Vera Lengsfeld über die Volks­ver­treter, die ihr Volk verachten

Es war ganz sicher keine Stern­stunde des Par­la­men­ta­rismus, was am Freitag, dem 7. Juni geboten wurde. Eher war es eine Debatte, die in der nach unten offenen Pein­lich­keits­skala mühelos den vor­läu­figen Tiefstwert erreicht hat. Es ging um die Große Anfrage der AfD-Fraktion zur Reaktion der Bun­des­re­gierung auf die Ereig­nisse in Chemnitz im August letzten Jahres. Ein halbes Jahr hat die Bun­des­re­gierung gebraucht, um eine Antwort geben zu können. 
In einer funk­tio­nie­renden Demo­kratie hätte diese Antwort ein poli­ti­sches Beben aus­lösen müssen, das die Regierung mit sich gerissen hätte. Die Behauptung von Kanz­lerin Merkel und ihrem Regie­rungs­sprecher Steffen Seibert, es hätte in Chemnitz Hetz­jagden auf Migranten gegeben, beruhte tat­sächlich nur auf dem von der links­ra­di­kalen Antifa mani­pu­lierten Sekun­den­aus­schnitt eines illegal beschafften Videos.

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Diese fal­schen Behaup­tungen der Regierung, ins­be­sondere Merkels, führte zu einem welt­weiten jour­na­lis­ti­schen Tsunami, der den guten Ruf der Stadt Chemnitz hin­wegriss und ihre Bürger als braune Men­schen­jäger stigmatisierte.
Vor Merkel war es Dik­ta­toren vor­be­halten, ihre Bevöl­kerung zu stig­ma­ti­sieren. Eine demo­kra­tisch gewählte Regie­rungs­chefin, die ihre Bevöl­kerung vor der ganzen Welt an den Pranger stellt, wird man außerhalb von Deutschland wohl ver­geblich suchen.
Was macht nun das Par­lament, das gewählt ist, die Regierung zu kontrollieren?
Wer gehofft hatte, dass es bei den Alt­par­teien so etwas wie einen heil­samen Schock über das Ein­ge­ständnis der Regierung gegeben hätte, hat noch Illu­sionen über den tat­säch­lichen Zustand Deutsch­lands, ins­be­sondere seiner Politiker.
Statt zu tun, wofür sie gewählt wurden, der Regierung kri­tisch auf die Finger zu sehen, fallen alle von der SED-Linken über Grüne, FDP, SPD und Union über die einzige Partei her, die im Bun­destag ihre Oppo­si­ti­ons­rolle wirklich ernst nimmt.
Schon der Blick in den Ple­narsaal ist ver­heerend: Nur die AfD ist in Frank­ti­ons­stärke mit ihrem Vor­stand ver­treten. Hinter der dritten Gar­nitur der anderen Par­teien, die auf den Vor­stands­bänken Platz genommen hat, herrscht gäh­nende Leere. Damit will man offen­sichtlich demons­trieren, dass man von der Debatte nichts hält.
Tat­sächlich gibt es kein ein­ziges kri­ti­sches Wort zum skan­da­lösen Auf­treten der Regierung, statt­dessen fallen alle über die AfD her, als hätte sie die Hetz­jagden erfunden.
Merkels Ver­leumdung der Chem­nitzer wird als bloße Semantik bezeichnet, mit der jetzt mal Schluss sein müsse. Eine rein seman­tische Dis­kussion wäre sinnlos. Warum eigentlich, wo ein Redner der CDU ein­ge­stehen musste, dass nach Merkels Phil­ippika sich aus­län­dische Unter­nehmer aus der Stadt zurück­ge­zogen, bzw. ihre ursprüng­liche Ansied­lungs­ab­sicht fallen gelassen haben. Der SPD-Redner ging so weit, von der „eigent­lichen Chemnitz-Lüge“ zu sprechen. Er meinte damit die zum Teil anonymen Spe­ku­la­tionen im Netz, Daniel Hillig wäre ermordet worden, weil er sich in die ver­suchte Ver­ge­wal­tigung einer Frau ein­ge­mischt hätte. Dass der Volks­ver­treter solche Spe­ku­la­tionen, die auch ent­standen sind, weil die Behörden über den wahren Sach­verhalt zu spät und zu zögerlich berich­teten, mit regie­rungs­amt­lichen Ver­laut­ba­rungen gleich­setzt, lässt tief blicken.
Die Krone der Bür­ger­ver­achtung hat sich aber der Abge­ordnete der FDP erworben. Deshalb nenne ich Jürgen Martens mit Namen. Wie betont ver­ächtlich er sich über angeblich „natürlich deutsche“ Frauen aus­ge­lassen hat, muss man gesehen haben, um das glauben zu können. Man solle doch mal ruhig bleiben und Rechts­staat und Justiz dieses Vor­kommnis auf­ar­beiten lassen. Kein Wort darüber, dass einer der Täter, dem es gelang, sich in den Irak abzu­setzen, schon vorher als gewalt­tä­tiger Seri­en­kri­mi­neller auf­ge­fallen war, ohne dass die Behörden etwas unter­nommen haben.
Die AfD würde mit dem Finger auf die Bun­des­re­gierung zeigen, statt nach den rechts­ra­di­kalen Ten­denzen zu fragen, rief ein anderer Abge­ord­neter. Das war so etwas wie der komische Höhe­punkt der Ver­an­staltung, weil er zeigte, wie sehr es den Volks­ver­tretern ent­fallen ist, wofür sie eigentlich im Par­lament sitzen.
Ein Regie­rungs­ritter von der besonders trau­rigen Gestalt war der erste Redner der CDU. Er kam tat­sächlich mit einem bunten Zettel ans Pult, auf dem stand, dass Chemnitz weder grau noch braun sei. Mit diesem schrägen Bekenntnis hätte er sich an den Stra­ßenrand gestellt, als ein „so genannter Trau­er­marsch“ vorüber gezogen sei. Dass dieser Satz manche Nach­frage anregt, soll nicht bezweifelt werden. Der Abge­ordnete bestand aber darauf, er sei ange­pöbelt worden. Sein Zettel hat die angeb­lichen Attacken aber bemer­kenswert unbe­schadet überstanden.
Wie andere Abge­ordnete auch, bemühte sich der Christ­de­mokrat zu beweisen, dass es doch Hetz­jagden gegeben hätte. Er nannte aber weder Ross noch Reiter, sondern sprach von „Freunden, die Panik erlebt haben“, von „eigenen Leuten mit diesem Hin­ter­grund“, wobei er es der Phan­tasie der Zuhörer überließ, sich einen Reim auf diese ver­schwom­menen Beschrei­bungen zu machen. Ansonsten war von Beob­ach­tungen von Jour­na­listen und einer Sozi­al­ar­bei­terin die Rede. Die Beschrei­bungen ähnelten sich auf­fällig. Eine Gruppe sei mit einem Mann oder einer anderen Gruppe in Streit geraten, einer sei los­ge­rannt und eine kurze Strecke ergeb­nislos ver­folgt worden. Auf Poli­zisten sei mit Fla­schen geworfen worden.
Besonders grotesk an den Bemü­hungen, doch noch Hetz­jagden her­bei­zu­reden war, dass sich SPD, Grüne und Linke plötzlich um die ein­ge­setzten Poli­zisten sorgen. In Berlin werden all­jährlich die Revo­lu­tio­nären Erste-Mai-Demos als friedlich bezeichnet, wenn nur ein paar Dutzend, statt einige hundert Poli­zisten ver­letzt werden. Glauben die Abge­ord­neten wirklich, dass ihre Dop­pel­stan­dards nicht bemerkt werden?
Der AfD wurde sogar von der grünen Red­nerin vor­ge­worfen, dass sie die gängige Defi­nition, was man unter einer Hetzjagd ver­steht, in ihrer Anfrage ange­führt hat. Das sei „widerlich“ rief sie mit bebender Stimme. Man bekam den Ein­druck, die AfD hätte Hetz­jagden erfunden.
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Eine besonders miese Rolle spielte Vize­prä­sident Oppermann (SPD). Es scheint inzwi­schen Mode geworden zu sein, die AfD immer wieder in Ober­lehrer-Manier abzukanzeln.
Als der Abge­ordnete der Linke vom Leder zog und seinen AfD-Kol­legen Ras­sismus, Het­zerei und Nazismus vorwarf und die sich empörten, unter­brach Oppermann ihn und sagte, die AfD-Abge­ord­neten sollten bitte zuhören, wenn Anders­den­kende redeten. Es sind in der Regel SPD, Linke und Grüne, die am lau­testen brüllen, wenn AfD-Abge­ordnete reden.
Zum zweiten Mal pro­du­zierte sich Oppermann, als ein junger AfD-Abge­ord­neter dem zweiten Redner von der SPD eine Frage stellen wollte. Da rügte Oppermann einen anderen AfD-Mann, der im Plenum Zeitung las. In diesem Haus sei das nicht üblich. Das brachte Oppermann über die Lippe ohne rot zu werden. Tat­sächlich wird von allen Abge­ord­neten aller Par­teien während der Debatte Zeitung oder Akten gelesen und am Handy gedaddelt. Allen voran die Kanz­lerin, mit ihrem demons­tra­tiven Akten­studium auf der Regierungsbank.
Wer wissen will, wie unwürdig der Umgang unserer Demo­kraten mit der unge­liebten Kon­kurrenz ist, sollte sich min­destens eine Bun­des­tags­de­batte antun. Ich erinnere mich nicht, dass jemals mit den Ver­tretern der umbe­nannten SED, die als Mau­er­schüt­zen­partei wirklich Blut an den Händen hat, jemals so umge­gangen worden wäre. Dass die Genossen bis heute nichts dazu gelernt haben, demons­trierte ihr Debat­ten­redner unmissverständlich.
Er dankte der links­ra­di­kalen Gruppe Feine Sahne Fisch­filet für ihr Enga­gement gegen rechts und erregte sich darüber, dass der Ver­fas­sungs­schutz sich nach dem Gratis-Konzert für 60.000 aus allen Teilen des Landes her­bei­ge­schaffte Jugend­liche mit den dort zum Vortrag gebrachten Texten beschäftigte.
Zur Erin­nerung: Dort tönte es von der Bühne:
„Ich ramme die Mes­ser­klinge IMMERNOCH in die Journalistenfresse.“
Für die Linke ist das offen­sichtlich der Aus­druck von Mit­mensch­lichkeit, ganz nach dem Vorbild von Erich Mielke, der nach eigener Aussage Men­schen­freund und deshalb für die Todes­strafe war.

Vera Lengsfeld — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de