Tabu: Gebur­ten­kon­trolle statt Sozialstaatsversorgung

Öko­nomen können durchaus in poli­tische Minen­felder geraten. Gerade hier­zu­lande. Heute ver­suche ich (erneut), ohne Bles­suren durchzukommen.
Thema: Wenn wir bestimmte Geburten nicht hätten, wären nicht nur die Sozi­al­staats­kosten geringer, sondern auch die Kri­mi­na­lität. Hin­ter­grund ist eine (hier in Deutschland nie groß dis­ku­tierte) Ent­scheidung der US-Regierung unter Bill Clinton, allein­ste­henden Frauen nur bis zum zweiten Kind zu helfen. Danach nicht mehr. In der Folge gingen die Geburten in dieser Per­so­nen­gruppe deutlich zurück. Im Kern wurde also eine Sub­ven­tio­nierung gestoppt, die in einer bestimmten – ten­den­ziell bil­dungs­fer­neren, aber auf jeden Fall ärmeren – Bevöl­ke­rungs­schicht zu einem Fehl­anreiz geführt hat. In der Folge ging die Kri­mi­na­lität deutlich zurück. Nicht­ge­borene Men­schen, vor allem Männer, können auch nicht kri­minell werden.
Bei uns in Deutschland gibt es so eine Begrenzung nicht. Im Gegenteil, es lohnt sich für bestimmte Bevöl­ke­rungs­gruppen, mehr Kinder zu haben, was dann – iro­ni­scher­weise – zu einem Anstieg der Kin­der­armut und damit zu noch mehr Umver­teilung in dieses Segment führt. Ein wei­teres Bei­spiel für die hier­zu­lande völlig irre Politik.
Doch nun zu den USA. John J. Donohue und Steven D. Levitt haben schon vor einigen Jahren den Zusam­menhang zwi­schen dem Gebur­ten­rückgang und der gerin­geren Kri­mi­na­lität gezeigt. In ihrem neuen Paper – erschienen beim ange­se­henen NBER – aktua­li­sieren sie ihre Zahlen:

  • „Donohue and Levitt (2001) pro­posed a link between the lega­lization of abortion and future crime. The theory moti­vating that ana­lysis is simple: decades of social sci­en­tific research have demons­trated that unwanted children are at an ele­vated risk for less favorable life out­comes on mul­tiple dimen­sions including cri­minal involvement,and the lega­lization of abortion appears to have dra­ma­ti­cally reduced the number of unwanted births.As a con­se­quence, cohorts exposed to lega­lized abortion would be expected to exhibit less cri­minal behavior than would have been the case absent the lega­lization of abortion.“ – Stelter: und jene Frauen, die keine (weitere) staat­liche Unter­stützung erwarten dürfen, werden eher bereit sein, abzutreiben.
  • „For each crime category, high abortion states expe­rience more favorable crime trends than medium abortion states, with low abortion states faring the worst.“ – Stelter: Es werden also die Bun­des­staaten ver­glichen und jene mit der höchsten Abtrei­bungs­quote haben den besten Trend bei der Kriminalität.
  • „The magnitude of the dif­fe­rences are sub­stantial: violent crime has fallen an addi­tional 30+ per­centage points since 1997 in high-abortion states relative to low-abortion states. For pro­perty crime that dif­fe­rence is over 18 per­centage points, and for homicide it is 12 or 18 per­centage points, depending on the data source. Aggre­gating over the entire time period 1985 to 2014, high abortion states have expe­ri­enced a reduction in crime relative to low abortion states of ‑64.0, ‑50.2, and ‑45.3 per­centage points for violent crime, pro­perty crime, and homicide respec­tively. With Vital Sta­tistics data, the homicide impact is ‑55.3 per­centage points.“ – Stelter: Es ist also bei schweren Straf­taten am deut­lichsten sichtbar!
  • Die soziale Kom­po­nente zeigt sich hier: „(…) the drop in the number of children raised in adverse cir­cum­s­tances because of the lega­lization of abortion not only reduced the crime rate years later but it also led to a reduction in teen and out-of-wedlock births. This effect also shows up in an organic decline in the teen abortion rate for this second gene­ration who were born after lega­lization.“ – Stelter: Klartext – die sozial schwie­rigen Umstände setzen sich nicht fort, weil es die Geburten nicht gab. Umge­kehrt: Gibt es die Geburten, setzt sich das soziale Problem in der kom­menden Gene­ration fort.

So sieht das dann aus: 

  • „François et al. (2014) provide such evi­dence with a panel data ana­lysis with country and year fixed effects from 1990–2007 for 16 Countries in Western Europe. The paper ‘confirm[s] the negative impact of abortion on crime for both homicides and thefts (…)’ (…) their model showing the impact on crime 15 years after abortion lega­lization implies that the declines resulting from abortion lega­lization 25 years after lega­lization are 12–40% for homicide and 23–43% for theft. These esti­mates are roughly com­pa­rable to and the­r­efore provide signi­ficant support for our own esti­mates on data from the United States.“ – Stelter: Also, Geburten in Familien, die sich in sozial schwie­rigen Lagen befinden, führen nicht nur in der ersten Gene­ration zu Pro­blemen, sondern die Pro­bleme setzen sich fort. Die Schluss­fol­gerung muss sein, solche Geburten nicht zu fördern, sondern die finan­zi­ellen Anreize so zu setzen, dass es nicht dazu kommt. Dies ist ein Thema, das über die Kri­mi­na­lität weit hinausgeht.

Nachtrag: Ich betone nochmals, dass ich weder ein Befür­worter von Abtreibung bin, noch dass man Men­schen aus rein öko­no­mi­schen Gesichts­punkten betrachten soll/darf. Es geht mir lediglich um eine inter­es­sante Studie, deren Schluss­fol­ge­rungen man nüchtern dis­ku­tieren sollte.


Dr. Daniel Stelter – www.think-beyondtheobvious.com