Recep Tayyip Erdoğan Resmî Flickr Hesabı - CC0 1.0

Streit um S‑400: Neue Dro­hungen von USA und Türkei gegeneinander

Der Streit zwi­schen den USA und der Türkei geht weiter. Zwi­schen den Nato-„Partnern“ werden immer neue Dro­hungen ausgetauscht.
Ich habe immer wieder über das Problem berichtet. Die Türkei hat, nachdem die USA sich unter Obama geweigert haben, ihr Patriot-Flug­ab­wehr­ra­keten zu ver­kaufen, das hoch­mo­derne rus­sische Flug­ab­wehr­system S‑400 gekauft. Das gilt derzeit als das weltweit beste System und kann auch Tarn­kap­pen­flug­zeuge zer­stören. Und genau da liegt das Problem, denn die in der Türkei sind die Tarn­kap­pen­flug­zeuge vom Typ F‑35 der USA sta­tio­niert. Nachdem die Türkei die ersten S‑400 geliefert bekommen hat, besteht nun die Gefahr, dass diese Systeme die F‑35 aus nächster Nähe beob­achten können, was die F‑35 ver­wundbar macht, wenn die Russen die dabei gewon­nenen Daten aus­werten können. Und das ist zu erwarten, denn wie üblich sind mit dem neuen Waf­fen­system auch die rus­si­schen Aus­bilder in die Türkei gekommen, um die Türken in das System einzuweisen.
Die USA konnten trotz allen Drucks, den sie auf die Türkei aus­geübt haben, nicht ver­hindern, dass die S‑400 aus­ge­liefert wird. Wie ver­zweifelt die USA sind, zeigte sich am Freitag wieder. US-Außen­mi­nister Pompeo for­derte von der Türkei allen Ernstes, dass sie das rus­sische System nicht in Betrieb nehmen dürfe. Das ist natürlich völlig unrea­lis­tisch, denn die Türkei hat schließlich nicht 2,5 Mil­li­arden Dollar für ein Waf­fen­system bezahlt, um es dann „im Schrank ver­stauben“ zu lassen. Aber diese US-For­derung zeigt einmal mehr, wie ver­zweifelt die USA sich gegen dieses System in der Türkei stemmen.
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Immerhin haben die USA die Türkei bereits aus dem Pro­gramm für die F‑35 geworfen. Auch das hat aber auf die Türken keinen Ein­druck gemacht, denn nachdem die USA bereits im Vorwege immer wieder damit gedroht haben, hat Russland bereits wissen lassen, dass man der Türkei auch gerne die neuen, hoch­mo­dernen SU-57 Jäger ver­kaufen würde, die das rus­sische Gegen­stück zur F‑35 dar­stellen, ihr jedoch auf allen Gebieten erschre­ckend deutlich über­legen sind.
Aber auch die Türkei bleibt nicht untätig. Als Reaktion auf die unfreund­lichen Gesten der USA hat die Türkei eben­falls am Freitag mit­ge­teilt, sie denke über eine Stor­nierung eines Groß­auf­trages an Boeing nach. Turkish Air­lines ist ein wich­tiger Kunde von Boeing und aktuell geht es um einen Vertrag in Höhe von 10 Mil­li­arden Dollar, den die Türkei mög­li­cher­weise stor­nieren könnte. Das würde für Boeing zur Unzeit kommen. Boeing hat ohnehin schon genug Pro­bleme mit der 737. Und auch Lockheed Martin, der Her­steller der F‑35 dürfte nicht glücklich sein, denn mit dem Aus­schluss der Türkei aus dem Pro­gramm geht eine tür­kische Bestellung über bis zu 100 Flug­zeuge ver­loren, und das bei einem Jäger, der weit über 100 Mil­lionen pro Stück kostet.
Es ist also zu erwarten, dass die US-Flug­zeug­industrie in Washington Druck auf die Regierung auf­bauen wird, was diese nicht ohne wei­teres igno­rieren kann. Auch wenn die Türkei in dem Streit klar der schwä­chere Kon­trahent ist, kann sie den USA trotzdem eine Menge Kopf­schmerzen bereiten.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“