Warum? Trump sagt US-Angriff auf Iran in letzter Minute ab

Die Schlag­zeilen werden von der vom Iran abge­schos­senen US-Drohne beherrscht und US-Medien berichten sogar, dass ein „Ver­gel­tungs­schlag“ schon befohlen war, aber in letzter Minute von Trump abgesagt wurde.
Ich habe immer wieder berichtet, dass die Falken um US-Außen­mi­nister Pompeo und Sicher­heits­be­rater Bolton Trump in einen Krieg treiben wollen, Trump dies aber nicht will. Ich inter­pre­tiere die aktu­ellen Mel­dungen als weitere Bestä­tigung dieser These.
Trump hat nach den Angriffen auf Öltanker im Golf von Oman mit­ge­teilt, dass er das als „kleinen“ Zwi­schenfall ansieht und wegen so etwas nicht in den Krieg ziehen würde. Da ich davon ausgehe, dass die USA den Zwi­schenfall ent­weder selbst insze­niert haben oder durch „Ver­bündete“ haben orga­ni­sieren lassen, war zu erwarten, dass nun etwas Schwer­wie­gen­deres vor­fallen würde, denn Trump hat klar gesagt, dass seine rote Linie über­schritten sei, wenn ein Angriff auf US-Truppen statt­findet oder der Iran ver­sucht, die Atom­bombe zu bekommen.
Daher haben mich die Mel­dungen über eine abge­schossene US-Drohne nicht über­rascht, es kam wie auf Bestellung zu einem ira­ni­schen Angriff auf ein US-Mili­tär­objekt, also die Drohne.
Die USA behaupten, es sei im inter­na­tio­nalen Luftraum geschehen, der Iran wirft den USA vor, den ira­ni­schen Luftraum ver­letzt zu haben. Was stimmt, lässt sich nicht über­prüfen, aber da sich dieser Vorfall so logisch in die Kette der Ereig­nisse ein­ordnen lässt, vermute ich eine Ver­letzung des ira­ni­schen Luft­raums durch das US-Militär, denn dass der Iran seinen Luftraum ver­teidigt, ist bekannt. Meiner Meinung nach wollte man diesen Abschuss provozieren.
Wenn das stimmt, ist anzu­nehmen, dass das Militär eigen­mächtig und ohne Trumps Wissen gehandelt hat. Das wäre nicht das erste Mal. Als die USA als Reaktion auf einen angeb­lichen Angriff auf US-Schiffe im Golf von Tonkin den Vietnam-Krieg vom Zaun brachen, war es genauso. Das Militär und die Geheim­dienste haben den Angriff frei erfunden und das Weiße Haus belogen. Aus inzwi­schen frei­ge­ge­benen NSA-Doku­menten weiß man heute, dass Prä­sident Johnson nicht wusste, dass das ganze eine Erfindung war und es keinen Angriff auf US-Schiffe gegeben hatte.
Trump kennt diese Geschichte und ich spe­ku­liere mal, dass er deshalb keinen leichten Stand hat, denn er muss ver­muten, dass auch er von seinen Leuten und dem Apparat ange­logen wird. Dass Trump keinen Krieg will, sieht man daran, dass er im Gegensatz zu seinen Vor­gängern kaum Mili­tär­schläge befohlen hat. In den fast drei Jahren seiner Prä­si­dent­schaft hat er „nur“ zwei Angriffe auf Syrien befohlen. Das macht ihn im Ver­gleich zu seinem Vor­gänger und Frie­dens­no­bel­preis­träger Obama zu einem regel­rechten Pazifisten.
Die New York Times berichtet, dass ein „Ver­gel­tungs­schlag“ schon ange­ordnet war und die Vor­be­rei­tungen liefen, sogar die Flug­zeuge waren schon in der Luft, als Trump nach hef­tigen Dis­kus­sionen im Weißen Haus den Befehl gab, den Angriff abzu­blasen. Dabei soll es heftige Dis­kussion zwi­schen Trump und seinen Sicher­heits­be­ratern gegeben haben und auch wenn Bolton nicht namentlich erwähnt wird, dürfte klar sein, wer gemeint ist. Da über den Inhalt der Dis­kussion nichts bekannt ist, darf fröhlich spe­ku­liert werden, wer und warum den Angriff ange­ordnet hat und warum Trump ihn im letzten Augen­blick abgesagt hat.
Besonders brisant ist, dass es derzeit Ver­suche gibt, einen Angriff auf den Iran am Kon­gress vorbei durch­zu­führen, der eigentlich gefragt werden müsste. Der Spiegel schrieb dazu:
„Der US-Kon­gress wurde demnach von ver­schie­denen hoch­ran­gigen Regie­rungs­mit­gliedern – dar­unter Außen­mi­nister Mike Pompeo – darüber infor­miert, das schii­tische Regime in Iran unter­halte Kon­takte zu der sun­ni­ti­schen Ter­ror­gruppe al-Qaida und den afgha­ni­schen Taliban. Stich­haltige Belege dafür gibt es nicht. Auch deshalb sind viele Demo­kraten und Repu­bli­kaner alar­miert. Der Grund: Nach den Anschlägen vom 11. Sep­tember 2001 geneh­migte der Kon­gress den Einsatz des US-Militärs im Kampf gegen al-Qaida und dessen weit­ver­zweigtes Ter­ror­netzwerk. Bis heute ist dieses Gesetz in Kraft. Deshalb gibt es die Befürchtung, die Regierung könnte unter dem Vorwand, Iran koope­riere mit al-Qaida, formal legale Mili­tär­ak­tionen gegen Teheran ein­leiten – ohne vorher die Zustimmung des Kon­gresses einzuholen.“
Die ganze Ver­lo­genheit der USA wird deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass sie angeblich gegen al-Qaida kämpfen und dafür sogar ein eigenes Gesetz haben, aber ande­rer­seits die al-Qaida unter­stützen und eng mit ihr zusam­men­ar­beiten.
Trump indessen ver­sucht zu dees­ka­lieren, indem er den Vorfall her­un­ter­zu­spielen ver­suchte und sogar äußerte, dass es sich wohl um ein Ver­sehen des Iran gehandelt habe, viel­leicht habe irgendein lokaler Kom­mandeur ohne Wissen Teherans gehandelt. Außerdem sei die Drohne ja unbe­mannt gewesen und solange kein US-Pilot zu Schaden gekommen ist, sei das alles nicht so schlimm. Das ist quasi ein Vorlage für die Kriegs­treiber beim Militär, mal einigen Piloten zu befehlen, den ira­ni­schen Luftraum zu ver­letzen, damit einer beschossen wird. Für Trump wäre es dann schon schwie­riger, einen Angriff auf den Iran abzulehnen.
Hinzu kommt der bevor­ste­hende Wahl­kampf, der Trump in eine Zwick­mühle bringt. Einer­seits prä­sen­tiert er sich gerne als harter Hund und müsste dieser Logik folgend den Iran not­falls angreifen. Ande­rer­seits will er keinen Krieg und auch die Ame­ri­kaner werden über einen neuen Krieg nicht begeistert sein. Egal, was Trump tut, es wird im Wahl­kampf zu seinem Nachteil sein.
Außerdem ist der Iran nicht der Irak oder Libyen. Der Iran hat eine starke Armee und kann über Unter­stüt­zer­netz­werke und Unter­grund­kämpfer wahr­scheinlich auch US-Ein­rich­tungen im gesamten Nahen Osten angreifen. Der Iran kann den Krieg kaum gewinnen, aber die USA könnten einen hohen Blutzoll zahlen müssen. Vietnam hat gezeigt, dass den USA das egal ist, solange die Kassen bei der Rüs­tungs­in­dustrie klingeln. Und je schlimmer ein Krieg, desto besser für die Umsätze der Rüs­tungs­in­dustrie. Es gibt also mächtige Kräfte in den USA, die an einem ver­lust­reichen Krieg inter­es­siert sind, es geht schließlich um Milliardenaufträge.
So merk­würdig es klingen mag, aber man kann Trump nur wün­schen, dass er seinen kühlen Kopf behält und sich nur auf Twitter austobt, aber nicht zu einem Angriff über­reden lässt.

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“