SPD stürzt in NRW in 29 Monaten von 40 auf 18 Prozent

Es gab Zeiten, da waren 40 Prozent nichts Unge­wöhn­liches für die SPD in NRW. Von 1962 bis 2000 holte sie hier bei Land­tags­wahlen jedes Mal über 40, teil­weise, 1985 und 1990, sogar über 50 Prozent. 2012 schaffte sie immerhin noch über 39 Prozent und im März 2017 taxierte Forsa sie sogar nochmals bei 40 Prozent. Am Wochenende gab das gleiche Institut eine neue Ein­schätzung heraus. Die sieht nicht nur voll­kommen anders aus, sie zeigt den völ­ligen Nie­dergang einer Partei.
In NRW sah alles so rosig aus, doch dann …
Bei den Land­tags­wahlen 1962 über 43 Prozent, 1966 sogar 49,5 Prozent, 1985 dann der absolute Höhe­punkt: über 52 Prozent. Was waren das für Zahlen für die SPD in NRW?! Auch 1990 schaffte man nochmal 50 Prozent so viel, wie alle anderen zusammen! Im Jahr 2000 waren es immerhin noch fast 43 Prozent und selbst 2012 noch über 39 Prozent.

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Dabei ist die NRW-SPD mit ca. 112.000 Mit­gliedern der mit­glie­der­stärkste Lan­des­verband der „Sozi­al­de­mo­kraten“. So viele Mit­glieder haben Die Grünen nicht einmal in ganz Deutschland. Die bringen es bun­desweit auf ca. 85.000, das sind 76 Prozent von dem, was die SPD alleine in NRW auf­zu­bieten hat. Die AfD hat bun­desweit sogar nicht einmal ein Drittel so viele Mit­glieder (ca. 33.650 = 30 Prozent davon). Doch zeigen sich schon hier erste Ver­falls­er­schei­nungen: Seit Anfang 2018 hat die SPD bun­desweit mehr als 37.000 Mit­glieder ver­loren, also mehr als die AfD über­haupt hat.
Nach den Land­tags­wahlen von 2012, bei der die SPD 39,1 Prozent erzielte und die Lan­des­vor­sit­zende Han­nelore Kraft zusammen mit den Grünen eine rot-grüne Regie­rungs­ko­alition gebildet hatte, wurde sie von einigen Jour­na­listen, so bei­spiels­weise von Hans-Ulrich Jörges (Stern), der meist eine unglaub­liche Treff­si­cherheit bei seinen Pro­gnosen an den Tag legt, schon als kom­mende SPD-Vor­sit­zende und Kanz­lerin gefeiert.
Im März 2017, zwei Monate vor der Land­tagswahl, berechnete Forsa die SPD noch auf 40 Prozent. Alles sah damals recht rosig aus für die „Sozi­al­de­mo­kraten“. Doch ab dann ging es rapide bergab.
Von der Arbeiter- zur Klugscheißerpartei
Bei der Land­tagswahl im Mai waren von den 40, nur noch 31,2 Prozent übrig geblieben. Das reichte nur noch für Platz zwei. CDU und FDP lösten Rot-Grün ab und für die NRW-SPD ging es kon­ti­nu­ierlich weiter bergab: auf 30, auf 28, auf 24 und nun am Wochenende auf 18 Prozent. Ein abso­luter Tief­punkt. 18 Prozent in ihrer Hochburg, wo sie über Jahr­zehnte hinweg locker auf über 40, teil­weise über 50 Prozent kam. Bun­desweit liegen die Genossen natürlich nochmals deutlich nied­riger, aktuell bei ca. 12,8 Prozent.
Zur Zeit sucht die Partei hän­de­ringend nach einem neuen Bun­des­vor­sit­zenden, nachdem auch Andrea Nahles ent­nervt hin­ge­schmissen hat, genau wie zuvor Martin Schulz und Sigmar Gabriel. Bei den Kan­di­daten, die sich um den Par­tei­vorsitz bewerben möchten, kommt einem zumeist das kalte Grausen. Zur Auswahl stehen unter anderem:
  • die Ober­bür­ger­meis­terin von Flensburg Simone Lange + der Ober­bür­ger­meister von Bautzen Alex­ander Ahrens als Duo
  • Nie­der­sachsens Innen­mi­nister Boris Pis­torius + Sachsens Inte­gra­ti­ons­mi­nis­terin Petra Köpping
  • die beiden Bun­des­tags­ab­ge­ord­neten Nina Scheer + Karl Lau­terbach
  • Europa-Staats­mi­nister Michael Roth + die ehe­malige nord­rhein-west­fä­lische Fami­li­en­mi­nis­terin Christina Kampmann
  • Bun­des­fi­nanz­mi­nister Olaf Scholz + Part­nerin, die noch gesucht wird
  • die mehrfach bei der Bun­des­prä­si­den­tenwahl geschei­terte Gesine Schwan + der schleswig-hol­stei­nische Frak­ti­ons­vor­sit­zende Ralf Stegner (siehe Titelbild)
  • und einige weitere.

Die SPD habe sich „in in weiten Teilen von der Lebens­wirk­lichkeit, den Sorgen und Nöten der Men­schen völlig ent­fernt“, sagte der Ex-Bür­ger­meister von Neu­kölln Heinz Busch­kowsky schon vor einem Jahr. Sie sei eine Klug­schei­ßer­partei“ geworden. Busch­kowsky ist zusammen mit Thilo Sar­razin einer der wenigen, die sich ihren Rea­li­tätssinn bewahrt haben. Doch solche Leute will die SPD am liebsten los­werden. Gegen Sar­razin läuft Par­tei­aus­schluss­ver­fahren auf Par­tei­aus­schluss­ver­fahren und auf Busch­kowsky hört sie schon lange nicht mehr.
Wie die SPD sich selbst abschafft
Nein, diese Partei scheint nicht mehr gerettet werden zu können. Hans-Hermann Tiedje schrieb schon vor drei Monaten in der NZZ:
»Die SPD, Mutter und Anker der deut­schen Demo­kratie, ist erledigt. Nach Kanzler Gerhard Schröder fand sie keine Ant­worten mehr auf die Fragen der Zeit. Heute ist die einst so selbst­ge­wisse Sozi­al­de­mo­kratie ohne Fas­zi­nation für junge Leute, ohne Kon­zepte für morgen. Und die jün­geren Kräfte, die jetzt den Ton angeben, erwecken immer öfter den Anschein von Imbe­zil­lität. In ihrer Welt gibt es nur Regu­lierung, Früh­pen­sio­nierung, Miet­preis­deckel, mehr Staats­kon­trolle, und neu­er­dings (in Berlin) erheben sie For­de­rungen wie jene nach der Ent­eignung von Woh­nungs­kon­zernen oder dem Verbot des Auf­tritts von Bun­des­wehr­of­fi­zieren an Schulen … 

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Wie nennt man die Krankheit, unter der die SPD leidet? Phthisis. Zu Deutsch Schwind­sucht, all­tags­sprachlich Schwund. Seit vielen Jahren ist die SPD beleidigt, weil der deutsche Wähler sie nicht mehr lieb hat. Bei Lichte betrachtet, defi­niert sich die Partei als eine Art poli­ti­scher Arm der evan­ge­li­schen Kirche. Die stei­genden Zahlen der Kir­chen­aus­tritte und die sin­kenden Werte der SPD kor­re­lieren. Die SPD-Führung ist erkennbar unfähig zum Umsteuern. (…)
Die alt­ba­ckene SPD hat völlig den Kompass ver­loren. Sie enga­giert sich für das Schicksal von ver­ur­teilten Laden­dieben, für die Ein­richtung von Gen­der­toi­letten, für Straf­freiheit von Schwarz­fahrern und das Taschengeld für richtige oder falsche Asyl­be­werber. (…) Man stelle sich vor, der Fäl­scher Claas Relotius wäre SPD-Chef: Da würde die Rea­lität eben­falls aus­ge­blendet, aber wenigstens die Sprache würde stimmen (mehrfach preis­ge­krönt). Die reale Partei aber macht in schlechtem Deutsch pau­senlos Vor­schläge, die viel Geld kosten – dies ange­sichts einer sich ver­schlech­ternden Welt­kon­junktur und tech­no­lo­gi­scher Ver­än­de­rungen, denen der deutsche Mit­tel­stand mög­li­cher­weise nicht lange gewachsen ist. Die Wähler merken das. So schafft die SPD sich weiter ab
Da geht noch mehr
Die Selb­st­ab­schaffung ist wohl das Einzige, was diese Partei wirklich noch gut hin­be­kommt. Das muss man ihr lassen. In NRW von 40 auf 18 Prozent in nicht mal zwei­einhalb Jahren. Alle Achtung. Aber ich bin sicher: Da geht noch mehr, Genossen!

Jürgen Fritz — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog des Autors www.juergenfritz.com