Aus­weitung des “Pas­senger Name Record” geplant: Die wird EU zu einem bei­spiel­losen Überwachungsstaat

Die EU plant nach den Flug­reisen nun auch, bei allen Reisen mit Bussen, Bahnen und Schiffen die per­sön­lichen Daten der Rei­senden zu erfassen und aus­zu­werten. Die Über­wa­chung der Men­schen nimmt im „freien“ Europa inzwi­schen Formen an, von denen selbst die Stasi nicht einmal zu träumen gewagt hätte.
Die Meldung habe ich außer in der Süd­deut­schen Zeitung nir­gendwo gefunden. Still und heimlich wird in der EU dis­ku­tiert, in Zukunft alle Reisen der Men­schen in Europa zu erfassen und aus­zu­werten. Der Vorwand ist wie üblich die Terrorbekämpfung.
Schon jetzt werden alle Daten von Flug­rei­senden auto­ma­tisch an das BKA wei­ter­ge­geben, wie die Süd­deutsche berichtet:
„Den soge­nannten Pas­senger Name Record (PNR) erheben derzeit nur Flug­linien über ihre Pas­sa­giere. Erfasst werden unter anderem Name, Adresse, Buchungscode, Rei­se­verlauf sowie Infor­ma­tionen über die Bezahlung, den Viel­flieger-Status, den Sitz­platz und das Gepäck. Die Flug­linien leiten die Infor­ma­tionen an Sicher­heits­be­hörden weiter, in Deutschland an das Bun­des­kri­mi­nalamt (BKA).“
Über die aktuelle Dis­kussion in der ent­spre­chenden Arbeits­gruppe in Brüssel schreibt die Süddeutsche:
„Mehrere Staaten wollen das Ver­fahren im Namen des Kampfes gegen Ter­ro­rismus und Orga­ni­sierte Kri­mi­na­lität aus­dehnen. Teil­nehmer ver­wiesen auf das Phä­nomen des „broken travel“ – des „unter­bro­chenen Reisens“. Ihnen zufolge wech­selten Ter­ro­risten oft die Ver­kehrs­mittel, reisten etwa erst per Flugzeug, dann per Bus oder Bahn. Das spreche für die Aus­weitung von PNR.“
Die Frei­heits­rechte in Deutschland und der EU werden immer weiter aus­ge­höhlt. Früher, als es noch die DDR gab, lernten wir ständig, dass das Leben im Westen frei wäre, ganz im Gegensatz zu den ost­eu­ro­päi­schen „Über­wa­chungs­staaten“. Das Telefon- und Brief­ge­heimnis waren heilig. Das ist längst Geschichte, heute lesen die Geheim­dienste unsere Emails, sammeln Daten über unsere Tele­fonate und über­wachen detail­liert jeden Flug­pas­sagier. Und in Zukunft soll auch jede Bahn­fahrt erfasst werden und selbst eine Reise mit Flixbus wird dann akri­bisch erfasst und ausgewertet.
Die Men­schen werden gläsern und es scheint nie­manden zu stören. Wer dagegen etwas sagt, bekommt zu hören: „Wer nichts zu ver­bergen hat, hat auch nichts zu befürchten“. Das war auch das Argument in der DDR. Nur dass es in der DDR keine so flä­chen­de­ckende Über­wa­chung gab, wie wir sie heute im „freien Westen“ erleben.
Hinzu kommt, dass die Ver­fahren noch nicht einmal funk­tio­nieren, wie wir eben­falls in der Süd­deut­schen erfahren:
„Zwi­schen der Inbe­trieb­nahme am 29. August 2018 und 31. März 2019 haben die Flug­linien Daten von 1,2 Mil­lionen Pas­sa­gieren ans BKA wei­ter­ge­geben. Die Software fand darin 94 098 „tech­nische Treffer“. Jeder ein­zelne davon wurde von einem Beamten hän­disch über­prüft. In 277 Fällen stellte sich der Ver­dacht als begründet heraus. In 93 821 Fällen han­delte es sich dagegen um ein Fehl­urteil der Software. Daraus ergibt sich: 99,7 Prozent aller ver­meint­lichen Treffer sind Irr­tümer. (…) Laut Innen­mi­nis­terium sind etwa 40 Beamte im 24/7‑Schichtdienst mit der Über­prüfung der tech­ni­schen Treffer beschäftigt. Ins­gesamt sieht die Bun­des­re­gierung für Aufbau und Betrieb der Fluggast-Datenbank mehr als 500 Plan­stellen in ver­schie­denen Behörden vor.“
Es sollen also 500 Beamte ein­ge­stellt werden, um uns mit einem System zu über­wachen, das noch gar nicht richtig funktioniert.
Aber das Argument der Ter­ror­be­kämpfung ist ohnehin fragwürdig. 
Es ist unbe­stritten, dass west­liche Geheim­dienste auch im eigenen Land Ter­ror­an­schläge verüben. Nur kommt das selten und auch nur mit einiger Ver­spätung ans Licht. Ein Bei­spiel aus Deutschland, bei dem der deutsche Ver­fas­sungs­schutz unbe­stritten einen Ter­ror­an­schlag in Deutschland verübt hat, war das Celler Loch. Die Details finden Sie hier.
Ich habe immer mal wieder darüber geschrieben, dass Deutschland kein Rechts­staat ist, denn die Politik kann der Staats­an­walt­schaft ver­bieten, bei Ver­brechen zu ermitteln, die Details zu dem Thema finden Sie hier. Auch das Celler Loch war so ein Fall. Anstatt der Staats­an­walt­schaft hat ein poli­ti­scher Unter­su­chungs­aus­schuss die „Ermitt­lungen“ über­nommen und im Ergebnis wurde niemand für diesen Ter­ror­an­schlag bestraft. Der Ver­fas­sungs­schutz darf in Deutschland straffrei Ter­ror­an­schläge verüben. 
Aktuell gibt es übrigens Mel­dungen aus Spanien, dass der dortige Geheim­dienst eine isla­mis­tische Ter­ror­gruppe nicht nur genau beob­achtet hat, sondern auch wusste, was die Gruppe geplant hat. 16 Men­schen starben bei Anschlägen der Gruppe unter den Augen des spa­ni­schen Geheim­dienstes. Haben Sie davon in den deut­schen Medien etwas gehört? Unwahr­scheinlich, selbst in Spanien wird darüber kaum berichtet.
Nun wird die Über­wa­chung der Men­schen in der EU ver­schärft, dabei wäre es eher sinnvoll, die Geheim­dienste besser zu über­wachen, die offen­sichtlich schon lange ein Eigen­leben führen. Schon zu Beginn des RAF-Terrors in den 1970er Jahren war der Ver­fas­sungs­schutz erstaunlich eng mit den Ter­ro­risten ver­bandelt. Die ersten Anschläge der „Baader-Meinhoff-Bande“ wären ohne den Ver­fas­sungs­schutz viel­leicht nie geschehen, denn sie bekamen Spreng­stoff und Waffen dafür von Peter Urbach, einem V‑Mann des Ver­fas­sungs­schutzes. Obwohl das seit 1971 bekannt war, wurde niemand bestraft und Urbach selbst erhielt eine neue Iden­tität und starb angeblich 2011 in den USA.
Und damit hören die Ver­bin­dungen zwi­schen Ver­fas­sungs­schutz und RAF nicht auf. Unbe­stritten ist, dass die Gründung der RAF regel­recht unter Beob­achtung des Ver­fas­sungs­schutzes stattfand, denn die „Bewegung 2. Juni“, aus der die RAF her­vorging, war mit V‑Leuten durch­setzt, wie der ehe­malige Ter­ror­abwehr-Chef Win­fried Ridder in einem Interview mit dem Focus offen zuge­geben hat:
„Es trifft zu, dass der Ber­liner Ver­fas­sungs­schutz Anfang der 70er-Jahre mit großem Erfolg Quellen in den Struk­turen der „Bewegung 2. Juni“ plat­zieren konnte.“
Und die RAF-Ter­ro­ristin Verena Becker war selbst nach offi­zi­ellen Angaben eine Zeit lang Infor­mantin für den Ver­fas­sungs­schutz. Sie war eben­falls in der „Bewegung 2. Juni“ dabei, aber der Ver­fas­sungs­schutz behauptet, sie sei nur in den 1980er Jahren vor­über­gehend Infor­mantin gewesen. Das kann man glauben, man kann es aber auch anzweifeln.
Je mehr Zeit seit einer Ter­ror­welle vergeht, desto offen­sicht­licher wird, dass bei einer Vielzahl – viel­leicht der Mehrzahl – von Ter­ror­gruppen die Geheim­dienste ihre Hände im Spiel hatten, ohne die Ter­ro­risten bei ihrer „Arbeit“ zu behindern.
Besonders gut belegt ist das bei den ita­lie­ni­schen Roten Bri­gaden, bei denen man – im Gegensatz zur RAF – inzwi­schen sehr genau weiß, dass sie von west­lichen Geheim­diensten gelenkt wurden. Das weiß man übrigens nur einem Grund: In Italien gibt es keinen Para­grafen 146 GVG, sondern unab­hängige „Ermitt­lungs­richter“, denen niemand Anwei­sungen geben darf. Einige dieser Ermitt­lungs­richter wurden ermordet, aber trotzdem kamen die Dinge schließlich ans Licht. Wer sich für mehr Hin­ter­gründe inter­es­siert, dem emp­fehle ich diese Doku.
In Deutschland ist eine solche Auf­klärung, dem Para­grafen 146 GVG sei Dank, nicht zu erwarten.
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Und anstatt diese Dinge auf­zu­klären und die Ver­ant­wort­lichen zu bestrafen, werden die Frei­heits­rechte in der EU unter dem Vorwand der Ter­ror­be­kämpfung immer weiter eingeschränkt.
Da ist es doch beru­higend, dass die freien, kri­ti­schen und objek­tiven deut­schen „Qua­li­täts­medien“ darüber nicht berichten, das könnte Sie und mich ja nur verunsichern.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“