Chi­ne­sische Pro­pa­ganda oder Wahrheit? Unter­stützt der Westen aktiv die Pro­teste in Hongkong?

China und Hongkong machen seit Monaten Schlag­zeilen. Was steckt hinter den Pro­testen und was ist dran an dem chi­ne­si­schen Vorwurf, die Demons­tranten würden vom Westen unterstützt?
Ursprünglich rich­teten sich die Pro­teste gegen ein Gesetz, das die Aus­lie­ferung von Straf­täter an andere chi­ne­sische Regionen erlauben sollte. Grund war ein Tai­wanese, der in Taiwan wegen Mordes gesucht wurde und sich in Hongkong vor dem Straf­ver­fahren ver­steckt hatte. Die west­lichen Medien stellten es aber so dar, als wenn es um die Aus­lie­ferung von Regime­kri­tikern nach China ginge. Das Gesetz mag auch das ermög­licht haben, aber der Grund für das Gesetz war die Auf­for­derung aus Taiwan, den Mord­ver­däch­tigen aus­zu­liefern. Und Taiwan ist aus Sicht der USA doch eigentlich einer der „Guten“.
Trotzdem wurde das Gesetz als Grund für die Demons­tra­tionen her­an­ge­zogen. Selbst nachdem die Regierung in Hongkong das Gesetz wieder kas­siert hatte, gingen die Pro­teste weiter. Die Medien ver­mitteln nun den Ein­druck, es ginge im freie Wahlen und ähnliches.
Und hier sehen wir bereits bekannte Muster: Beim Maidan sei­nerzeit ging es ursprünglich nur um das Asso­zi­ie­rungs­ab­kommen. Aber schnell kamen – wie aus hei­terem Himmel – ganz viele andere For­de­rungen hinzu, die die ukrai­nische Regierung gar nicht erfüllen konnte und die auch von der fol­genden Maidan-Regierung nicht erfüllt worden sind. Aber der Putsch war pas­siert und die USA hatten ihr Ziel, eine Mario­net­ten­re­gierung in Kiew zu instal­lieren, erreicht.
Beim Maidan wissen wir heute, wie er finan­ziert und gesteuert wurde, denn die Orga­ni­sa­toren des Maidan sind „anständige Leute“, die nach ukrai­ni­schem Recht ihre Jah­res­be­richte ver­öf­fent­licht haben. Daher kann man genau sehen, wer sie mit welchen Summen finan­ziert hat. Und das waren vor allem die USA und Soros, aber auch Deutschland und die Nie­der­lande. Die Details inklusive Quellen finden Sie in meinem Buch über die Ukrai­ne­krise von 2014.
Auch in Moskau haben wir das gleiche Muster. Zuerst ging es bei den Pro­testen gegen die Nicht­zu­lassung von Kan­di­daten zur anste­henden Wahl. In Wahrheit ging es jedoch nie darum, die Kan­di­daten wollten gar nicht zuge­lassen werden. Ihnen ging es nur darum, mög­lichst viel Unruhe zu pro­vo­zieren und so die rus­sische Regierung, wenn schon nicht zu stürzen, aber wenigstens in Bedrängnis zu bringen und zu schwächen.
Dass diese Kan­di­daten nie zur Wahl zuge­lassen werden wollten, sieht man daran, dass sie kei­nerlei Rechts­mittel gegen die Ent­scheidung der Wahl­kom­mission ein­ge­leitet haben. Das Bei­spiel des ein­zigen echten Oppo­si­ti­ons­po­li­tikers unter den abge­lehnten Kan­di­daten, Mit­rochin von der pro west­lichen Partei Jabloko, zeigt, dass die Rechts­mittel funk­tio­niert haben. Mit­rochin trat auch bei der geneh­migten Großdemo in Moskau auf, aber er wollte eben – im Gegensatz zu den anderen „Kan­di­daten“ – auch wirklich gewählt werden. Und so legte er Rechts­mittel ein und da die Sit­zungen des Wahl­kom­mission live im Internet gestreamt werden, konnte jeder Inter­es­sierte zuschauen, wie das Ver­fahren ablief. Ergebnis: Mit­rochin wurde zur Wahl zuge­lassen und gewann auch einen Sitz im Mos­kauer Stadtparlament.
Die anderen Kan­di­daten jedoch gingen diesen Weg nicht, sie reifen zu unge­neh­migten Demons­tra­tionen auf und sorgten für Unruhe. Da das Thema „Nicht­zu­lassung zur Wahl“ nach dem Erfolg von Mit­rochin nicht mehr so gut funk­tio­niert hat, wurde nun angeb­liche Poli­zei­gewalt als Grund für die Pro­teste ausgerufen.
Dass die Mos­kauer Polizei kei­neswegs gewalt­tätig war, wen interessiert´s? Im Gegensatz zu Demos im Westen gab es keine Was­ser­werfer oder Gum­mi­ge­schosse, alles lief friedlich ab und die Poli­zisten haben sich auch nicht pro­vo­zieren lassen.
Die Par­al­lelen zu Hongkong sind also offen­sichtlich: Man sucht sich einen aktu­ellen Vorwand für Demons­tra­tionen und wenn die Regierung den angeb­lichen oder echten Miss­stand behebt, dann sucht man sich kur­zerhand einen neuen Grund, um weiter zu machen. Es geht dabei nicht um eine Sache, es geht darum, Unruhe zu stiften und im besten Fall eine Regierung von der Straße stürzen zu lassen.
Gerne genommen wird als Vorwand dabei Poli­zei­gewalt, auch wenn die Demons­tranten die Poli­zisten erst pro­vo­zieren müssen, bevor die reagieren. Wichtig sind die Bilder für die Tages­schau, die vor­an­stür­mende Poli­zisten zeigen, die danach Demons­tranten abführen. Die Vor­ge­schichte wird der Ein­fachheit halber weggelassen.
Das Muster gab es beim Maidan, aktuell in Moskau und bei vielen vor­he­rigen Anlässen, wenn dem Westen eine Regierung nicht gepasst hat. Und nun sehen wir das gleiche Muster in Hongkong.
Aber ist das alles Zufall oder vom Westen gesteuert?
Unsere Medien ver­breiten ja, dass das eine normale Ent­wicklung sei, die Men­schen seien so unzu­frieden und es habe sich so viel ange­staut, dass sie immer neue For­de­rungen stellen. Peking hin­gegen beschuldigt den Westen, und da vor allem die USA, aber auch Deutschland, sich in die inneren Ange­le­gen­heiten Chinas ein­zu­mi­schen und die Demons­tranten auf­zu­sta­cheln und zu unterstützen.
Das bestreitet der Westen natürlich kate­go­risch, so etwas würde er nie tun!
Das Problem ist, dass es viele Bilder gibt, auf denen zu sehen ist, wie die Orga­ni­sa­toren der Pro­teste in Hongkong sich mit Ver­tretern der US-Bot­schaft treffen. Wer das nicht schlimm findet, der sollte sich eine Frage stellen: Was wäre wohl in Deutschland los, wenn sich Mit­ar­beiter der chi­ne­si­schen Bot­schaft mit den Orga­ni­sa­toren von Pegida treffen und diese öffentlich unter­stützen? Die Bun­des­re­gierung würde heftig pro­tes­tieren und sich eine solche Ein­mi­schung in innere Ange­le­gen­heiten Deutsch­lands verbieten.
Aber warum sollte China ein solches Ver­halten akzeptieren?
Egal, geschenkt, denn das ist ja ohnehin nur „chi­ne­sische Propaganda“.
Oder doch nicht? Es gibt reichlich unbe­strittene Bei­spiele dafür, wie sich der Westen in Hongkong einmischt.
Im Juli war FDP-Chef Lindner in China und hat sich mit den Demons­tranten in Hongkong getroffen und ihnen öffentlich Mut gemacht. Dass sein Besuch in Peking dar­aufhin zum Fiasko wurde, weil die Chi­nesen über diese Ein­mi­schung nicht erfreut hat, konnten weder die deut­schen Medien, noch Lindern ver­stehen. Aber wie hätte man in Deutschland darauf reagiert, wenn sich ein chi­ne­si­scher Poli­tiker beim Deutsch­land­besuch zuerst mit Pegida oder den Mahn­wachen für den Frieden getroffen und denen Mut zuge­sprochen hätte, bevor er sich mit der Bun­des­re­gierung trifft? Das Treffen mit der Regierung wäre wahr­scheinlich empört angesagt worden.
In den USA wurden gerade mal wieder Gesetz­ent­würfe in Senat und Kon­gress ein­ge­bracht, die die Pro­teste offen unter­stützen sollen und auch Sank­tionen gegen Ver­treter Chinas ermög­lichen würden. Was ist das, wenn keine offene Ein­mi­schung der USA?
Natürlich werden solche Klei­nig­keiten im Spiegel nicht erwähnt, da wird es genau anders herum dargestellt:

„Tau­sende Pro­tes­tie­rende in Hongkong sind vor das US-Kon­sulat gezogen und riefen US-Prä­sident Donald Trump zu einer Befreiung der Stadt auf. Sie schwenkten das Ster­nen­banner, stimmten die US-Natio­nal­hymne an und ver­langten auf Pla­katen mehr Demo­kratie. Sie for­derten dabei Unter­stützung von den USA: „Kämpft für die Freiheit, steht an der Seite Hong­kongs“, riefen Demons­tranten, die dem US-Kon­sulat eine Petition übergaben.“

Wie kommen Demons­tranten, die ursprünglich nur gegen ein Aus­lie­fe­rungs­gesetz demons­triert haben, plötzlich dazu, mit US-Fahnen durch die Stadt zu ziehen? Im übrigen hat der Spiegel Ursache und Wirkung ein wenig „ver­wechselt“, denn das Gesetz, um das es geht, der Hong Kong Human Rights and Demo­cracy Act, wurde seit 2017 immer wieder in Washington ein­ge­bracht und pünktlich zum nächsten Versuch, das Gesetz endlich durch­zu­setzen, gibt es hübsche Bilder von Demons­tranten mit US-Fahnen, die vor dem US-Kon­sulat die US-Hymne singen. Rührend und sicher nicht ohne Wirkung in den USA.
Ist ein so gutes Timing Zufall? Oder viel­leicht doch koordiniert?
Zumal das Gesetz, wenn es in den USA ange­nommen wird, sicher zu einer chi­ne­si­schen Reaktion führen würde, zum Bei­spiel zu einer Ein­schränkung der Wirt­schafts­be­zie­hungen zwi­schen Hongkong und den USA. Damit wäre sicher nie­mandem geholfen. Daher hat nun sogar die Regie­rungs­chefin von Hongkong die USA ermahnt, sich nicht in innere Ange­le­gen­heiten Hong­kongs einzumischen.
Wir lernen in unseren Medien auch immer, dass es so repressiv in Hongkong zugeht. Aus dem Bei­spiel der Demos in Moskau weiß ich aus eigener Erfahrung, wie gerne sich die Medien so etwas wie Poli­zei­gewalt nur aus­denken. Und auch aus China habe ich reichlich Material gesehen, auf dem zu sehen war, wie die Demons­tranten ran­da­liert haben.
Ich kann kein Chi­ne­sisch und habe keine eigenen Quellen in Hongkong, aber ich kann logisch denken: Wenn China in Hongkong so repressiv wäre und die Demons­tranten unter­drückt und gewaltsam gegen sie vorgeht, warum werden die Orga­ni­sa­toren dann nicht ver­haftet und min­destens solange weg­ge­sperrt, bis sich die Lage beruhigt hat?
Statt­dessen ist der berühm­teste Orga­ni­sator der Pro­teste, Joshua Wong, gerade in Berlin ange­kommen und hat sogar sofort einen Termin beim deut­schen Außen­mi­nister bekommen und wurde auch gleich zu einem Empfang bei der „Bild“ eingeladen.

Der 22-jährige bekommt also die größte mediale Unter­stützung, die Deutschland zu bieten hat und sicher werden die Demons­tranten in Hongkong diese Mel­dungen ver­breiten und die große deutsche Unter­stützung für sich dort öffent­lich­keits­wirksam nutzen.
Natürlich ist China wieder sauer und hat heftig gegen diese offen­sicht­liche Ein­mi­schung in seine inneren Ange­le­gen­heiten durch Deutschland pro­tes­tiert. Wieder zum Ver­gleich: Wie würden wohl die deut­schen Medien und Poli­tiker reagieren, wenn die Orga­ni­sa­toren von Pegida in Peking derart hofiert würden, wie Wong in Berlin?
Fazit: Ohne alle Details über chi­ne­sische Ver­samm­lungs­ge­setze und die Situation in Hongkong zu kennen, kann man sicher sagen, dass China Recht hat, wenn es dem Westen Ein­mi­schung in seine inneren Ange­le­gen­heiten vor­wirft. Das muss man nicht dis­ku­tieren, es geschieht ja in aller Öffent­lichkeit. Was darüber hinaus noch hinter den Kulissen abläuft, mag man sich kaum vor­stellen. Aber sichtbar ist nur die Spitze des Eisberges.
Das kann jeder anhand des Bei­spiels Maidan erkennen: Öffentlich zu sehen waren damals, wie heute, ein paar west­liche Poli­tiker, die dem Maidan Mut zuge­sprochen und dort Brötchen ver­teilt haben. Aber über wie viele west­liche Kanäle, aus Bot­schaften und über NGOs der Maidan finan­ziell und orga­ni­sa­to­risch unter­stützt wurde, ist kaum zu überblicken.
Es gibt keinen Grund, dass es in Hongkong anders sein sollte, zumal wieder die „üblichen Ver­däch­tigen“ in Erscheinung treten.
Und wie umfang­reich die Unter­stützung der Pro­teste in Hongkong durch NGOs ist, kann man nur raten. Aber ein offener Brief von gibt einen ersten Ein­blick. Er wurde von sage und schreibe 74 pro-west­lichen NGOs unter­zeichnet, was zeigt, wie enga­giert der Westen – und allen voran – die USA dort sind. Zumal einige der NGOs, die den Brief unter­zeichnet haben, kom­plett von west­lichen Staaten finan­ziert und gesteuert werden. Viel­leicht gilt das auch für alle anderen Unter­zeichner, ich konnte nicht alle über­prüfen, aber einige der „üblichen Ver­däch­tigen“ habe ich auch auf dieser Liste sofort gefunden.
 


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“