Bei den bekannten Fakten ist es einfach. Es gab mehrere Explosionen in der Raffinerie und offensichtlich wurde sie von irgendetwas getroffen, seien es Drohnen oder Raketen. Mehr ist nicht bekannt.
Die Huthi-Rebellen haben sich zu dem Anschlag bekannt. Saudi-Arabien führt seit Jahren einen blutigen Krieg gegen den Jemen, bei dem die Saudis immer wieder Zivilisten bombardieren, ohne dafür vom Westen kritisiert zu werden, im Gegenteil: Die USA unterstützen Saudi-Arabien. Der Krieg ist auch eine Machtprobe zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, die in der Region Konkurrenten um die regionale Vorherrschaft sind. Mit dem offenen Krieg im Jemen wollten die Saudis den Einfluss des Iran zurückdrängen, der Iran wiederum unterstützt die sogenannten Huthi-Rebellen.
Die erste wichtige Frage ist also, ob die Huthis die Raffinerie überhaupt angegriffen haben und wenn ja, wie das geschehen ist. Immerhin liegt die Raffinerie gut 1.000 Kilometer vom Jemen entfernt, nahe der Grenze zu Bahrain. Man kann also bezweifeln, dass die Huthis vom Jemen aus den Angriff durchgeführt haben. Das liegt zum Einen daran, dass es technisch eine Herausforderung ist, mit selbst gebastelten Drohnen diese Entfernung zurückzulegen und ein Ziel zu treffen. Noch wichtiger aber ist etwas anderes: Dort ist ein Kriegsgebiet und ganz sicher wird es sehr eng mit dem Radar überwacht. Solche Flugkörper wären der saudischen Flugabwehr sicherlich aufgefallen und man hätte genug Zeit gehabt, sie abzuschießen.
Die USA haben sofort den Iran beschuldigt. Interessant ist die Begründung: Außenminister Pompeo teilte mit, dass es der Iran gewesen sein müsse, weil es keine Beweise dafür gibt, dass die Angriffe aus dem Jemen kamen. Das ist die übliche US-Logik am persischen Golf: „Wir wissen nicht, wer es war, also war es der Iran“.
Daher kamen Meldungen auf, der Angriff sei in Wirklichkeit aus dem Nordosten erfolgt, also aus dem Iran. Sicher hätte der Iran die technischen Möglichkeiten dazu. Aber die Lage in der Region ist hochexplosiv und sicher ist die Luftüberwachung in der Region sehr aktiv. Man muss sich also fragen, warum kein Radar etwas aus dem Iran hat anfliegen sehen, obwohl Saudi-Arabien über moderne Technik verfügt und auch die US-Truppen vor Ort ihre Radaranlagen sicher nicht ausgeschaltet haben, sondern die Region genau überwachen.
Allein die Tatsache, dass niemand Flugobjekte auf dem Radar gesehen hat, die einige hundert oder sogar eintausend Kilometer weit fliegen mussten, um ihr Ziel zu erreichen, kann in meinen Augen nur bedeuten, dass der Angriff anders durchgeführt wurde. Saudi-Arabien ist ein dünn besiedeltes Gebiet, da hätte jemand auch mit selbst gebastelten Drohnen (die Technik ist bei allen Terrorgruppen im Nahen Osten bekannt und wird benutzt) aus der Wüste in ein paar Kilometern Entfernung einen solchen Angriff durchführen können.
Bleibt die Frage, wer es war.
Wenn man sich die Frage stellt, wem der Angriff nützt, dann kommen fast alle Beteiligten in Frage. Der Iran will zwar keinen offenen Krieg und würde so einen Angriff kaum selbst durchführen, aber dass er die Huthis mit Know-How versorgt, damit die den Angriff durchführen, ist denkbar. Saudi-Arabien zu ärgern würde dem Iran sicher gefallen.
Auch die Huthis kommen natürlich in Frage, sie können einen solchen Angriff organisiert haben. Auch ohne Hilfe des Iran.
Aber es gibt noch andere, die davon profitieren.
In den USA gibt es Kräfte, die einen Krieg gegen den Iran wollen. Der Machtkampf hinter den Kulissen in Washington ist dabei nicht zu übersehen und auch wenn Trump seinen Sicherheitsberater Bolton gerade gefeuert hat, gibt es einflussreiche Kräfte in Washington, die eine Zuspitzung der Lage am Golf freuen würde.
Trump ist zwar sehr gegen den Iran eingestellt, aber will unbestritten keinen Krieg. Allerdings hat Trump sich verrechnet, als er dachte, er könne den Iran mit Sanktionen zu irgendetwas bewegen. Während Trump in den letzten Wochen immer wieder signalisiert hat, er würde gerne ohne Vorbedingungen mit dem iranischen Präsidenten reden, sind die Signale aus Teheran eindeutig: Solange die USA nicht alle Sanktionen aufheben und wieder das Atomabkommen einhalten, gibt es nichts zu besprechen. Wozu mit Leuten sprechen, die geschlossene Verträge nicht einhalten?
Aber es gibt noch jemanden, der von dem Vorfall profitieren würde. In Israel sind am heutigen Dienstag Wahlen und für Ministerpräsident Netanjahu geht es dabei um alles, denn sollte er die Wahl verlieren, droht ihm eine Anklage wegen Korruption. Und Israel hat kein Problem damit, einen ehemaligen Spitzenpolitiker ins Gefängnis zu stecken, wie die Affaire um den ehemaligen Ministerpräsidenten Olmert gezeigt hat, der aus dem gleichen Grund ins Gefängnis gewandert ist.
Netanjahu präsentiert sich als größter Gegner des Iran und wenn die Israelis den Iran als Gefahr wahrnehmen, profitiert davon bei der Wahl in erster Linie Netanjahu.
Was jedoch dagegen spricht, dass Kräfte aus den USA oder Israel den Angriff durchgeführt haben und dem Iran anhängen wollen, ist die Tatsache, dass sich die Huthis zu dem Angriff bekannt haben. Daher ist in meinen Augen und nach jetzigem Stand der Informationen die wahrscheinlichste These, dass es tatsächlich die Huthis waren, wahrscheinlich mit Komplizen innerhalb Saudi-Arabiens.
Aber natürlich ist das spekulativ, so wie alle derzeitigen Meldungen über mögliche Täter.
Bleibt noch die Frage, wie sich das auf die weltweite Ölversorgung auswirken könnte. Der Angriff hat Saudi-Arabiens Exportkapazitäten um die Hälfte reduziert, was immerhin bedeutet, dass fünf Prozent des weltweiten Ölbedarfs fehlen. Allerdings dürften die Auswirkungen nicht dramatisch sein, denn erstens haben alle möglicherweise betroffenen Länder strategische Ölreserven und zweitens könnten die Ölförderländer ihre Produktion erhöhen und den Ausfall kompensieren, wenn er länger andauern sollte.
Entsprechend entspannt haben die Märkte reagiert, zwar gab es nach dem Angriff eine Erhöhung des Ölpreises, die aber nicht als dramatisch zu bezeichnen ist. Die entscheidende Frage wird sein, wie lange Saudi-Arabien braucht, um die Schäden zu beheben und ob nicht noch andere, ähnliche Angriffe folgen.
Nachtrag: In der Nacht zu Mittwoch hat CBS gemeldet, dass die USA sich festgelegt haben. Sie beschuldigen den Iran und behaupten zu wissen, von wo der Angriff gestartet wurde. Demnach wurden Drohnen und Marschflugkörper vom Südiran im Norden des Persischen Golf abgefeuert. Das saudische Radar sei nach Süden ausgerichtet gewesen, weil es Angriffe von den Huthis im Süden erwartet habe. Daher habe es die Raketen aus dem Norden nicht bemerkt.
Hierzu mag jeder sein Meinung haben, aber dass die Saudis ihr Radar in der explosiven Situation in der Region nicht den Iran beobachten lassen, scheint mir sehr unwahrscheinlich.
Außerdem deckt Flugabwehrradar meines Wissens 360 Grad ab, sodass diese US-Erklärung komplett unglaubwürdig wäre. Aber vielleicht findet sich unter den Lesern jemand, der es besser weiß und mich über die Möglichkeiten moderner Flugabwehr aufklärt.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
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