Die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer zieht eine direkte Verbindungslinie von der AfD zu dem Mord an Walter Lübcke, der übrigens noch gar nicht aufgeklärt, geschweige denn vor Gericht verhandelt ist. Und das nimmt sie als Begründung, warum es niemals eine Zusammenarbeit von „Christdemokraten“ mit der AfD geben könne. Ja, sie spricht von der AfD und malt dann ein Bild, wie der Mörder Lübcke die Pistole an die Schläfe setzt und dann abdrückt. Die Bilder, die dabei in den Köpfen entstehen, koppelt sie so ganz fest an die AfD. Hat man in den letzten Jahrzehnten, ja überhaupt seit Bestehen der Bundesrepublik je etwas ähnlich Schäbiges von einem Parteivorsitzenden einer großen Partei gehört?
AKK: Ein Mord ist ja nie was Schönes, aber wenn es einen aus unseren Reihen trifft, der sogar noch von einem „Rechtsextremen“ umgebracht wird, das ist ja unfassbar
Die Sonntagabendsendung Anne Will hat das Zeug in die TV-Geschichte einzugehen. Zu Gast bei der ARD-Frau waren vier weitere Damen, Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Katrin Göring-Eckardt (Die Grünen), Henriette Reker, Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, Annette Ramelsberger, Gerichtsreporterin der Süddeutschen Zeitung sowie der Oberstaatsanwalt und Leiter der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen Markus Hartmann. Und die fünf Damen plus der Herr, der wenig zu Wort kam, schafften mühelos einen weiteren Tiefpunkt der deutschen politischen TV-Talkshow-Geschichte. Den Vogel dabei schoss aber die CDU-Vorsitzende ab. Diese sagte in der Sendung, die den Titel trug „Hass Drohungen Gewalt wie kann sich unsere Demokratie wehren?“ unter anderem folgendes:
„Zuerst muss man mal sagen, dass wir als CDU natürlich in den letzten Wochen wirklich richtig geschockt waren. Viele von uns, auch ich persönlich, kannten Walter Lübcke, haben ihn getroffen bei der einen oder anderen Veranstaltung. Und dass es jemand von uns, aus unseren Reihen trifft, zuerst einmal der Todesfall an sich sehr schrecklich ist, und als sich dann herausgestellt hat, dass es ein Mord war, sozusagen mit rechtsextremem Hintergrund, das war für viele von uns und auch für mich unfassbar.“
Ich übersetze: Dass ein Mensch in unserem Land umgebracht wird, ist natürlich nie schön. Aber in der Regel geht uns Politikern das nicht so sehr nah. Wenn es jetzt aber einen aus unseren Reihen trifft, dann sind ich und meine Kollegen doch sehr schockiert. Und wenn sich dann noch herausstellt, dass der Mörder kein Verrückter, kein radikaler Muslim oder Linksextremist ist, sondern ein deutscher „Rechtsextremist“, dann ist das nicht schrecklich, sondern noch viel schlimmer, sprich „sehr schrecklich“.
Aha!, möchte man darauf antworten. Und gehen Sie bitte davon aus, das Kriterium ist nicht, dass der Ermordete ein Politiker ist oder allgemein, dass er sich für die Gemeinschaft und deren Wohl einsetzte. Wäre ein AfD-Politiker ermordet worden, das garantiere ich ihnen, wäre die Bestürzung eine völlig andere, eine viel geringere. Dann wäre es nicht „sehr schrecklich“, wie die CDU-Vorsitzende in prekärem Deutsch formuliert, schon gar nicht „unfassbar“. Das Kriterium ist wohl offensichtlich, wer zu ganz bestimmten Kreisen mit einer ganz bestimmten Weltanschauung gehört, zu der elementar das Ziel der Vernichtung der demokratischen, freiheitlichen, aufgeklärten Nationalstaaten gehört, weil man nur noch „Menschen“ kennt und keine mündigen, selbstbestimmungsfähigen Staatsbürger mehr.
AKK: Die AfD hat das geistige Klima für den Mord an Walter Lübcke geschaffen
Von Anne Will sodann auf Hans-Georg Maaßen angesprochen, fuhr Kramp-Karrenbauer wie folgt fort:
„Ja und von dem ich vor allen Dingen überhaupt (!) nicht nachvollziehen kann, wenn er in den letzten Tagen und Wochen dazu aufgerufen hat oder gesagt hat, man könne sich möglicherweise auch Annäherungen an die AfD vorstellen. Eine Partei, die zumindestens in Teilen oder mit Repräsentanten keine klare Linie zu Rechtsextremismus und Rechtsradikalen zieht, die zum Teil das geistige Klima dessen schafft, der augenscheinlich auf dieser Terrasse die Waffe in die Hand genommen hat, Walter Lübcke an die Schläfe genommen hat und abgedrückt hat.
Jemand, der dann sagt, einer solchen Partei kann man sich annähern, egal ob es Hans-Georg Maaßen ist oder ein irgendein anderes Mitglied meiner Partei, muss ich sagen, der soll nur mal kurz die Augen schließen, soll sich Walter Lübcke vorstellen, und er wird nie mehr auf die Idee kommen, dass man mit einer Partei wie der AfD als Christdemokrat zusammenarbeiten kann.“
So also sprach die CDU-Vorsitzende am Sonntagabend in der ARD ohne ein einziges Widerwort aus der zuvor sorgsam ausgesuchten Runde vor einem Millionenpublikum. Dazu gleich mehr.
Peter Tauber: Erika Steinbach, Björn Höcke, Max Otte und Alice Weidel sind „mitschuldig am Tod Walter Lübckes“
Einige Tage zuvor hatte der Vorgänger von Kramp-Karrenbauer, der im Februar 2018 wegen völliger Erfolglosigkeit zurückgetretene Generalsekretär der CDU Peter Tauber, der dann in dieser Position von AKK abgelöst wurde, öffentlich gefordert, man solle doch Artikel 18 GG, der seit Bestehen der Bundesrepublik noch niemals angewendet wurde, gegen „Rechtsextreme“ und überhaupt gegen alle in Anschlag bringen, die sich ebenfalls dem Kampf gegen unsere Freiheit verschrieben hätten. Man könnte diesen doch Grundrechte wie das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung, die Pressefreiheit, die Lehrfreiheit, die Versammlungsfreiheit, das Recht auf Eigentum oder auch das Brief‑, Post- und Fernmeldegeheimnis entziehen.
Und Tauber schreibt in seinem Gastbeitrag in der WELT (bezahlpflichtig) wörtlich: Erika Steinbach sei „ebenso wie die Höckes, Ottes und Weidels durch eine Sprache, die enthemmt und zur Gewalt führt, mitschuldig am Tod Walter Lübckes“.
Ja, Sie haben richtig lesen. Das schrieb Tauber tatsächlich. Beides. a) Man solle „Rechtsextremen“ und allen, die sich dem Kampf gegen unsere Freiheit verschrieben haben, die Grundrechte, sowohl Bürger- als auch Menschenrechte!, entziehen. Die hätten diese Leute durch ihr Tun bereits verwirkt. Und b) Erika Steinbach (Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung), Björn Höcke (Landesvorsitzender der AfD-Thüringen), Max Otte (sehr bekannter deutsch-US-amerikanischer Ökonom und langjähriges CDU-Mitglied) und Alice Weidel (Fraktionsvorsitzende der AfD im Deutschen Bundestag) seien „mitschuldig am Tod Walter Lübckes“.
„Argumente haben vor soviel Selbstgerechtigkeit, Enthemmung, Denunziationsdrang und Fahrlässigkeit keinen Wert mehr“
Was soll man dazu noch sagen? Da mir hier im Moment die Worte fehlen, lasse ich einen anderen kommentieren. Götz Kubitschek schreibt dazu folgendes:
„Der seit 25 Jahren dienstbekannte, gewalttätige, vor 20 Jahren npd-nahe, mutmaßliche Mörder Lübckes soll durch Äußerungen von Steinbach, Weidel, Höcke, Otte und durch die fahrlässige Nähe Maaßens zu diesen Leuten dazu angestiftet worden sein, zur Waffe zu greifen. Diese Ursache-Wirkung-Kette sei so stabil verlötet, dass man den Schreibtisch- und Rednerpult-Tätern die politischen Grundrechte entziehen müsse, was selbstverständlich keine „Entbürgerlichung“ bedeute. Eine andere Möglichkeit gäbe es nicht: Die politischen Rechte (in toto, es passt zur Stunde und über der Leiche Lübckes kein Blatt zwischen WerteUnion und Combat18) könne man weder integrieren noch einbinden.
Soweit Tauber … Argumente haben vor soviel Selbstgerechtigkeit, Enthemmung, Denunziationsdrang und Fahrlässigkeit keinen Wert mehr … Nur soviel: Sollte Steinbach, Höcke, Otte oder Weidel in nächster Zeit etwas zustoßen, was macht Tauber dann mit seinem trockenen Stehplatz unter dem Dach des Grundrechts Nr. 18? Räumt er ihn?“
So also Götz Kubitschek, der die Perversität der tauberschen Gedankengänge trefflich entlarvt, indem er sie auf ihn selbst anwendet, ein gedanklicher Akt zu dem Tauber wohl nicht fähig oder nicht willens sein dürfte.
AKK zieht eine direkte Verbindungslinie von der AfD zu dem Mord an Walter Lübcke
Der Fall Tauber zeigt zugleich, dass diese völligen verbalen Entgleisungen kein Einzelfall sind in der CDU. Und auch nicht in der CSU. Seehofer, das ist der ehemalige bayerische Ministerpräsident, der jetzt den Bundesinnenminister gibt, sprang Tauber sofort zur Seite. CDU und CSU stehen in Umfragen zusammen inzwischen bei ca. 26 Prozent, in etwa gleichauf mit den Grünen, welche CDU/CSU zu überholen drohen. Das heißt, die Union steht mit dem Rücken zur Wand. Und was machen Machtmenschen, wenn sie mit dem Rücken zur Wand stehen?
Doch zurück zu Taubers Nachfolgerin, der ehemaligen CDU-Generalsekretärin und zukünftigen Ex-CDU-Vorsitzenden, die ein ähnlich großes Talent hat wie Tauber, nie die richtigen Worte zu finden. Böse Zungen behaupten, dass könnte eventuell mit dem Organ zusammenhängen, in welchem die Worte gebildet werden, aber so weit wollen wir uns hier nicht aus dem Fenster lehnen.
Kramp-Karrenbauer zieht also eine direkte Verbindungslinie von der AfD (Tauber sogar von CDU-Mitgliedern, die ihm nicht passen) zu dem Mord an Walter Lübcke, der übrigens noch gar nicht aufgeklärt, geschweige denn vor Gericht verhandelt ist. Und das nimmt die Frau als Begründung, warum es niemals eine Zusammenarbeit von „Christdemokraten“ mit der AfD geben könne.
Der Schäbigkeitspreis 2019 dürfte wohl an Annegret Kramp-Karrenbauer gehen
Ja, AKK spricht von der AfD und malt dann allen Zuhörern – und das waren Sonntagabend in der ARD Millionen – ein Bild, wie der Mörder Lübcke die Pistole an die Schläfe hält und dann abdrückt. Dass die sogenannte „Moderatorin“ Anne Will mit keinem einzigen Wort intervenierte, um solch eine öffentlich-rechtlich ausgestrahlte Hetze zu unterbinden und AKK zu maßregeln, sei nicht nur am Rande erwähnt. Die Bilder, die Kramp-Karrenbauer mit diesen Worten ganz gezielt und vorsätzlich in den Köpfen entstehen lässt, kann sich jeder selbst ausmalen.
Und diese Bilder, wegspritzendes Gehirn etc., koppelt Kramp-Karrenbauer ganz fest an die AfD. Hat man in den letzten Jahrzehnten, ja überhaupt seit Bestehen der Bundesrepublik je etwas ähnlich Schäbiges von einem Parteivorsitzenden einer großen Partei gehört? Und diese Frau möchte gerne die nächste Bundeskanzlerin werden!
Ich schlage Annegret Kramp-Karrenbauer für diese verbale Totalentgleisung – und das war kein rein sprachlicher Fauxpas, das war genau so vorher schon geplant, gehen Sie davon bitte aus – daher für den Schäbigkeitspreis 2019 vor. Dieser Preis sollte ihr eigentlich sicher sein. Wobei natürlich das Jahr erst halb um ist und wir nicht wissen können, was im zweiten Halbjahr noch kommen wird. Vielleicht läuft sich die Saarländerin in Berlin ja gerade erst warm und das war noch gar nicht der absolute Tiefpunkt. Wer weiß? Vielleicht erlöst uns die CDU aber auch schon bald von dieser Frau. Es wäre dem Land zu wünschen.
Jürgen Fritz — Erstveröffentlichung auf dem Blog des Autors www.juergenfritz.com