Wie die Politik uns rui­niert – Eine Zusammenfassung

Medien und Politik schwärmen vom reichen Land Deutschland. In Wahrheit leben wir von der Sub­stanz und über­schätzen unsere Leis­tungs­fä­higkeit. Keine guten Aussichten.

Gute Nach­richt am 17. Oktober 2018: Nach der jüngsten Unter­su­chung des World Eco­nomic Forum (WEF) macht Deutschland in der glo­balen Wett­be­werbs­fä­higkeit zwei Plätze gut, überholt die Nie­der­lande und die Schweiz und liegt nun nach Sin­gapur und den USA auf Platz 3. Es geht also voran, dürfte man da meinen. Da spielt auch keine Rolle, dass hinter dem Auf­stieg Deutsch­lands eine geän­derte Methodik steht. Der WEF ver­lässt sich weniger auf Exper­ten­mei­nungen, die vom Image eines Landes ver­zerrt sein könnten und blickt statt­dessen auf die harten Fakten, vor allem die Inno­va­ti­ons­fä­higkeit. Weil Deutschland hier besonders gut dasteht – der WEF misst das an Patent­an­mel­dungen, wis­sen­schaft­lichen Ver­öf­fent­li­chungen, den Fach­kennt­nissen und dem bereits an den Schulen geför­dertem kri­ti­schen Denken – sind wir für die Zukunft gut gerüstet. Trotz schlechter Breit­band­in­fra­struktur und feh­lenden IT-Fähig­keiten – Themen, von denen man annehmen könnte, dass sie gerade für die Zukunft eine Rolle spielen – macht uns also so schnell niemand was vor. So das WEF. 
Schlechte Nach­richt am 10. Oktober 2018: Nach einer Analyse des Inter­na­tio­nalen Wäh­rungs­fonds (IWF) ist der deutsche Staat einer der Ärmsten der Welt. Für die Studie wurden 31 Länder unter­sucht, die immerhin für 61 Prozent des Welt­brut­to­in­lands­pro­dukts stehen und über ein Net­to­ver­mögen von über 100 Bil­lionen US-Dollar ver­fügen. Zum Ver­mögen zählt der Fonds dabei Boden­schätze, Infra­struktur, öffent­liche Unter­nehmen und finan­zielle Assets, wie bei­spiels­weise Staats­fonds. Abge­zogen werden davon die offi­ziell aus­ge­wie­senen Schulden der Staaten aber auch die ver­deckten Ver­bind­lich­keiten wie bei­spiels­weise für Pen­sionen. Wenig über­ra­schend liegt Nor­wegen in der Unter­su­chung an der Spitze, dank des schon seit Jahren exis­tie­renden und gut gema­nagten Staats­fonds, der die Öl- und Gas­ein­nahmen des Landes weltweit Ertrag bringend inves­tiert. Auf Platz zwei gefolgt von Russland, welches von geringer Ver­schuldung und enormen Roh­stoff­vor­räten pro­fi­tiert. Am anderen Ende des Spek­trums, also mit geringem Ver­mögen ran­gieren Staaten wie Por­tugal, England, Frank­reich und eben Deutschland.
Deutschland altert rapide und der deut­liche Rückgang der Erwerbs­be­völ­kerung setzt gerade ein. Der gebur­ten­stärkste Jahrgang, der 1964er, hat nur noch zehn bis 15 aktive Jahre vor sich. Spä­testens jetzt müssten wir für das Alter vor­sorgen, Ver­mögen bilden und künftige Ein­kommen sichern. Ein Blick hinter die Fassade verrät schnell, dass es Deutschland ergeht wie einem Mitt­fünf­ziger, der seine Haus­auf­gaben für die Alters­vor­sorge nicht macht. Wir über­schätzen die Sicherheit unseres Arbeits­platzes, wir über­schätzen die reale Kauf­kraft unseres Ein­kommens, wir über­schätzen die Reserven fürs Alter und wir geben zu viel Geld für die fal­schen Dinge aus. 
Der Export­welt­meister ist in Wahrheit ein armes Land. Abge­wirt­schaftet von einer fal­schen Politik, die Konsum vor Inves­ti­tionen stellt. 
Ein ernüch­ternder Blick auf Deutschland
Blickt man mit etwas Abstand auf Deutschland, kommt man zu einer aus­ge­sprochen ernüch­ternden Ein­schätzung: Wir leben in einer Wohl­stands­il­lusion und sorgen nicht vor. Im Gegenteil bürdet uns die Politik immer weitere Lasten auf. Knapp zusam­men­ge­fasst müssen wir Deutschland so sehen:
  • Wir erleben einen wacke­ligen Boom, der auf erheb­lichen Fehl­ent­wick­lungen in der Welt basiert: einem schwachen Außenwert des Euro, viel zu tiefen Zinsen und einer zuneh­menden Ver­schuldung der Länder, in die wir unsere Waren verkaufen.
  • Unsere Wirt­schaft ist in einem his­to­risch ein­ma­ligen Umfang abhängig vom Export, was die Kri­sen­an­fäl­ligkeit erhöht. Kommt es zu einer Abschwä­chung der Kon­junktur in China, den USA oder Europa, trifft es uns überproportional.
  • Die erheb­lichen Über­schüsse im Export führen zunehmend zu pro­tek­tio­nis­ti­schen Ten­denzen in der Welt, die zusätzlich das Risiko deut­licher Ein­brüche im Export und damit der deut­schen Kon­junktur erhöhen. Die Straf­zölle der USA sind ein bedroh­liches Zeichen.
  • Die Export­erfolge und damit die wirt­schaft­liche Ent­wicklung basiert auf Indus­trien, die wir schon aus dem Kai­ser­reich kennen: Auto­mobil, Maschinen- und Anla­genbau und Chemie domi­nieren. In neuen Branchen wie der Inter­net­wirt­schaft haben wir weit­gehend den Anschluss verloren.
  • Die Stütze der deut­schen Wirt­schaft ist die Auto­mo­bil­in­dustrie, die vor einer exis­ten­zi­ellen Krise steht. Die­sel­skandal und tech­no­lo­gi­scher Umbruch gefährden den tech­no­lo­gi­schen Vor­sprung und es ist nicht sicher, dass es unserer Industrie gelingt, den Wandel zu meistern.
  • Das Ausland for­ciert den tech­no­lo­gi­schen Wandel nicht nur aus Umwelt­schutz­gründen, sondern auch, weil er eine will­kommene und legale Mög­lichkeit ist, den Wett­be­werber aus Deutschland zu schwächen.
  • Unsere relativ hohen Ein­kommen – gemessen am Brut­to­in­lands­produkt (BIP) pro Kopf – sind somit nicht nach­haltig. Im Gegenteil stehen sie auf sehr tönernen Füßen.
  • Mit Blick auf die Ver­mögen der Pri­vat­haus­halte müssen wir fest­halten, dass das Ver­mögen in Deutschland nach den offi­zi­ellen Daten der Euro­päi­schen Zen­tralbank (EZB) deutlich unter dem Niveau der Nach­bar­länder liegt. Wir voll­bringen also das „Wunder“, gut zu ver­dienen und trotzdem relativ arm zu sein.
  • Die Ursachen für die gerin­geren Ver­mögen der pri­vaten Haus­halte sind viel­fältig: Eine besonders hohe Abga­ben­be­lastung für die Mit­tel­schicht, eine Prä­ferenz der Bürger für schlecht ver­zinste Anlagen wie Sparbuch und Lebens­ver­si­cherung als Folge eines man­gelnden Ver­ständ­nisses für Wirt­schaft und Geld­anlage sowie einer Politik des Staates, der diese Spar­formen gefördert hat, auch um sich eine günstige Finan­zierung zu sichern.
  • Umge­kehrt besitzen deutsche Pri­vat­haus­halte besonders wenig Aktien und Immo­bilien im Ver­gleich zu den Haus­halten in anderen Ländern. Diese beiden Anla­ge­klassen weisen nicht nur eine besonders hohe Ver­zinsung auf, sie pro­fi­tieren zudem über­pro­por­tional von unserer Geld­ordnung, die Ver­schuldung begünstigt, die wie­derum zu stei­genden Ver­mö­gens­preisen beiträgt.
  • Die Ret­tungs­po­litik der EZB, die mit dem mil­li­ar­den­schweren Auf­kauf­pro­gramm für Wert­pa­piere und Nega­tiv­zinsen den Euro am Leben erhält, ver­stärkt die nega­tiven Folgen unseres Spar­ver­haltens: Sach­wert­be­sitzer und Schuldner pro­fi­tieren, während Geld­ver­mö­gens­be­sitzer die großen Ver­lierer sind. Eine Umver­teilung von arm zu reich.
  • Großer Pro­fiteur der tiefen Zinsen ist der deutsche Staat, der allein auf­grund der gesun­kenen Finan­zie­rungs­kosten eine „schwarze Null“ erwirt­schaftet und die Schulden senkt. Der Über­schuss im Staats­haushalt ver­stärkt jedoch die ein­seitige Export­ori­en­tierung unserer Wirt­schaft, die nicht nur zu einem großen Han­dels­über­schuss führt, sondern auch zu einem erheb­lichen Kapi­tal­export in das Ausland.
  • Auch diese Mittel legen wir erfah­rungs­gemäß schlecht an. So ver­loren deutsche Banken und Ver­si­che­rungen Mil­li­arden im Zuge der Finanz­krise und es ist abzu­sehen, dass wir bei den unver­meid­lichen Schul­den­re­struk­tu­rie­rungen in der über­schul­deten Welt weitere erheb­liche Ver­luste erleiden werden.
  • Pro­mi­nen­testes Bei­spiel für die schlechte Anlage unserer Erspar­nisse sind die TARGET2-For­de­rungen der Bun­desbank, die mitt­ler­weile mehr als 12.000 Euro pro Kopf der hier lebenden Bevöl­kerung aus­machen. Kredite, die wir zins- und til­gungsfrei ohne jeg­liche Sicherheit im Euroraum gewähren und die uns zudem immer mehr erpressbar machen.
  • Die Politik hat wäh­rend­dessen an den fal­schen Enden gespart. Obwohl die Ein­nahmen sprudeln wie noch nie und die Zins­er­sparnis Haus­halts­über­schüsse ermög­licht, hat die Politik auf Konsum – Stichwort Renten und Sozi­al­aus­gaben – gesetzt, statt in die Zukunft des Landes zu inves­tieren. Ein Blick auf ver­fal­lende Infra­struktur und das Bil­dungs­wesen genügt. Unser Staat lebt von der Sub­stanz und senkt unsere künf­tigen Ein­kommen, statt sie zu sichern.
  • Derweil ist die sauber berechnete Ver­schuldung des Staates deutlich gestiegen. Berück­sichtigt man die ver­deckten Ver­bind­lich­keiten für künftige Renten und Pen­sionen, tut sich eine signi­fi­kante Lücke auf. Vor­sorge sieht anders aus.

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Das Märchen vom reichen Land
Arme Bürger, armer Staat. Das ist nicht das, was in das gängige Credo vom „reichen Land“ passt, dem beliebig weitere Lasten auf­ge­bürdet werden können. Doch genau diese Lasten legt uns die Politik in gren­zen­loser Miss­achtung unserer wirk­lichen Leis­tungs­fä­higkeit auf.
Zum einen glauben deutsche Poli­tiker, man müsse zur Sicherung der Export­märkte alles tun, um den Euro zu retten. Diese Ret­tungs­po­litik ent­spricht jedoch einer Umver­teilung von arm zu reich innerhalb der Eurozone, sind doch die Pri­vat­haus­halte in Italien, Frank­reich und Spanien deutlich ver­mö­gender als die deut­schen. Diese Länder ver­fügen also über genug eigene Res­sourcen, um mit ihren Pro­blemen umzu­gehen. Das gilt namentlich für Italien.
Auch die Sicherung der Export­märkte ent­puppt sich bei genauerem Hin­sehen als ein Sub­ven­ti­ons­pro­gramm für unsere Export­in­dustrie, welches wir selbst bezahlen. Denn ein­her­gehend mit den Export­über­schüssen bauen wir immer größere For­de­rungen gegen das Ausland auf, die nicht so wert­haltig sind, wie sie scheinen. Namentlich die TARGET2-For­de­rungen sind zins- und til­gungs­freie Kredite an das Ausland.
Zum anderen herrscht der Glaube, wir könnten die feh­lende Vor­sorge in den Sozi­al­kassen durch Migration kom­pen­sieren. Theo­re­tisch kann dies unter zwei Annahmen funk­tio­nieren. Erstens: Die Zuwan­derer müssen im Durch­schnitt so pro­duktiv wie die bereits hier lebende Bevöl­kerung sein, also ent­spre­chend am Erwerbs­leben teil­nehmen und ver­dienen. Und zweitens: Da Zuwan­derer eben­falls alt werden, muss es auch in Zukunft gelingen, ähnlich qua­li­fi­zierte Zuwan­derer anzulocken. 
Beide Annahmen erfüllen wir in der Praxis nicht. So liegt die Pro­duk­ti­vität der Zuwan­derer schon seit Jahren deutlich unter jener der schon hier lebenden Bevöl­kerung. Namentlich bei Zuwan­derern aus dem mus­li­mi­schen Raum ist zu kon­sta­tieren, dass sowohl Erwerbs­be­tei­ligung wie auch Ein­kommen deutlich unter dem Schnitt liegen. Über­setzt bedeutet dies, dass diese Zuwan­derer aus dem Blick­winkel der gesamt­staat­lichen Finan­zierung ein erheb­liches Defizit mit sich bringen. Pro­fessor Bernd Raf­fel­hü­schen von der Uni­ver­sität Freiburg schätzt bei­spiels­weise, dass allein pro Zuwan­derer des Jahres 2015 450.000 Euro an Net­to­kosten in den kom­menden Jahr­zehnten zusammenkommen.
So stellt unsere Art der Zuwan­derung eine erheb­liche Last – konkret in der Grö­ßen­ordnung von über einer Billion Euro – dar und trägt eben nicht zur Finan­zierung des Gemein­wesens bei. 
Ver­glichen mit diesen beiden Groß­bau­stellen nehmen sich die anderen poli­ti­schen Ent­schei­dungen der ver­gan­genen Jahre (über­stürzte Ener­gie­wende mit rund 500 Mil­li­arden, unter­lassene Inves­ti­tionen in Infra­struktur mit kurz­fristig 120 Mil­li­arden und lang­fristig rund 750 Mil­li­arden Euro, etc.) wie Run­dungs­dif­fe­renzen aus. Ich kann es nicht anders sagen: Politik und Medien berau­schen sich am Gedanken des reichen Landes, welches sich alles Erdenk­liche leisten kann. Doch das ist ein Märchen. 
Es bleibt nicht viel Zeit
Noch können wir umsteuern, wie ich in meinem Buch neuen Buch, Das Märchen vom reichen Land – Wie die Politik uns rui­niert zeige. Dies setzt aller­dings einen grund­le­genden Poli­tik­wechsel voraus, der Inves­tition und Zukunfts­si­cherung vor Konsum und Ideo­logie stellt. 
Leider sieht es genau danach nicht aus. Deshalb können wir als Bürger nur ver­suchen, mit unserer Stimme einen Wandel zu befördern und als Inves­toren den ein­zigen zuläs­sigen Schluss ziehen: unsere Erspar­nisse außerhalb Deutsch­lands anzulegen.
 

→ wiwo.de: „Wie die Politik uns rui­niert“, 25. Oktober 2018
Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com