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Flug­schämen – oder doch gleich Existenzschämen?

Wir Deutsche sind ein rei­se­lus­tiges Völkchen. Egal, wo auf der Welt man sich befindet, man begegnet uns überall. Das liegt zum einen daran, dass man vor Nachbarn und Kol­legen ganz gerne prahlt, wenn man seinen Urlaub in Neu­seeland, in Costa Rica oder auf Mada­gaskar ver­bracht hat. Doch es ist nicht nur das, sondern es ist auch unser Interesse daran, zu sehen, wie die Men­schen dort leben, wie die Land­schaft an diesem Teil der Erde aus­sieht, was es dort für Tiere gibt — aber auch die Kon­takt­freude unseres Volkes.
Doch seit kurzer Zeit gibt es – im Zuge der Kli­ma­wan­del­the­matik – ver­mehrt die For­derung, man solle sich „flug­schämen“. Damit ist gemeint, es sollte gesell­schaftlich geächtet sein, wenn man aus Ver­gnügen irgend­wohin fliegt. Geschäftlich oder natürlich auch poli­tisch erfor­der­liche Flüge sollen davon selbst­ver­ständlich aus­ge­nommen sein. Der Deutsche soll seinen Urlaub zu Hause ver­bringen. Geduldet könnte sein, wenn er sich mit dem Fahrrad fort­bewegt oder natürlich per „sau­berem“ Elek­tro­mobil, das natürlich mit Öko-Strom geladen wird. Die Tat­sache, dass man z.B. den geschützten Roten Milan immer wieder durch Störung seiner Brut­stätten von geplanten Wind­rad­stand­orten ver­treibt oder sogar ver­giftet, um dort Wind­räder bauen zu dürfen, spricht nicht gerade für „sau­beren“ Strom. Auch die Gefahren des akus­tisch nicht wahr­nehm­baren Infra­schalls, der von Wind­kraft­an­lagen ausgeht, wird in der Presse und in der gesamten Ener­gie­dis­kussion völlig außer Acht gelassen, ebenso wie die irgendwann erfor­der­liche Ent­sorgung der mas­senhaft ver­bauten Solarpaneele.
Nach diesem kurzen Ausflug zum „sau­beren“ Öko­strom wieder zurück zur Flug­scham. Wir sollen demnach auf­hören zu fliegen. Es ist nicht die Über­legung, dass man jahr­zehn­telang ver­passt (bzw. ver­boten) hat, nach neuen und wirklich natur­ver­träg­lichen Ener­gie­quellen zu for­schen, wie bei­spiels­weise die Kern­fusion, die Was­ser­stoff­energie oder die Freie Energie generell. Nein, es wird im Bürger ein schlechtes Gewissen pro­du­ziert, und er soll von selbst auf das Fliegen ver­zichten. Es ist absolut nach­voll­ziehbar, dass man nicht zu oft fliegen soll und auch eine Kreuz­fahrt belastet die Umwelt, keine Frage, doch die Art und Weise, wie diese jetzt plötzlich not­wendige Scham argu­men­tiert wird, sollte uns zu denken geben. Das wäre das­selbe, wie wenn man uns sagt, wir sollten doch endlich auf­hören, Nahrung zu uns zu nehmen, damit die Erde nicht weiter mit Gly­phosat belastet werden muss. Ver­stehen Sie, was ich meine? Die Ver­ant­wortung wird umge­kehrt! Gestern wurde der Die­sel­fahrer belohnt, heute ist er der Böse.
Wir gelten als Ver­schwender und Umwelt­zer­störer, wenn wir Reisen unter­nehmen. Man bedenke hierbei auch, dass die Bewohner vieler Rei­se­ziele in die absolute Armut ver­fallen würden, wenn der Tou­rismus weg­fallen würde – ach nein, es sind ja nur die Deut­schen, die nicht mehr kommen dürfen! Der Rest der Welt reist ja weiterhin!
Aber es geht ja auch nicht nur um das Reisen. Es stehen noch ganz andere For­de­rungen im Raum:

  • Wir sollten auf Urlaub verzichten!
  • Wir wohnen in viel zu großen Gebäuden!
  • Wir haben eine gepflas­terte Ter­rasse, die das Regen­wasser nicht hindurchlässt!
  • Wir gehen zum Arzt, wenn wir uns krank fühlen und belasten die Kran­ken­ver­si­che­rungen mit den 8 Minuten, die sich der Arzt für uns Zeit nehmen darf.
  • Wir atmen und stoßen das hoch­giftige CO2 aus, das die Erde zer­stört. Wie konnten die Erde und die Menschheit nur diese lange Zeit über­stehen? Sollte da in der Evo­lution etwas falsch gelaufen sein?

Natürlich wissen wir alle, dass die Aus­beutung der Res­sourcen der Erde schädlich ist, doch wie soll das Volk es schaffen, aus diesen aus­zu­steigen, wenn die wirk­lichen Alter­na­tiven nicht auf­ge­griffen werden und teil­weise gar nicht erforscht werden dürfen? Wir wissen doch, dass man bei­spiels­weise keine Pro­dukte kaufen soll, die das billige Palmöl ent­halten, weil die Palm­öl­plan­tagen dafür ver­ant­wortlich sind, dass uralte, riesige Regen­wald­flächen abge­holzt werden, was sowohl dem Klima, wie auch der Arten­vielfalt enorm schadet. Aber wie soll es das alte Müt­terchen aus der Nach­bar­schaft erreichen, den Regenwald zu retten, wenn sie sich doch nur die Bil­lig­pro­dukte leisten kann? Solange das alles erlaubt ist, wird es weiter so praktiziert.

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Aber inter­essant ist, dass aus­ge­rechnet wir für alles ver­ant­wortlich sein sollen: Für die schweren Stürme, die Regen­massen, die Dürren, die Ursachen der Flücht­lings­welle … (wobei die wahren Ver­ur­sacher in ganz anderen Ebenen zu finden sind, siehe mein Buch „Skla­ven­planet Erde“). Jeden Tag werden wir damit kon­fron­tiert, dass wir Deutsche für alles schuldig sind. Uns kann man natürlich jeg­liche Schuld auf­laden, denn wir haben Schuld sozu­sagen erfunden. Diese The­matik habe ich in meinem Buch „Nutzlose Esser“ aus­führlich beleuchtet. Und wir können darauf warten, dass uns in Kürze ein schlechtes Gewissen ein­ge­redet wird, allein deshalb, weil wir leben. Bereits vor Jahren hat der ehe­malige Bun­des­prä­sident (1994–1999) Roman Herzog das schon aus­ge­sprochen: „Die Älteren müssen sich schon fragen, ob sie zu sehr auf Kosten der Jün­geren leben“ [1]. In Kürze wird man den älteren Men­schen nahe­legen, dass sie doch bitte endlich die Todes­pille schlucken sollen, sobald sie das Ren­ten­alter erreichen, damit sie den Jün­geren nicht auf der Tasche liegen – und natürlich, damit sie kein CO2 mehr pro­du­zieren. Doch wir sollten uns fragen, warum die­je­nigen, die sich so sehr auf unser Gewissen stürzen, nicht bei sich selbst beginnen!
Denken Sie mal darüber nach!
Machen Sie’s gut
Ihre Gabriele Schuster-Haslinger