Auch wenn es dazu in Deutschland kaum Meldungen gibt, geht der schmutzige Wahlkampf in der Ukraine weiter. Hier folgt ein kleiner Überblick über die Ereignisse der Woche.
(Von Thomas Röper)
Poroschenko, der unter massivem Druck steht, weil er im Zentrum mehrerer Korruptionsskandale steht und ihm im Falle seiner Abwahl die Verhaftung droht, versucht nun zweigleisig zu fahren. Sein Wahlkampf war durch und durch nationalistisch, was jedoch im Osten des Landes, wo ethnische Russen leben, gar nicht gut ankommt. Aber auch im Westen der Ukraine, wo solche Töne eher Anklang finden, gewann er in der ersten Runde der Wahl nur wenige Wahlbezirke für sich.
Nun setzt Poroschenko auf eine Plakatkampagne, bei der er und Putin auf den Plakaten zu sehen sind, gerade so, als trete Poroschenko gegen Putin selbst an. Dazu der Slogan: „21. Apri: Die entscheidende Wahl!“
Andererseits versteht Poroschenko, dass er irgendwie auch Stimmen bei den ethnischen Russen einsammeln muss, daher hat er in einer Fernsehsendung plötzlich zum ersten Mal seit Ewigkeiten russisch anstatt ukrainisch gesprochen und den ethnischen Russen im Land gesagt, dass sie nichts zu befürchten hätten und ihre Sprache nicht in Frage gestellt sei. Bei all den anti-russischen Sprachgesetzen, die in den letzten Jahren im Land erlassen wurden, ein sehr durchsichtiges Manöver, das auch im totalen Widerspruch zu seinem nationalistischen Wahlkampf und seiner martialischen Rhetorik steht.
Nachdem Poroschenko die ganze Zeit seine Erfolge feierte, die es gar nicht gibt, denn unter seiner Regierung ist das Land total verarmt, gab er sich nun plötzlich nach dem miserablen Ergebnis der ersten Wahlrunde sogar ein wenig reumütig: „Die Unzufriedenheit in der Gesellschaft nicht zu sehen, ist unmöglich. Das war eine Lehre für Poroschenko, Poroschenko hat die Lektion gelernt, Poroschenko hat es angenommen”, sagte er wörtlich.
Die Umfragen bestätigen währenddessen eindeutig, dass Selensky mit fairen Mitteln nicht mehr zu stoppen ist. Elf Tage vor der Stichwahl sagen Wahlumfragen ca. 50% Zustimmung für Selensky gegenüber nur ca. 20% für Poroschenko voraus, die restlichen 30 Prozent sind unentschlossene Wähler, von denen viele auch nicht zur Wahl gehen werden.
Unterdessen ist immer noch nicht klar, ob es tatsächlich zu einem TV-Duell der Kandidaten kommt. Nachdem der erfahrene Poroschenko stets auf eine Debatte gedrängt hatte, weil er der Meinung war, dort punkten zu können, hat Selensky nach der ersten Wahlrunde die Initiative übernommen und eine öffentliche Debatte am 19. April, dem Freitag vor der Wahl, im größten Stadion der Ukraine gefordert. Poroschenko ist darauf zunächst eingegangen, um danach wieder zurückzurudern und auf den 14. April zu bestehen. Selensky bleibt bisher jedoch unnachgiebig in dieser Frage.
Während die Zustände in der Ukraine immer unhaltbarer werden, missliebige Journalisten werden verhaftet oder sterben unter mysteriösen Umständen, kritische europäische Journalisten bekommen Einreiseverbote, gibt sich Berlin davon unbeeindruckt und Merkel empfängt Poroschenko, was man eindeutig als Wahlkampfhilfe verstehen muss. Darauf angesprochen bestritt der Regierungssprecher aber, dass es Wahlkampfhilfe ist. Stattdessen sagte er laut Spiegel:
„Es gebe jede Menge zu besprechen, betonte Seibert: die Umsetzung der Minsker Vereinbarungen zum Konflikt in der Ostukraine, die Situation der von Russland festgehaltenen Seeleute, die grundsätzliche Situation an der Straße von Kertsch.“
Nur wozu mit einem Präsidenten über diese Themen sprechen, wenn es in wenigen Wochen einen neuen Präsidenten geben dürfte? Alles, was man heute mit Poroschenko noch bespricht, steht nach der Wahl in Frage und muss neu besprochen werden. Es ist also eine recht unverhohlene Unterstützung für Poroschenko aus dem Kanzleramt.
Frankreichs Präsident Macron geht da geschickter vor. Während Merkel einseitig Poroschenko unterstützt und ihn am heutigen Freitag trifft, trifft Macron heute zunächst Selensky und am Abend auch Poroschenko.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“