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Augen­schmaus im Kli­mahaus oder wie man Welt­retter wird

Du fährst nach Bre­mer­haven? Dann musst Du unbe­dingt das „Kli­mahaus“ besuchen! Unglaublich, was die da auf die Beine gestellt haben!“ So etwa lau­teten die Auf­for­de­rungen, und da es mich nicht so oft an diesen Küs­ten­ab­schnitt ver­schlägt, wollte ich die Gele­genheit unbe­dingt nutzen. Der Mai schickt kaltes Wetter, was läge also näher, als sich im Kli­mahaus darüber zu infor­mieren, was es denn so mit dem Klima auf sich hat. Vielmehr mit dem Konzept des Hauses, entlang des 8. Län­gen­grades einmal rund um die Erde zu reisen. Dass man dazu einem Peter Lustig, der hier Axel Werner heißt, einen Alu­mi­ni­um­koffer in die Hand drückt und als eine Art „roten Faden“ durch die Sta­tionen laufen lässt, zeigt die eigent­liche päd­ago­gische Ziel­gruppe des gesamten Kon­zepts: Kinder im Freitags nicht schul­pflich­tigen Alter und Erwachsene, die sich wie solche auf­führen. Die 17 Euro Ein­tritt kann man sicher von der CO2-Steuer absetzen.
Über­wäl­ti­gungs­theater im Klimahaus
Dabei ist die Idee gar nicht so übel, gerade wenn man an die „Päd­agogik der Erfahrung“ glaubt und dem ergoo­gelten Wissen der Gene­ration Smart­phone etwas ent­ge­gen­setzen will. Denn was man da in Bre­mer­haven an den Strand geklotzt hat, ist eine über­di­men­sionale, begehbare Wiki­pedia, die den Besu­chern im Stil Willy Wonkas Scho­ko­la­den­fabrik Wetter prä­sen­tiert und dabei über den Kli­ma­wandel phan­ta­siert. Über­wäl­ti­gungs­theater in aus­ge­klü­gelten Kulissen, wo Inhalte klein­ge­druckt, aber Gefühle groß­ge­schrieben werden. Das gefühlige Kli­schee des „Wir-sind-an-allem-Schuld“ ist der nächste Faden, der sich durch das ganze Haus zieht. Und wo die Aus­stellung mit ihren Inter­ak­tionen, Mul­ti­me­dia­schnipseln, der Tem­pe­ratur und der Luft­feuch­tigkeit noch Zweifel am Zweck der Simu­lation zulassen, erzählen bestens auf­ge­legte Haus-Gretas den Besu­cher­gruppen, wie bedroht die Welt ist und wie hilf- und schuldlos die Bewohner Nigers, Kameruns, Samoas oder Alaskas dem bösen men­schen­ge­machten Kli­ma­wandel aus­ge­setzt sind.
Da in der Schweiz-Simu­lation das Geläut der Kuh­glocken nicht enden will, kann man sich bereits denken, dass auch in Sar­dinien, Mali oder Kamerun mit Kli­schees nicht gespart wird. Überall begegnet der Besucher unschul­digen indi­genen Völkchen, denen west­liche Kli­ma­zer­störer mut­willig die Lebens­grundlage zer­trampeln. Überall rasante Ände­rungen, für die man jemanden ver­ant­wortlich machen muss. Die Res­sourcen werden knapper, besonders Wasser? Das kann nicht an der Bevöl­ke­rungs­explosion in Afrika liegen! Die Wüste breitet sich immer weiter aus? Gebt bloß der Über­weidung oder dem sin­kenden Grund­was­ser­spiegel wegen Raubbaus an den Was­ser­vor­räten keine Schuld! Das alles ist der Kli­ma­wandel. Er muss es einfach gewesen sein. O‑Ton von der Web­seite: „Die Mahnung, die in der Gesamt­in­sze­nierung steckt, ist nicht zu über­sehen.“ In der Tat, das ist fast unmöglich. Und während die Macher des Kli­ma­hauses ver­suchen, durch die Simu­lation von Wärme und Kälte etwas über das Leben in fernen Ländern aus­zu­sagen und eine positive Rück­kopplung zum Ver­halten der kul­tur­sen­siblen Besucher des Kli­ma­hauses her­zu­stellen, ver­gleichen diese – sofern sie dem Kin­des­alter ent­wachsen sind – die mul­ti­me­diale Völ­ker­schau des Gebo­tenen mit der Rea­lität. Und da steht es nach dem Besuch leider 8:0 für die Realität.
Aber da gibt es ja noch die Kind und Kevin geblie­benen, für die Fakten höchstens das sind, was den Gefühlen im Weg steht. Natürlich ist der Regenwald nicht dunkel wie eine Geis­terbahn. Natürlich leben nicht nur noma­dische Tuareg in Mali und natürlich leben Kame­runer auch in Mil­lio­nen­städten, kleiden sich westlich und handeln mit Wert­pa­pieren. Fakten sind jedoch nur dann hilf­reich, wenn sie helfen, die zu erzeu­genden Gefühle zu for­ma­tieren. Warum sonst sollte man in eine Aus­stellung, die das Klima als ganzes und Kli­ma­zonen im spe­zi­ellen zum Gegen­stand hat, ein Fass mit radio­ak­tivem Abfall oder ein mit Plas­tikmüll ver­seuchtes Meer dar­stellen, wenn es nicht um die Bestä­tigung der Schuld­frage ginge? Skru­pellos werden im gesamten Haus Klima, Wetter, Umwelt­zer­störung, Unbildung und jede denkbare Art mensch­lichen Fehl­ver­haltens zu einem Teig zusam­men­ge­rührt und auf dem NGO-Blech schön knusprig zu Kli­ma­wandel gebacken. Spä­testens, wenn ein Klavier inmitten eines Büh­nen­bildes aus Eis­würfeln steht und auf der Leinwand dahinter ein von Green­peace prä­sen­tiertes Kla­gelied über die Eis­schmelze ange­stimmt wird, muss ich husten. Zu trocken, dieses ideo­lo­gische Gebäck. Raus aus dieser ideo­lo­gi­schen Halb­wüste und ein kühles Getränk suchen.
Nichts wie raus?
Nicht ganz. Ein Lob möchte ich den Machern nicht vor­ent­halten. Denn wenn es auch Wahnsinn ist, so hat es doch Methode und vor allem Stil. Oder, um es mit den Worten von John Hammon aus „Jurassic Park“ zu sagen: Wir haben keine Kosten gescheut. Zwar hat man unter der futu­ris­ti­schen Fassade, die das neue Wahr­zeichen der Stadt ist, einen Furz zum Fackelzug auf­ge­blasen, aber man hat sich große Mühe dabei gegeben, eine Art Tempel des schlechten Gewissens zu ent­werfen, in dem geschulte Jünger die Ungläu­bigen Sünder auf einer Via Dolorosa des Ver­derbens um die Welt führen. Läu­terung ist der Weg – vom Kli­ma­sünder zum Welt­retter werden zu können, die Belohnung.
Ketzern wie mir bleiben solche Sakra­mente natürlich ver­wehrt, denn wer im Kli­mahaus nur von Raum zu Raum geht, neues Wissen sucht und, weil er das nicht findet, statt­dessen das Büh­nenbild bewundert, „Aha, ein anderes Klima. Jacke an/aus, pass dich ans Klima an“, murmelt und sich ansonsten in dieser Hal­tungs­schmiede der Greta-Jugend völlig deplat­ziert fühlt, der sollte es viel­leicht eher in einer anderen öffent­lichen Über­wäl­ti­gungs­an­stalt ver­suchen, die in Bre­mer­haven keine 100 Meter ent­fernt wartet: im Deut­schen Aus­wan­der­erhaus*. Kleiner Wer­muts­tropfen: bei der Aus­stellung dort handelt es sich nicht um eine Kirche, weshalb man im Aus­wan­der­erhaus im Unter­schied zum Kli­mahaus nicht hei­raten kann. Noch nicht.














 
* Das Aus­wan­der­erhaus kommt zwar eben­falls nicht ohne Subtext und Emo­tio­na­li­sierung aus, und am Ausgang lauert zudem ein Foto von Robert Habeck samt Widmung, aber dafür hat es inhaltlich sehr viel mehr und Kon­kretes zu bieten. Wirklich empfehlenswert.

Der Autor Roger Letsch ver­öf­fent­licht seine sehr lesens­werten Bei­träge auf www.unbesorgt.de