Angriff auf sau­dische Raf­fi­nerie — Was sind die bekannten Fakten?

Am Wochenende wurde die größte Ölraf­fi­nerie Saudi-Ara­biens ange­griffen. Bekannte Fakten gibt es kaum, nur Anschul­di­gungen der USA gegen den Iran und ein Bekenntnis der Huthi-Rebellen im Jemen. Was sind die bekannten Fakten und wer pro­fi­tiert von dem Angriff?
Bei den bekannten Fakten ist es einfach. Es gab mehrere Explo­sionen in der Raf­fi­nerie und offen­sichtlich wurde sie von irgend­etwas getroffen, seien es Drohnen oder Raketen. Mehr ist nicht bekannt.
Die Huthi-Rebellen haben sich zu dem Anschlag bekannt. Saudi-Arabien führt seit Jahren einen blu­tigen Krieg gegen den Jemen, bei dem die Saudis immer wieder Zivi­listen bom­bar­dieren, ohne dafür vom Westen kri­ti­siert zu werden, im Gegenteil: Die USA unter­stützen Saudi-Arabien. Der Krieg ist auch eine Macht­probe zwi­schen Saudi-Arabien und dem Iran, die in der Region Kon­kur­renten um die regionale Vor­herr­schaft sind. Mit dem offenen Krieg im Jemen wollten die Saudis den Ein­fluss des Iran zurück­drängen, der Iran wie­derum unter­stützt die soge­nannten Huthi-Rebellen.
Die erste wichtige Frage ist also, ob die Huthis die Raf­fi­nerie über­haupt ange­griffen haben und wenn ja, wie das geschehen ist. Immerhin liegt die Raf­fi­nerie gut 1.000 Kilo­meter vom Jemen ent­fernt, nahe der Grenze zu Bahrain. Man kann also bezweifeln, dass die Huthis vom Jemen aus den Angriff durch­ge­führt haben. Das liegt zum Einen daran, dass es tech­nisch eine Her­aus­for­derung ist, mit selbst gebas­telten Drohnen diese Ent­fernung zurück­zu­legen und ein Ziel zu treffen. Noch wich­tiger aber ist etwas anderes: Dort ist ein Kriegs­gebiet und ganz sicher wird es sehr eng mit dem Radar über­wacht. Solche Flug­körper wären der sau­di­schen Flug­abwehr sicherlich auf­ge­fallen und man hätte genug Zeit gehabt, sie abzuschießen.

Die USA haben sofort den Iran beschuldigt. Inter­essant ist die Begründung: Außen­mi­nister Pompeo teilte mit, dass es der Iran gewesen sein müsse, weil es keine Beweise dafür gibt, dass die Angriffe aus dem Jemen kamen. Das ist die übliche US-Logik am per­si­schen Golf: „Wir wissen nicht, wer es war, also war es der Iran“.

Daher kamen Mel­dungen auf, der Angriff sei in Wirk­lichkeit aus dem Nord­osten erfolgt, also aus dem Iran. Sicher hätte der Iran die tech­ni­schen Mög­lich­keiten dazu. Aber die Lage in der Region ist hoch­ex­plosiv und sicher ist die Luft­über­wa­chung in der Region sehr aktiv. Man muss sich also fragen, warum kein Radar etwas aus dem Iran hat anfliegen sehen, obwohl Saudi-Arabien über moderne Technik verfügt und auch die US-Truppen vor Ort ihre Radar­an­lagen sicher nicht aus­ge­schaltet haben, sondern die Region genau überwachen.
Allein die Tat­sache, dass niemand Flug­ob­jekte auf dem Radar gesehen hat, die einige hundert oder sogar ein­tausend Kilo­meter weit fliegen mussten, um ihr Ziel zu erreichen, kann in meinen Augen nur bedeuten, dass der Angriff anders durch­ge­führt wurde. Saudi-Arabien ist ein dünn besie­deltes Gebiet, da hätte jemand auch mit selbst gebas­telten Drohnen (die Technik ist bei allen Ter­ror­gruppen im Nahen Osten bekannt und wird benutzt) aus der Wüste in ein paar Kilo­metern Ent­fernung einen solchen Angriff durch­führen können.
Bleibt die Frage, wer es war.
Wenn man sich die Frage stellt, wem der Angriff nützt, dann kommen fast alle Betei­ligten in Frage. Der Iran will zwar keinen offenen Krieg und würde so einen Angriff kaum selbst durch­führen, aber dass er die Huthis mit Know-How ver­sorgt, damit die den Angriff durch­führen, ist denkbar. Saudi-Arabien zu ärgern würde dem Iran sicher gefallen.
Auch die Huthis kommen natürlich in Frage, sie können einen solchen Angriff orga­ni­siert haben. Auch ohne Hilfe des Iran.
Aber es gibt noch andere, die davon profitieren.
In den USA gibt es Kräfte, die einen Krieg gegen den Iran wollen. Der Macht­kampf hinter den Kulissen in Washington ist dabei nicht zu über­sehen und auch wenn Trump seinen Sicher­heits­be­rater Bolton gerade gefeuert hat, gibt es ein­fluss­reiche Kräfte in Washington, die eine Zuspitzung der Lage am Golf freuen würde.
Trump ist zwar sehr gegen den Iran ein­ge­stellt, aber will unbe­stritten keinen Krieg. Aller­dings hat Trump sich ver­rechnet, als er dachte, er könne den Iran mit Sank­tionen zu irgend­etwas bewegen. Während Trump in den letzten Wochen immer wieder signa­li­siert hat, er würde gerne ohne Vor­be­din­gungen mit dem ira­ni­schen Prä­si­denten reden, sind die Signale aus Teheran ein­deutig: Solange die USA nicht alle Sank­tionen auf­heben und wieder das Atom­ab­kommen ein­halten, gibt es nichts zu besprechen. Wozu mit Leuten sprechen, die geschlossene Ver­träge nicht ein­halten?
Aber es gibt noch jemanden, der von dem Vorfall pro­fi­tieren würde. In Israel sind am heu­tigen Dienstag Wahlen und für Minis­ter­prä­sident Netanjahu geht es dabei um alles, denn sollte er die Wahl ver­lieren, droht ihm eine Anklage wegen Kor­ruption. Und Israel hat kein Problem damit, einen ehe­ma­ligen Spit­zen­po­li­tiker ins Gefängnis zu stecken, wie die Affaire um den ehe­ma­ligen Minis­ter­prä­si­denten Olmert gezeigt hat, der aus dem gleichen Grund ins Gefängnis gewandert ist.
Netanjahu prä­sen­tiert sich als größter Gegner des Iran und wenn die Israelis den Iran als Gefahr wahr­nehmen, pro­fi­tiert davon bei der Wahl in erster Linie Netanjahu.
Was jedoch dagegen spricht, dass Kräfte aus den USA oder Israel den Angriff durch­ge­führt haben und dem Iran anhängen wollen, ist die Tat­sache, dass sich die Huthis zu dem Angriff bekannt haben. Daher ist in meinen Augen und nach jet­zigem Stand der Infor­ma­tionen die wahr­schein­lichste These, dass es tat­sächlich die Huthis waren, wahr­scheinlich mit Kom­plizen innerhalb Saudi-Arabiens.
Aber natürlich ist das spe­ku­lativ, so wie alle der­zei­tigen Mel­dungen über mög­liche Täter.

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Bleibt noch die Frage, wie sich das auf die welt­weite Ölver­sorgung aus­wirken könnte. Der Angriff hat Saudi-Ara­biens Export­ka­pa­zi­täten um die Hälfte redu­ziert, was immerhin bedeutet, dass fünf Prozent des welt­weiten Ölbe­darfs fehlen. Aller­dings dürften die Aus­wir­kungen nicht dra­ma­tisch sein, denn erstens haben alle mög­li­cher­weise betrof­fenen Länder stra­te­gische Ölre­serven und zweitens könnten die Ölför­der­länder ihre Pro­duktion erhöhen und den Ausfall kom­pen­sieren, wenn er länger andauern sollte.
Ent­spre­chend ent­spannt haben die Märkte reagiert, zwar gab es nach dem Angriff eine Erhöhung des Ölpreises, die aber nicht als dra­ma­tisch zu bezeichnen ist. Die ent­schei­dende Frage wird sein, wie lange Saudi-Arabien braucht, um die Schäden zu beheben und ob nicht noch andere, ähn­liche Angriffe folgen.
Nachtrag: In der Nacht zu Mittwoch hat CBS gemeldet, dass die USA sich fest­gelegt haben. Sie beschul­digen den Iran und behaupten zu wissen, von wo der Angriff gestartet wurde. Demnach wurden Drohnen und Marsch­flug­körper vom Südiran im Norden des Per­si­schen Golf abge­feuert. Das sau­dische Radar sei nach Süden aus­ge­richtet gewesen, weil es Angriffe von den Huthis im Süden erwartet habe. Daher habe es die Raketen aus dem Norden nicht bemerkt.
Hierzu mag jeder sein Meinung haben, aber dass die Saudis ihr Radar in der explo­siven Situation in der Region nicht den Iran beob­achten lassen, scheint mir sehr unwahrscheinlich.
Außerdem deckt Flug­ab­wehr­radar meines Wissens 360 Grad ab, sodass diese US-Erklärung kom­plett unglaub­würdig wäre. Aber viel­leicht findet sich unter den Lesern jemand, der es besser weiß und mich über die Mög­lich­keiten moderner Flug­abwehr aufklärt. 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“