Von deut­schen Medien unbe­achtet: Streit um Amts­ein­führung von Selensky

Nach der Wahl in der Ukraine ist es in den deut­schen Medien ruhig geworden um die Ukraine. Dabei ist es im Land ganz und gar nicht ruhig.
Die Schlag­zeilen in der Ukraine und in Russland werden wei­terhin von der poli­ti­schen Situation in der Ukraine beherrscht. Es gibt gleich mehrere Themen, die die Gemüter erhitzen.
Zunächst geht es um Ermitt­lungen gegen die Führung des Maidan und der Regierung. Es gibt nicht nur Kor­rup­ti­ons­vor­würfe, sondern es wurden auch Ver­fahren zu den Todes­schüssen auf dem Maidan gegen nam­hafte Poli­tiker eröffnet. Poro­schenko selbst wurde eben­falls mehrmals von der Staats­an­walt­schaft vor­ge­laden, hat aber alle Vor­la­dungen bisher igno­riert. Details zu den Todes­schüssen vom Maidan finden Sie hier.
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Ein anderes Thema ist das Datum der Amts­ein­führung des Wahl­siegers Selensky. Diese offi­zielle Amts­ein­führung ist deshalb wichtig, weil in der Rada, dem ukrai­ni­schen Par­lament, derzeit Ver­fas­sungs­än­de­rungen dis­ku­tiert werden, die die Macht­be­fug­nisse des Prä­si­denten extrem beschneiden würden. Damit könnte ver­hindert werden, dass Selensky Staats­an­wälte ein­setzt und man könnte Ermitt­lungen damit ver­hindern. Auch andere Voll­machten, wie die Ernennung von Ministern, will man ihm abnehmen.
Daher gibt es Gerüchte, und Selensky hat ihnen nicht wider­sprochen, dass er direkt nach der Amts­ein­führung das Par­lament auf­lösen könnte. Dazu hat er als Prä­sident das Recht und danach würde es binnen 60 Tagen Neu­wahlen geben müssen. Diese braucht Selensky dringend, um unter Aus­nutzung seiner aktu­ellen Popu­la­rität ein Par­lament zu bekommen, in dem er eine starke Macht­basis hat. Die fehlt ihm im der­zei­tigen Parlament.
Und daher ist das Tau­ziehen in der Ukraine um das Datum der Amts­ein­führung so wichtig, seine Gegner ver­suchen diese auf den 28. Mai anzu­setzen, denn die Legis­la­tur­pe­riode endet am 27. November, am 27. Oktober sind ohnehin Neu­wahlen vor­ge­sehen. Der Prä­sident kann das Par­lament aber nur auf­lösen und Neu­wahlen binnen 60 Tagen ansetzen, wenn mehr als ein halbes Jahr bis zum Ende der Legis­la­tur­pe­riode bleibt. Das wäre ab 28. Mai nicht mehr gegeben.
Selensky hin­gegen fordert seine Amts­ein­führung für den 19. Mai. Die Abstimmung über das Datum findet vor­aus­sichtlich am 14. Mai statt.
Dass es über­haupt eine solche Dis­kussion über das Datum der Amts­ein­führung geben kann, liegt an den ukrai­ni­schen Gesetzen. Der Prä­sident muss innerhalb von 30 Tagen nach der offi­zi­ellen Ver­kündung des Wahl­sieges ins Amt ein­ge­führt werden. Obwohl die Wahl schon am 21. April statt­ge­funden hat, hat die Wahl­kom­mission das offi­zielle Ergebnis erst am 30. April ver­kündet. Nun kann das Par­lament ent­scheiden, an welchem Tag Selensky ins Amt ein­ge­führt werden soll, Haupt­sache es geschieht bis zum 30. Mai.
Nachtrag: Poro­schenko hat seine Fraktion ange­wiesen, gegen den 19. Mai zu stimmen, während ein anderer Abge­ord­neter den 20. Mai ins Spiel gebracht hat.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“