­de­ckung ist nicht von der Hand zu weisen. Man könnte einen Großteil der Per­so­nal­auf­wen­dungen und admi­nis­tra­tiven Kosten abbauen, denn der Prozess der Geld­po­litik und –analyse wäre viel über­schau­barer und weniger komplex. Mithin wäre er sehr viel trans­pa­renter für die all­ge­meine Öffent­lichkeit. Das Human­ka­pital, das gegen­wärtig in Form von pro­mo­vierten Volks­wirten in den Zen­tral­banken gebunden ist, könnte dann zwei­felsohne einer pro­duk­ti­veren Tätigkeit in anderen Bereichen der Volks­wirt­schaft nach­gehen und somit die Gesell­schaft als Ganzes tat­sächlich bereichern.
 
Quellen 
Bagus, P. (2015). In Defense of Deflation. Springer Inter­na­tional Publi­shing Switzerland.
Borio, C., & Filardo, A. J. (2004). Back to the future? Assessing the deflation record. BIS Working Papers No 152.
Gar­rison, R. W. (1985). The Costs of a Gold Standard. In L. H. Rockwell (Ed.), The Gold Standard: An Aus­trian Per­spective (pp. 61–79). Lex­ington, MA: D. C. Heath and Co.
Israel, K.-F. (2019). How cost effi­cient is the euro­system? Eco­nomics Bul­letin39(1), 115–126.
White, L. H. (1999). The Theory of Monetary Insti­tu­tions. Mas­sa­chu­setts and Oxford: Blackwell Publi­shing Ltd.
[1] Die Geld­menge M1 ist defi­niert als die Summe aus allen Sicht­ein­lagen, also allen Bank­gut­haben für die keine Laufzeit oder Kün­di­gungs­frist ver­einbart wurde und die jederzeit abge­hoben werden können, und dem Bargeld (Münzen und Scheine), das sich gegen­wärtig im Umlauf befindet.
[2] Sowohl Friedman als auch White gehen in ihrer Ein­schätzung davon aus, dass der Gold­be­stand mit einer Rate expan­dieren müsste, die eine Null­preis­in­flation gewähr­leistet. Aber wenn die Preis­in­fla­ti­onsrate negativ sein darf, könnte der Gold­be­stand mit einer nied­ri­geren Rate wachsen, und in einem freien Ban­ken­system wäre das auch der Fall. Daher wären die jähr­lichen Kosten des Gold­stan­dards noch niedriger.
[3] In den letzten 10 Jahren wurde die Grund­geld­menge in den USA in etwa ver­vier­facht. Auch in der Eurozone stieg sie auf mehr als das Drei­fache, von etwa 900 Mil­li­arden € im August 2008 auf über 3000 Mil­li­arden € im Jahr 2018.

Dr. Karl-Friedrich Israel hat Volks­wirt­schafts­lehre, Ange­wandte Mathe­matik und Sta­tistik an der Hum­boldt-Uni­ver­sität zu Berlin, der ENSAE ParisTech und der Uni­ver­sität Oxford stu­diert. Er wurde 2017 an der Uni­ver­sität Angers in Frank­reich bei Pro­fessor Dr. Jörg Guido Hülsmann pro­mo­viert. An der Fakultät für Recht und Volks­wirt­schafts­lehre in Angers unter­richtete er von 2016 bis 2018 als Dozent. Seit Herbst 2018 ist er wis­sen­schaft­licher Mit­ar­beiter am Institut für Wirt­schafts­po­litik an der Uni­ver­sität Leipzig.


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