Foto: Evangelische Kirche, über dts Nachrichtenagentur

548,7 Mil­lionen Euro Staats­leis­tungen an Kirchen sorgen für Unmut im Bundestag

Berlin  — Die Oppo­si­ti­ons­par­teien im Bun­destag machen Druck wegen einer Ablösung der soge­nannten Staats­leis­tungen an die beiden Kirchen. So könnte nun poli­ti­scher Schub in die seit einem Jahr­hundert auf­ge­schobene und umstrittene Ent­scheidung kommen, berichtet die “Frank­furter All­ge­meine Zeitung” nach einer Abfrage aller Frak­tionen im Par­lament. Kon­stantin von Notz, Beauf­tragter für Religion und Welt­an­schau­ungen der Grünen, sieht zwar eine immense poli­tische Vor­arbeit nötig, weil es um erheb­liche Beträge für die Kirchen, aber auch die Länder gehe.
“Dennoch ist die Politik in der Pflicht, nach ein­hundert Jahren des Bestehens der Ablö­sungs­ver­pflichtung nun aktiv an Lösungen zu arbeiten.” Der FDP-Abge­ordnete Stefan Ruppert, Par­la­men­ta­ri­scher Geschäfts­führer seiner Fraktion und deren kir­chen­po­li­ti­scher Sprecher, sieht derzeit “Chancen” auf einen Konsens. Ziel sei, nun weite Teile des Bun­destags, die Länder und die Kirchen zusam­men­zu­bringen. Der Steu­er­zahler ohne reli­giöse Bindung ver­stehe heute nicht mehr, weshalb er die Kirchen mit­fi­nan­zieren solle. Zugleich ver­liere die Legi­ti­ma­ti­ons­kraft der Kirchen auf Ansprüche wie die jähr­lichen Staats­leis­tungen doch an Glanz. “Die Preise werden nicht besser für die Kirchen, deshalb müsste eine Ablösung in ihrem Interesse liegen”, sagte Ruppert. Die zuständige Linken-Abge­ordnete Christine Buchholz sagte: “Gerade in Zeiten einer grö­ßeren reli­giösen und welt­an­schau­lichen Vielfalt muss diese Bevor­zugung der großen christ­lichen Kirchen beendet werden.” Es sei möglich, in dieser Legis­la­tur­pe­riode ein Grund­sät­ze­gesetz (Leit­linien für die Bun­des­länder) auf den Weg zu bringen. Der kir­chen­po­li­tische Sprecher der AfD, Volker Münz, Mit­glied der evan­ge­li­schen Bezirks­synode Göp­pingen, wies auf die Kom­ple­xität einer solchen Ent­scheidung hin. Bund, Länder, Diö­zesen, Lan­des­kirchen und auch der Vatikan müssten an einen Tisch und sich einigen.
“Die Ablösung muss endlich umge­setzt werden.” Die Staats­leis­tungen liegen derzeit mit 548,7 Mil­lionen Euro im Jahr auf einem Rekord­niveau. Seit dem Jahr 1949 sind der evan­ge­li­schen und der katho­li­schen Kirche darüber zusammen fast 18,5 Mil­li­arden Euro aus den Haus­halten der Länder zuge­flossen. Nur Bremen und Hamburg betei­ligen sich nicht. Hin­ter­grund sind Ansprüche der Kirchen als Aus­gleich für Ent­eig­nungen unter anderem im Zusam­menhang mit dem Reichs­de­pu­ta­ti­ons­haupt­schluss von 1803. Die Ablösung wurde in der Wei­marer Reichs­ver­fassung im Jahr 1919 als Ver­fas­sungs­auftrag fest­ge­halten und ist dann später ins Grund­gesetz der Bun­des­re­publik über­nommen worden. Die Ver­treter der Regie­rungs­ko­alition zeigen sich zurück­haltend. Der kir­chen­po­li­tische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Hermann Gröhe, führte an, dass eine Ablösung durch eine Ein­mal­zahlung mit Belas­tungen in Mil­li­ar­denhöhe ver­bunden wäre, welche die Länder tragen müssten. “Auch deshalb ist für mich die Ablösung keine vor­dring­liche poli­tische Aufgabe. Aller­dings ist dann auch eine pole­mische Kritik an den Staats­leis­tungen unan­ge­messen, zumal sich die beiden großen Kirchen zu Gesprächen über eine Ablösung bereit erklärt haben.” Sein Pendant von der SPD, Lars Cas­tel­lucci, sagte, die Bun­des­länder hätten bislang kein Interesse an der Ablösung der Staats­leis­tungen ange­meldet. “Sie scheuen ver­ständ­li­cher­weise die dann fällige Ein­mal­zahlung in unbe­stimmter Höhe.”


Quelle: dts