Pro­teste gegen soziale Pro­bleme: Wie rus­sische Medien über die Gelb­westen berichten

Das rus­sische Fern­sehen hat in der Sendung „Nach­richten der Woche“ wieder über die aktu­ellen Pro­teste der Gelb­westen berichtet. Während die west­lichen Medien die Gelb­westen als Ran­da­lierer dar­stellen und kaum über die Gründe der Pro­teste berichten, liegt bei den rus­si­schen Medien der Fokus auf den Beweg­gründen der Gelb­westen, auf dem ständig wach­senden Druck und der Gewalt der Polizei und auch auf dem immer mehr ein­ge­schränkten Demons­tra­ti­ons­recht. Da diese Sicht stark von der Bericht­erstattung in Deutschland abweicht, habe ich den Bericht des rus­si­schen Fern­sehens übersetzt. 
(Von Thomas Röper)
Beginn der Übersetzung:
Frank­reich erlebte eine weitere, die 19., Pro­test­aktion der Gelb­westen. Nach den Pogromen auf dem Champs Elysees verbot der Präfekt der Pariser Polizei die Demons­tra­tionen in den zen­tralen Bezirken der Haupt­stadt, und als Not­maß­nahme brachte Prä­sident Macron Armee­ein­heiten nach Paris. Die Pro­teste konnten durch diese Maß­nahmen jedoch nicht gestoppt werden. Die arme Mit­tel­schicht in Frank­reich scheint erkannt zu haben, dass sie in der letzten Phase der Glo­ba­li­sierung einfach nur betrogen wurde. Und die Reichen wurden auf ihre Kosten reicher.
Die Poli­zisten lösen im Gleich­schritt eine unge­neh­migte Demons­tration in Nizza auf, ver­se­hentlich schlagen sie dabei eine ältere Frau nieder. Sie fällt auf den Asphalt, schlägt sich den Kopf ein und fällt ins Koma.
Auch in Mont­pellier gibt es Zusam­men­stöße. Es gibt mehr Ein­satz­kräfte und mehr Gewalt. Das sind die Maß­nahmen der Regierung unter dem Vorwand, dass sich diese Maß­nahmen gegen die­je­nigen richten sollten, die ran­da­lieren und gegen deren Komplizen.
„Pro­hi­bitiv, skan­dalös! Sie sollten sich schämen, Herr Innen­mi­nister, wir wollen seinen Rück­tritt, er hat Blut an den Händen“, sagen die Leute. „Er lebt in seiner klein­bür­ger­lichen Welt, betrachtet sich als König. Er scheißt auf die Men­schen. Emmanuel Macron spricht nur über Europa, wenn er dort ein Plätzchen haben möchte, dann soll er doch dahin gehen!“
Sie pro­tes­tieren den 19. Samstag in Folge, es sind weniger Ran­da­lierer aber mehr Teil­nehmer. Mehr als 40.000 in ganz Frank­reich, vor einer Woche waren es 32.000. Der alte Präfekt von Paris wurde wegen Unent­schlos­senheit ent­lassen, der neue brachte 6.000 Poli­zisten auf, die Champs Elysees hat er per­sönlich inspi­ziert, zusammen mit dem Pre­mier­mi­nister beob­achtete er die Lage im Krisenzentrum.
„Ein neuer Präfekt, das ist trotzdem alles aus den Kreisen der Sicher­heits­dienste, das ändert nichts, wir brauchen eine poli­tische Antwort und die gibt es nicht. Sie setzen auf Sicherheit, aber das löst nichts. Man sagt uns, dass die Russen schuld sind, dann ist Trump schuld, dann die extreme Linke, dann die extreme Rechte, es ist immer die Schuld von irgend­je­mandem, aber nie die Schuld der Regierung“, sagte ein Polizist.
Die Polizei beginnt zu murren, obwohl sie zwei Drohnen, che­mische Mar­kie­rungs­mittel und neue Waffen bekommen hat, ihre Befug­nisse erweitert und zusätz­liche Kräfte frei­ge­setzt wurden, denn wichtige Gebäude werden nun während der Pro­teste von der Armee bewacht. Und die Geld­strafen für die Teil­nahme an nicht geneh­migten Demons­tra­tionen wurden ver­drei­facht, ein Ver­mum­mungs­verbot bei Demons­tra­tionen ein­ge­führt, für Ver­stöße droht Gefängnis.
Doch es gibt bereits Tau­sende ver­wundete Poli­zisten, mehrere Tausend ver­letzte Demons­tranten, fünf haben ihre Hand ver­loren, 22 Men­schen ver­loren ein Auge. Seit dem Krieg in Algerien habe es kein solches Ausmaß an Gewalt gegeben, sagen Jour­na­listen, die auch von der Polizei beschossen werden.

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„Ich kenne viele Jungs, auf die mit Gum­mi­ge­schossen geschossen wurde, obwohl sie ein Presse-Armband hatten. Einer wurde durch die Schrapnelle einer Gas-Granate ver­wundet. Es ist für mich über­ra­schend, wir sind doch nicht hier, um die Ord­nungs­kräfte zu pro­vo­zieren, sondern um über die Demons­tra­tionen zu berichten“, sagte einer der Journalisten.
Die Regierung ver­hängt immer neue Verbote, jetzt herr­schen in den Zentren von zwei Dutzend Städten Demons­tra­ti­ons­verbote. Der zen­trale Platz in Bor­deaux, der Capitol-Platz in Tou­louse. Die Champs Elysees wurde für die Gelb­westen geschlossen. Die ganze Woche werden dort die Schäden nach dem Pogrom beseitigt.
Das Restaurant “Le Fuquette´s” war in den letzten 120 Jahren ein Symbol für Reichtum und Luxus, es übstand sogar den „Roten Mai“, den Stu­den­ten­auf­stand von 1968. Damals wurde es nicht ange­rührt, aber diesmal war es anders, die Fenster sind zer­schlagen, die Ein­richtung wurde ange­zündet, jetzt werden die ver­brannten Möbel abtrans­por­tiert. Jetzt wird dieses Restaurant ein neues Symbol dafür werden, dass sich die Zeiten geändert haben, und auch die Fran­zosen sind inzwi­schen andere geworden.
Der Raum riecht nach Rauch, im Inneren reißen Arbeiter die Wände ein, trans­por­tieren die Über­reste von ver­brannten Tischen und Stühlen ab, alles muss neu gemacht werden. Bau­fahr­zeuge und Last­wagen kommen einer nach dem anderen.
Die Situation wird unun­ter­brochen im fran­zö­si­schen Fern­sehen dis­ku­tiert, Minis­ter­prä­sident Eduard Philippe recht­fertigt in einem Interview die neuen Maßnahmen.
Früher war er Instal­lateur, jetzt ist er fast ein Volksheld der „Gelb­westen“: Gerome Rodriguez. Für ihn ist die rote Linie schon über­schritten. Er verlor seinen Job, ging zu fried­lichen Pro­testen, dabei verlor er durch Beschuss durch die Polizei ein Auge.
„In einem Land wie Frank­reich schießen wir nicht auf die eigenen Leute. Hier herrscht Demo­kratie, es ist eine Republik, wir haben Rechte und Pflichten und die Mei­nungs­freiheit. Aber wenn wir unsere Meinung aus­drücken wollen, was macht dann Prä­sident Macron? Schießt auf Men­schen. Seit 40 Jahren tun die­je­nigen, die uns regieren, nichts für uns, sondern machen alles nur noch schlimmer“, ist Gerome überzeugt.
Das ist die Meinung eines typi­schen Ver­treter des Mit­tel­standes in der fran­zö­si­schen Provinz. Sie sind das Rückgrat der Bewegung, die die Agenda der extremen Rechten und der extremen Linken zusam­men­ge­führt und die Men­schen im Streben nach sozialer Gerech­tigkeit vereint hat. Ihre Aktionen beschränken sich nicht auf die Samstage.
„Bei ihnen im Elysee-Palast ist alles aus Gold und Silber, bei uns ist alles aus Holz. Es ist wie in dem Märchen über die drei Ferkel, nur sind wir keine Schweine, sondern fran­zö­sische Bürger, die Respekt und Auf­merk­samkeit ver­dienen, die Demons­tra­tionen gegen all diese soziale Unge­rech­tigkeit orga­ni­sieren wollen, die das Land über­flutet hat“, sagte einer der Aktivisten
Sie kommen mit ihren Familien aus ver­schie­denen Teilen des Landes, decken gemeinsam den Tisch und auf offenen Kohlen werden appe­tit­liche Schaschliks gebraten. Ihr Haupt­quartier ver­suchten sie so bequem wie möglich ein­zu­richten und sie berei­teten sich auf eine lange Aus­ein­an­der­setzung vor. Für die Kinder haben sie einen Tisch auf­ge­stellt, mitt­wochs gibt es einen Malkurs für sie. Die Kinder wählen das Thema selbst, aber immer öfter malen sie ver­wundete Men­schen in gelben Westen. Die Polizei wird in dunklen Farben dargestellt.
Es gibt mehrere Räume, sogar einen Bespre­chungsraum haben sie ein­ge­richtet, obwohl sie wissen, dass es sinnlos ist zu hoffen, dass eines Tages Regie­rungs­ver­treter hierher kommen werden, um mit ihnen zu sprechen. „Wir wollen nicht nur den Men­schen, sondern auch der Regierung und den Ord­nungs­kräften zeigen, dass wir diesmal bis zum bit­teren Ende gehen“, sagen die Aktivisten.
Dieses Ende ist min­destens der Rück­tritt von Macron, dessen Beliebtheit wieder unter 30 Prozent gefallen ist. Und wenn er nicht geht, ver­sprechen die Gelb­westen bis zu den Neu­wahlen zu pro­tes­tieren und das sind min­destens noch 146 Samstage.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse.
 
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Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru