FridaysForFuture Deutschland Bild: Fridays for Future - 25.01.2019 in Berlin © Jörg Farys / WWF - https://www.flickr.com/photos/161768312@N07/46820422932/ - CC BY 2.0

Dis­kus­si­ons­beitrag: Warum die Fridays for Future den Eliten nützen

Ich möchte hier eine These über den Hype um Greta und die Fridays for Future zur Dis­kussion stellen. Sie wird pro­vokant sein, aber genau das kann ja auch zu einer sehr frucht­baren Dis­kussion führen. 
Das alte Prinzip „divide et impera“, also „teile und herrsche“, haben schon die alten Römer erfunden. Und es hat funk­tio­niert. Die Men­schen sind so gestrickt, dass sie etwas, das funk­tio­niert, auch benutzen und es immer weiter ver­feinern. Die Briten haben Indien mit wenigen Tausend Sol­daten beherrscht, weil sie dieses Prinzip ange­wendet haben. Sie haben die Kon­flikte und Strei­tig­keiten zwi­schen den vielen kleinen Maha­ra­dschas in Indien befeuert, damit die mit sich selbst beschäftigt waren und sich nicht gegen die Kolo­ni­al­macht zusam­mentun konnten.
Und als die Arbei­ter­be­wegung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahr­hun­derts zu einer Macht wurde, die eine poten­zi­ellen Gefahr für die Groß­ka­pi­ta­listen zu werden drohte, haben diese die Arbei­ter­be­wegung gespalten, indem sie Firmen-Sport­vereine wie Bayer Lever­kusen gegründet haben, die gegen die Vereine anderer Firmen ange­treten sind. Plötzlich fühlten die Arbeiter sich nicht mehr als „Arbei­ter­klasse“, sondern als Anhänger ihres Firmen-Vereins gegen den Verein der anderen Firma. Das ist keine Ver­schwö­rungs­theorie, sondern in den wis­sen­schaft­lichen Fach­rich­tungen, die sich mit Phä­no­menen der Mas­sen­psy­cho­logie beschäf­tigen, Stand der Wis­sen­schaft. Pro­fessor Mausfeld zum Bei­spiel hat das sehr anschaulich in seinen Vor­trägen aufgezeigt.
Später wurde die „Klasse“ der Ange­stellten geschaffen, eine weitere Abspaltung von der ursprüng­lichen „Arbei­ter­klasse“.
Die in den west­lichen Demo­kratien geför­derte Indi­vi­dua­lität pro­du­ziert immer mehr solcher Abspal­tungen: Frauen gegen Männer, wenn es um Gleich­be­rech­tigung geht. Alte gegen Junge in der Ren­ten­de­batte. Familien mit Kindern gegen Kin­derlose, Homo­se­xuelle gegen Hete­ro­se­xuelle, Links gegen Rechts und so weiter und so fort. Nun gibt es sogar die neue „Gen­der­de­batte“ mit nicht mehr zwei Geschlechtern, sondern angeblich über 60. Ein gigan­ti­sches Potenzial für die zukünftige Nutzung des Prinzips „teile und herrsche“.
All diese Dinge, die auch in den Medien ständig befeuert werden, sind in meinen Augen Instru­mente für das Prinzip „teile und herrsche“. Man beschäftigt die Gesell­schaft mit Kon­flikten innerhalb der Gesell­schaft, damit sich die Gesell­schaft nicht gegen die „Herr­schenden“ zusam­mentun kann.
Das merke ich besonders deutlich, weil ich nicht mehr im Westen wohne und daher mit großem Abstand auf all diese – in meinen Augen – künstlich geschaf­fenen Debatten schauen kann. In Russland gibt es keine dieser Debatten.
Die Frau­en­be­wegung gibt es in Russland nicht. Es gibt aus­rei­chend Kitas, Kind und Beruf sind relativ leicht unter einen Hut zu bringen und wie ich hier auf­ge­zeigt habe, beträgt der Anteil von Frauen in Füh­rungs­po­si­tionen in Russland fast 40 Prozent und ist einer der höchsten in Europa. Und das ganz ohne Frau­en­quoten und ohne einen „Geschlech­ter­kampf“. Auch gibt es in Russland keine Neid­de­batten zwi­schen kin­der­reichen und kin­der­losen Familien, die kin­der­reichen Familien werden gefördert und alle finden das völlig in Ordnung. Russland ist eines der wenigen Länder in Europa, das seine demo­gra­fi­schen Pro­bleme weit­gehend im Griff und eine positive Gebur­tenrate erreicht hat, weil es die staat­liche För­derung von Kindern refor­miert hat und ein Kind kein Armuts­risiko bedeutet. Natürlich kosten Kinder auch in Russland Geld, aber das Vor­han­densein von Kitas und eine auf die Kinder aus­ge­richtete staat­liche För­derung hat den nega­tiven demo­gra­fi­schen Trend, der über 20 Jahre vor­ge­herrscht hat, beendet.
Homo­se­xuelle werden in Russland trotz aller Legenden der west­lichen Presse in Russland nicht ver­folgt. Aber es wird eben auch keine gesell­schaft­liche Debatte daraus gemacht. Wenn einer schwul ist, ist er eben schwul und damit ist die Sache erledigt. Über die Lage von Homo­se­xu­ellen in Russland habe ich hier aus­führlich geschrieben. Und wenn ich Russen von der Gen­der­de­batte im Westen erzähle, glauben sie, ich wollte sie auf den Arm nehmen. Das rus­sische Fern­sehen hat darüber mal sehr ungläubig berichtet.
Eine besondere Form des Prinzips „teile und herrsche“ ist die Ren­ten­de­batte, bei der die Jungen, die hohe Bei­träge zahlen müssen, gegen die Alten in Stellung gebracht werden, die hohe Renten bekommen. Nur ist diese Debatte aus den deut­schen Medien ver­schwunden, denn die Zeit, als es in Deutschland noch hohe Renten gab, ist längst vorbei. Heute ist Alters­armut in den Vor­der­grund gerückt.
Aber die Älteren unter uns werden sich noch erinnern. Vor einigen Jahren konnte man in den deut­schen Medien regel­mäßig von dem Kon­flikt „Jung gegen Alt“ lesen. Ich habe diese Medi­en­de­batte nie ver­standen, denn ich habe meiner Oma und meinem Opa ihre Rente immer gegönnt. Und auch meinen Eltern gönne ich ihre Rente, wobei es da heute ja nichts mehr zu „gönnen“ gibt, bei dem, was sie an Rente bekommen. Jeden­falls war ich da nie nei­disch, ich weiß nicht, wie es Ihnen dabei gegangen ist.
Natürlich habe ich mich immer über hohe Steuern und Abgaben geärgert, als ich noch in Deutschland gewohnt habe. Aber der Beitrag zur Ren­ten­ver­si­cherung war da nie mein Hauptproblem.
Und auch in meinem Bekann­ten­kreis kann ich mich nicht erinnern, dass der angeb­liche Kon­flikt zwi­schen „Jung und Alt“ jemanden berührt hätte. Aber die Medien haben immer wieder darüber berichtet, über Jahr­zehnte war es ein Thema in den Medien.
Nun nicht mehr. Im Gegenteil: Heute ärgern sich die jungen Men­schen, dass sie für den immer noch genauso hohen Beitrag zur Ren­ten­ver­si­cherung kaum noch eine Rente bekommen werden. Es findet also eher eine Soli­da­ri­sierung zwi­schen „Jung und Alt“ statt, wenn die Jungen sich über hohe Bei­träge ärgern und sehen, dass die Alten dafür nicht einmal eine men­schen­würdige Rente bekommen.
Wenn man der Logik von „teile und herrsche“ folgt, dann ist eine solche Situation der größte anzu­neh­mende Unfall: Die Gesell­schaft wird nicht gespalten, sondern geeint und der gemeinsame Ärger könnte sich gegen die „Herr­schenden“ richten. Das ist nach der Logik von „teile und herrsche“ gar nicht gut.
Da aber die Ren­ten­frage nicht mehr als Spaltpilz zwi­schen Alt und Jung taugt (falls es denn über­haupt jemals mit diesem Thema funk­tio­niert hat), muss dringend etwas anderes her.
Wie also kann man in einer solchen Situation einen Keil zwi­schen die Gene­ra­tionen treiben?
Da ist es doch unglaublich prak­tisch, dass es die Fridays for Future gibt. Dort werfen die jungen Leute den älteren vor, ihre Zukunft zu zerstören.
Diese Bewegung lässt sich viel­fältig nutzen: Man bekommt die Men­schen dazu, für eine neue Steuer zu demons­trieren, was es in der Mensch­heits­ge­schichte wohl noch nie gab. Dass schon die Ein­führung von CO2-Zer­ti­fi­katen gezeigt hat, dass man das Problem nicht mit neuen Steuern und Abgaben lösen kann, wird ignoriert.
Und man bekommt ganz nebenbei einen neuen Kon­flikt zwi­schen „Jung und Alt“, nachdem die Rente (allein) als Reiz­thema nicht mehr funktioniert.

Jetzt dürften viele mich für einen Ver­schwö­rungs­theo­re­tiker halten. Aber es ist nicht zu über­sehen, dass die „Herr­schenden“ die Fridays for Future und die Greta-Bewegung nach Kräften unter­stützen. Und glaubt jemand ernsthaft, dass die „Herr­schenden“ plötzlich ihr Herz für die Umwelt ent­deckt haben? Wenn es so wäre, hätten sie längst ent­spre­chende Gesetze machen können, es bräuchte die Bewegung gar nicht.
Woran mache ich meine These, die „Herr­schenden“ unter­stützen die Greta-Bewegung, fest?
In Deutschland herrscht Schul­pflicht. Und die nimmt der deutsche Staat immer sehr ernst. Eltern, die ihre Kinder nicht zur Schule schicken, bekommen saftige Strafen. Und noch im Mai 2018 hat die deutsche Polizei an Flug­häfen Familien auf­ge­lauert, die mit ihren Kindern ein paar Tage vor Feri­en­beginn in den Urlaub fliegen wollten. Der Staat ver­steht beim Thema Schul­pflicht nor­ma­ler­weise keinen Spaß. 
Aber die Fridays for Future dürfen statt­finden, kein Polizist und kein Jugendamt besucht die Eltern der Schule schwän­zenden Kinder, niemand löst die Demos auf und bringt die Kinder zurück in die Klas­sen­räume. Würden die Kids während der Schulzeit jede Woche – sagen wir mal – gegen Ram­stein oder Aus­lands­ein­sätze der Bun­deswehr demons­trieren, wäre der Spuk schnell vorbei, obwohl das ja auch durchaus gute Ziele sind.
Greta selbst wird von den Mäch­tigen der Welt emp­fangen, das wäre bei der Frie­dens­be­wegung auch undenkbar. Wenn die „Herr­schenden“ etwas gut finden, wenn es ihnen nützt und es in ihre Agenda passt, dann fördern sie es. Wenn ihnen etwas nicht gefällt, bekämpfen sie es. Und die Fridays for Future werden nicht bekämpft, sondern von allen Seiten unterstützt.
Ich will nicht darüber spe­ku­lieren, warum die Fridays for Future den „Herr­schenden“ gefallen und welche Ziele sie ver­folgen, wenn sie diese Bewegung über alle Kanäle fördern, seien es positive Medi­en­be­richte, Unter­stützung durch fast alle Poli­tiker der eta­blierten Par­teien, medi­en­wirksame Audi­enzen für Greta bei allen wich­tigen welt­weiten Kon­fe­renzen, wie in Davos oder bei der UNO, und so weiter. Über die Gründe soll sich jeder seine eigenen Gedanken machen. Ich stelle nur das Offen­sicht­liche fest: Die Greta-Bewegung wird von den Mäch­tigen dieser Welt massiv gepusht.

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Und ein posi­tiver Neben­effekt für die Eliten, wenn auch sicherlich nicht der Haupt­grund für die massive Unter­stützung, ist nun einmal, dass man einen neuen künstlich erschaf­fenen Kon­flikt zwi­schen „Jung und Alt“ in die Gesell­schaft tragen kann.
So funk­tio­niert das Prinzip „teile und herrsche“ und da in Deutschland inzwi­schen mehr als die Hälfte der Men­schen das Ver­trauen in die deutsche Form der Demo­kratie ver­loren haben, ist es für die „Herr­schenden“ umso wich­tiger, dass die Gesell­schaft mit sich selbst beschäftigt ist, anstatt echte Ver­än­de­rungen zu fordern.
PS: Ich äußere mich in diesem und auch anderen Artikeln nicht zum Thema Kli­ma­wandel, davon ver­stehe ich zu wenig, um einen fun­dierten Artikel zu schreiben. Dafür gibt es andere Experten. Daher gehe ich auch auf etwaige Ver­suche, das Thema mit mir zu dis­ku­tieren, nicht ein. Ich äußere mich zu Themen, von denen ich etwas ver­stehe und schweige zu Themen, von denen ich zu wenig verstehe.
Ich ana­ly­siere in meinen Artikeln, wie Medien und Politik das Thema Kli­ma­wandel für ihre Zwecke instrumentalisieren.

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“