Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko zeigt bei der Münchner Sicherheitskonferenz eine Europaflagge. - Photo by: MSC / Kuhlmann - Creative Commons Attribution Deutschland 3.0 - https://no.m.wikipedia.org/wiki/Fil:20180216_MSC2018_panel_3944.jpg

Poro­schenkos kri­mi­nelle Machen­schaften: Erste Straf­an­zeigen in der Ukraine

In der Ukraine wird es wie erwartet nach seiner Abwahl eng für Poro­schenko. Nun haben Richter des Landes Anzeige gegen ihn wegen Beein­flussung der Justiz gestellt.
In der Ukraine gibt es schon lange Gerüchte und Hin­weise darauf, dass Poro­schenko in viele illegale Akti­vi­täten ver­strickt ist. Er hat seine Macht als Prä­sident aus­ge­nutzt, um unliebsame Kon­kur­renten, wie den Olig­archen Kolo­moisky, zu bekämpfen. Poro­schenko hat 2016 die Ver­staat­li­chung der größten ukrai­ni­schen Bank ange­ordnet, die „Pri­vatbank“ gehörte Kolo­moisky, der inzwi­schen in Israel lebt. Und der Wahl­sieger Selensky hat aus­ge­rechnet in den Medien, die Kolo­moisky gehören, seinen Wahl­kampf gemacht. Daher ent­behren Gerüchte, es ginge um einen Rache­feldzug gegen Poro­schenko, nicht einer gewissen Logik.
Aber das ändert nichts daran, dass es Poro­schenko war, der seine Macht aus­ge­nutzt hat, um seinen Rivalen gesetz­widrig zu ent­eignen. Am 18. April, als bereits klar war, dass Poro­schenko die Wahl ver­lieren würde, hat ein Gericht in Kiew ein Urteil gesprochen, dass diese Ver­staat­li­chung für illegal erklärt hat. Die gleichen Richter haben dabei Poro­schenko, den Jus­tiz­mi­nister und den Chef der Zen­tralbank, dem die Pri­vatbank nun gehört, beschuldigt, Druck auf sie aus­geübt zu haben.
Der Vor­sit­zende Richter Pavel Vovk teilte mit, Poro­schenko habe Druck aus­geübt, um die Richter zu ver­setzen und den Gene­ral­staats­anwalt und den Geheim­dienst beauf­tragt, Straf­ver­fahren gegen die am Urteil betei­ligten Richter zu eröffnen. Anscheinend gibt es dazu schrift­liche Anwei­sungen von Poro­schenko an den Natio­nalen Sicher­heitsrat, den Geheim­dienst und den Gene­ral­staats­anwalt, denn in den Medien wird er mit den Worten zitiert:

„Zunächst möchte ich Herrn Poro­schenko für die gute Beleg­barkeit der eigenen ille­galen Akti­vi­täten danken.“

Und er fügte hinzu, dass solche Anwei­sungen an diese Staats­organe, es der Justiz leicht machen werden, den „Autoren“ solcher Erklä­rungen einer gerechten Strafe zuzuführen.
Aber das ist nicht die einzige Front, an der es eng wird für Poro­schenko. Seit Wochen beherrscht ein Kor­rup­ti­ons­skandal die ukrai­ni­schen Medien. Es geht darum, dass Poro­schenko über seine rus­si­schen Toch­ter­ge­sell­schaften in Russland aus­ran­gierte Ersatz­teile für Mili­tär­fahr­zeuge gekauft, diese dann am Zoll vorbei in die Ukraine geschmuggelt und über seine ukrai­ni­schen Firmen als Neu­teile zu über­höhten Preisen ans Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terium ver­kauft hat. In einem Land, in dem bei einem Bür­ger­krieg das Leben von Sol­daten davon abhängt, dass die Mili­tär­technik funk­tio­niert, ist dieser Skandal doppelt schlimm.
Während Poro­schenko sich dafür feiern lässt, der Ver­tei­di­gungsetat erhöht und die Armee moder­ni­siert zu haben, hat er in Wirk­lichkeit große Teile dieses Ver­tei­di­gungs­etats in seine eigene Tasche gelenkt und der Armee in Russland aus­ge­mus­terten Schrott als Neu­teile verkauft.
Auch bei anderen Gele­gen­heiten hat er in die eigene Tasche gewirt­schaftet, vor allem bei der Ener­gie­ver­sorgung. Die Ukraine hat den Kauf rus­si­schen Gases ein­ge­stellt und bezieht ihr Gas nun in Europa. Diese „Unab­hän­gigkeit“ von rus­si­schem Gas feiert Poro­schenko als Erfolg. Das Problem ist, dass es sich auch um rus­si­sches Gas handelt, dass nun aber nicht direkt aus Russland, sondern über einige undurch­sichtige Zwi­schen­händler in die Ukraine kommt, was dazu führt, dass das gleiche Gas nun wesentlich teurer ist. In einem Land, in dem die Wohn­ne­ben­kosten um ca. 1.000 Prozent gestiegen sind, ist das Thema ohnehin ein Poli­tikum. Dass das Gas aber dabei unnötig teurer gemacht wurde und Poro­schenko anscheinend Mit­tels­männer als Zwi­schen­händler ein­ge­setzt hat, um die Dif­ferenz in die eigene Tasche zu stecken, kommt noch hinzu.
Auch bei der Kohle hat Poro­schenko sich medi­en­wirksam von Russland getrennt und teurere Kohle aus den USA gekauft. Jedoch sprechen die Export­zahlen aus Russland eine andere Sprache, denn die Aus­fuhren an Ener­gie­trägern aus Russland in die Ukraine sind 2018 sogar gestiegen. Poro­schenko per­sönlich hat zwar ein Schiff mit ame­ri­ka­ni­scher Kohle medi­en­wirksam in Odessa emp­fangen, aber der rus­sische Export von Kohle in die Ukraine ist weiter gestiegen. In der Ukraine aber wird Kohle nun zum höheren ame­ri­ka­ni­schen Preis abge­rechnet. Man darf sich fragen, wer sich diese Dif­ferenz in die Tasche steckt.
Auch Kriegs­ver­brechen der ukrai­ni­schen Ein­heiten im Bür­ger­krieg mit Fol­ter­ge­fäng­nissen und Mas­sen­ver­ge­wal­ti­gungen wurden von Poro­schenko und seinem Macht­ap­parat in den Sicher­heits­diensten nicht nur gedeckt, sondern gefördert. Das hat ein kürzlich nach Russland über­ge­lau­fener Mit­ar­beiter des ukrai­ni­schen Geheim­dienstes öffentlich aus­gesagt.
Und auch die Todes­schüsse vom Maidan 2014, die Poro­schenko erst den Weg an die Macht geebnet haben, machen in der Ukraine wieder Schlag­zeilen. Poro­schenko und andere füh­rende Köpfe des Landes wurden letzte Woche von Ermitt­lungs­be­hörden nicht nur beschuldigt, die Ermitt­lungen zu behindern, es wurden Ver­fahren gegen sie eröffnet, in denen sie selbst des­wegen beschuldigt werden. Inter­na­tionale Orga­ni­sa­tionen wie das UNHCR haben seit Jahren diese Beschul­di­gungen in ihren Berichten zur Lage in der Ukraine immer wieder wie­derholt. Aber die west­lichen Medien haben darüber geflis­sentlich hinweg gesehen.
Es dürfte für Poro­schenko sehr eng werden in der Ukraine, und viele poli­tische Ana­lysten sind inzwi­schen damit beschäftigt, darüber zu spe­ku­lieren, in welchem Land Poro­schenko sich vor der ukrai­ni­schen Justiz ver­stecken wird.
Nachtrag: Es folgen immer mehr Nach­richten in diese Richtung. Nun werden im Par­lament in Kiew, der Rada, Unter­schriften gesammelt, um den Par­la­ments­prä­si­denten Andrej Parubij abzu­setzen. Parubij ist eine sehr streitbare Figur. Poli­tisch kommt er aus dem Neonazi-Milieu der Ukraine, hat auf dem Maidan dessen bewaffnete Kräfte befehligt und steht im Ver­dacht, sowohl mit den Todes­schüssen auf dem Maidan, also auch mit der Tra­gödie in Odessa, bei der im Mai 2014 über 40 Men­schen gewaltsam starben, in Ver­bindung zu stehen. Als Par­la­ments­prä­sident ließ er manchmal an einem Tag zu einer Frage so lange die Abstim­mungen wie­der­holen, bis das von ihm gewünschte Ergebnis herauskam.
Gleich­zeitig mehren sich in der Ukraine Stimmen, die Selensky zu einem Dialog mit Putin auf­rufen, um die Krise zu lösen. Sogar der US-Son­der­be­auf­tragte für die Ukraine hat sich nicht dagegen aus­ge­sprochen, aber Selensky daran erinnert, dass er sich für die ter­ri­to­riale Inte­grität der Ukraine ein­setzen solle.
Wenn Sie sich für die Ukraine nach dem Maidan und für die Ereig­nisse des Jahre 2014 inter­es­sieren, als der Maidan stattfand, als die Krim zu Russland wech­selte und als der Bür­ger­krieg los­ge­treten wurde, sollten Sie sich die Beschreibung zu meinem Buch einmal ansehen, in dem ich diese Ereig­nisse detail­liert auf ca. 800 Seiten genau beschreibe. In diesen Ereig­nissen liegt der Grund, warum wir heute wieder von einem neuen Kalten Krieg sprechen. Obwohl es um das Jahr 2014 geht, sind diese Ereig­nisse als Grund für die heutige poli­tische Situation also hoch­ak­tuell, denn wer die heutige Situation ver­stehen will, muss ihre Ursachen kennen.


Thomas Röper – www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“