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Euro­päische Träume vs. Massenmigration

Europa prä­sen­tiert sich als Vor­reiter bei der Einigung der Menschheit. Dadurch werden die kul­tu­rellen Wurzeln Europas gefährdet. Laut Pierre Manent, einem renom­mierten fran­zö­si­schen Poli­tik­wis­sen­schaftler und Pro­fessor an der Schule für Höhere Studien der Sozi­al­wis­sen­schaften in Paris: “Der euro­päische Stolz oder das euro­päische Selbst­be­wusstsein hängen von der Ablehnung der euro­päi­schen Geschichte und der euro­päi­schen Zivi­li­sation ab! Wir wollen nichts mit den christ­lichen Wurzeln zu tun haben und wir wollen den Islam unbe­dingt voll­kommen will­kommen heißen”.
(von Giulio Meotti)
Manent lie­ferte diese Worte der fran­zö­si­schen Monats­zeit­schrift Causeur. Als Bei­spiel nannte er die Türkei:

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“Es war sehr deutlich, dass sein massiv isla­mi­scher Cha­rakter (noch vor Erdogan) nicht nur kein Hin­dernis, sondern eine Art Motiv war, ein Grund, die Türkei in die EU zu bringen. Es wäre schließlich der end­gültige Beweis dafür gewesen, dass sich Europa von seiner christ­lichen Abhän­gigkeit gelöst und befreit hat”.
Die süd­liche Grenze Europas ist heute die Front­linie für diese Mas­sen­mi­gration; Italien droht zu diesem Flücht­lings­lager zu werden. In den letzten Monaten sah sich Italien einer Reihe von Booten aus Afrika gegenüber, die seine Politik in Frage stellten: zuerst die Sea Watch 3, dann die Open Arms und schließlich die Ocean Viking. Bis kurz vor den ita­lie­ni­schen Wahlen im März 2018 über­querten Migranten das Mit­telmeer mit einer Rate von 200.000 pro Jahr.
Da sich die euro­päi­schen Sicher­heits­mi­nister in der Mit­telmeer-Flücht­lings­krise nicht einigen konnten, ent­schied sich der ita­lie­nische Innen­mi­nister Matteo Salvini, der bereit war, sich prak­tisch alleine hin zu stellen, für die Schließung der ita­lie­ni­schen Häfen. Obwohl ita­lie­nische Gerichte ver­suchten, ihn wegen “Ent­führung” von Migranten anzu­klagen, funk­tio­nierte Sal­vinis Politik und die Anlan­dungen brachen ein. In den ersten beiden Monaten des Jahres 2019 erreichten 262 Mee­res­mi­granten Italien, ver­glichen mit 5.200 im gleichen Zeitraum des Vor­jahres und mehr als 13.000 im gleichen Zeitraum des Jahres 2017.
Die ita­lie­nische Regierung ist am 20. August zusam­men­ge­brochen; es besteht nun die große Chance, dass eine neue ein­wan­de­rungs­freund­liche linke Koalition an ihre Stelle tritt. Ein Schiff, das ver­sucht, 356 Migranten aus Afrika nach Italien zu bringen, mehr als alle, die in den ersten zwei Monaten gekommen sind, ist auf See gestrandet, seit es die Migranten zwi­schen dem 9. und 12. August auf­ge­griffen hat, während es auf die Geneh­migung zur Landung wartet. In einer Patt­si­tuation nach der anderen haben NGOs ver­sucht, die Bar­rikade Sal­vinis gegen die illegale Ein­wan­derung zu durchbrechen.
Ein Schiff hat es bereits getan. Die deutsche Staats­bür­gerin Pia Klemp, eine der Kapi­tä­ninnen der Sea Watch 3, wurde sogar von der Stadt Paris für das Durch­brechen der ita­lie­ni­schen Blo­ckade geehrt. Nach Angaben der anderen deut­schen Kapi­tänin Carola Rackete: “Mein Leben war einfach… Ich bin weiß, deutsch, in einem reichen Land geboren und mit dem rich­tigen Pass” — als ob ihre Ent­schlos­senheit, Migranten zu helfen, nach ihren eigenen Worten mit dem ver­gleichs­weise pri­vi­le­gierten Leben zusam­men­hängen würde, das sie im Westen gelebt hat.
Es gibt da eine falsche mar­xis­tische Vor­stellung unter den jungen Men­schen in Europa, dass, wenn man erfolg­reich ist oder angenehm lebt, dass dies nur auf Kosten der Menschheit geschehen kann: “Wenn ich gewinne, muss jemand anderes ver­lieren.” Es scheint über­haupt kein Konzept für “Win-Win” zu geben — “Wenn ich gewinne, könnt auch ihr alle anderen gewinnen: Jeder kann gewinnen!” — das einer freien Markt­wirt­schaft zugrunde liegt und auf diese Weise große Teile der Welt so spek­ta­kulär aus der Armut geholt hat. Viele der jungen Men­schen sehen nur Bar­rieren, die es zu über­winden gilt. Pascal Bruckner nannte es die “Tyrannei der Schuld”.
Leider ist der Preis für den kul­tu­rellen Rela­ti­vismus in Europa schmerzhaft sichtbar geworden. Der Zerfall der west­lichen Natio­nal­staaten ist jetzt eine echte Mög­lichkeit. Mul­ti­kul­tu­ra­lismus — auf­gebaut auf dem Hin­ter­grund von Bevöl­ke­rungs­rückgang, mas­siver Ent­chris­tia­ni­sierung und kul­tu­reller Selbst­ver­leugnung — ist nichts anderes als eine Über­gangs­phase, die zu einer Frag­men­tierung des Westens zu führen droht. Als Gründe dafür nannte der His­to­riker David Engels “Mas­sen­mi­gration, die Alterung der Bevöl­kerung, Isla­mi­sierung und die Auf­lösung von Nationalstaaten”.
Die Mas­sen­mi­gration hat bereits die Einheit und Soli­da­rität der west­lichen Gesell­schaften unter­graben und — kom­bi­niert mit der Dämo­ni­sierung Israels in der Hoffnung, preis­wertes Öl zu erhalten und Ter­ro­rismus zu ver­hindern — den poli­ti­schen Konsens nach 1945 destabilisiert.
Die Politik der offenen Türen von Bun­des­kanz­lerin Angela Merkel — “Wir schaffen das” — führte zu einer rechten Partei in ihrem Par­lament. Die Alter­native für Deutschland (AfD) führt nun die Wahlen bei den Land­tags­wahlen in der ehe­ma­ligen DDR an. Die Fran­zö­sische Sozia­lis­tische Partei, die das Land unter Prä­sident François Hol­lande regierte, ver­schwindet nun. Die Brüs­seler Diktate über Ein­wan­derung und Quoten haben die Einheit Europas zer­brochen und zur vir­tu­ellen “Abspaltung” der Visegrad-Länder (Polen, Ungarn, Tsche­chien, Slo­wakei) geführt. Die Migra­tions-Utopie in Schweden brachte eine popu­lis­tische rechte Partei ins Par­lament, und mit der Ankunft einer halben Million ille­galer Ein­wan­derer rückte die einst mar­ginale Liga von Matteo Salvini an die Spitze des ita­lie­ni­schen poli­ti­schen Establishments.
Diese Liste enthält noch nicht einmal Brexit, das bri­tische Votum, die EU zu ver­lassen. Laut dem deut­schen Jour­na­listen Jochen Bittner, der letztes Jahr in der New York Times schrieb:
“Ende 2015 begann die Leave-Kam­pagne mit dem Auf­hängen von Pla­katen, die den Exodus von Flücht­lingen aus Syrien und anderen Ländern über den Balkan zeigten und sie mit Slogans wie “Breaking Point” und “Take Back Control” ver­zierten. Als Frau Merkel eine Politik der offenen Tür ver­kündete, traf die Bot­schaft Mil­lionen von besorgten Briten und Euro­päern. Nicht von ungefähr begann um diese Zeit die Unter­stützung für Brexit zu steigen”.
Anstatt andauernd über “Popu­lismus” und “Natio­na­lismus” rum­zu­heulen, könnte Europa seine Ent­scheidung auch überdenken?
Gegen­wärtig errichtet das Europa, das ver­sprochen hat, nach dem Fall der Ber­liner Mauer 1989 den Bau wei­terer Mauern zu ver­meiden, eine nach der anderen, um sich vor einer bei­spiel­losen Situation zu schützen. Es gibt die 15 Meter hohe spa­nische Bar­riere in Ceuta und Melilla, den unga­ri­schen Wall von Pre­mier­mi­nister Viktor Orbán, einen im fran­zö­si­schen Calais, einen Zaun, den Öster­reich an der Grenze zu Italien geplant hat, einen Zaun, den Slo­wenien an der Grenze zu Kroatien und den Zaun, den Nord­ma­ze­donien an der Grenze zu Grie­chenland bauen will.
Ob es einem gefällt oder nicht, Europa scheint eine exis­ten­zielle kul­tu­relle Bedrohung durch diese großen Migra­ti­ons­ströme zu spüren. Es gibt nicht nur den Druck der ille­galen Ein­wan­derung, sondern auch den Druck der legalen Ein­wan­derung. Mehr als 100.000 Men­schen haben 2017 in Frank­reich Asyl bean­tragt, eine “his­to­rische” Zahl, und mehr als 123.000 Anträge im Jahr 2018. In Deutschland gab es 2018 200.000 Asyl­an­träge.
Diese Mas­sen­ein­wan­derung ver­ändert die innere Zusam­men­setzung Europas. In Ant­werpen, der zweit­größten Stadt Bel­giens und der Haupt­stadt Flan­derns, sind die Hälfte der Kinder in Grund­schulen mus­li­misch. In der Region Brüssel können Sie sich einen Ein­druck von der Ver­än­derung ver­schaffen, indem Sie den Besuch von Reli­gi­ons­un­ter­richt in Grund- und Mit­tel­schulen stu­dieren: 15,6% besuchen den katho­li­schen, 4,3% den pro­tes­tan­ti­schen und ortho­doxen, 0,2% den jüdi­schen und 51,4% den isla­mi­schen Reli­gi­ons­un­ter­richt (12,8% den säku­laren “Ethik”-Kurs). Ist jetzt klarer, was in der Haupt­stadt der Euro­päi­schen Union pas­sieren wird? Wir sollten uns nicht wundern, dass die Ein­wan­derung auf der Liste der Sorgen der bel­gi­schen Bevöl­kerung ganz oben steht.
Mar­seille, die zweit­größte Stadt Frank­reichs, ist bereits zu 25% mus­li­misch. Rot­terdam, die zweit­größte Stadt der Nie­der­lande, ist 20% mus­li­misch. Bir­mingham, die zweit­größte Stadt Groß­bri­tan­niens, ist zu 27% mus­li­misch. Es wird geschätzt, dass in einer Gene­ration ein Drittel der Wiener Bürger mus­li­misch sein wird. “Schweden befindet sich in einer Situation, in der sich noch nie ein modernes Land im Westen befunden hat”, bemerkte Chris­topher Caldwell. Laut dem Pew Research Center könnte Schweden bis 2050 durchaus 30% mus­li­misch sein; und 21% mus­li­misch für den unwahr­schein­lichen Fall, dass der Zustrom von Ein­wan­derern ganz und gar aufhört. Heute haben 30% der schwe­di­schen Babys im Ausland geborene Mütter. Die Stadt Lei­cester in Groß­bri­tannien ist derzeit zu 20% mus­li­misch. In Luton sind von den 200.000 Ein­wohnern 50.000 Muslime. Der größte Teil des Bevöl­ke­rungs­wachstums in Frank­reich zwi­schen 2011 und 2016 wurde durch die großen Bal­lungs­ge­biete des Landes ver­ur­sacht. An der Spitze stehen Lyon, Tou­louse, Bor­deaux und der Pariser Raum, so eine Studie, die vom fran­zö­si­schen Natio­nal­in­stitut für Sta­tistik und Wirt­schafts­studien ver­öf­fent­licht wurde. In Lyon gibt es etwa 150.000 Muslime von 400.000 Ein­wohnern. Laut einem Artikel tragen 18% der Neu­ge­bo­renen in Frank­reich einen mus­li­mi­schen Namen. In den 1960er Jahren lag die Zahl bei 1%.
Im extremsten Sze­nario wird der Anteil der Muslime in Europa im Jahr 2050 wie folgt geschätzt: Frank­reich (18%), Groß­bri­tannien (17,2%), Nie­der­lande (15,2%), Belgien (18,2%), Italien (14,1%), Deutschland (19,7%), Öster­reich (19,9%), Nor­wegen (17%). 2050 ist nur knapp hinter dem Horizont. Was also ist in zwei oder drei Gene­ra­tionen zu erwarten, wenn der ver­storbene His­to­riker Bernard Lewis sagte, dass Europa “spä­testens” isla­misch sein würde?
Leider weigert sich die euro­päische Men­ta­lität, sich der Rea­lität zu stellen, als ob die Her­aus­for­derung zu ernst wäre, um sie anzu­gehen. “Die unauf­haltsam fort­schrei­tende Ent­wicklung dieses Systems lässt mich an einen Tee an Bord der Titanic denken”, schreibt der bekannte fran­zö­sische Phi­losoph Alain Finkielkraut.
“Es wird nicht dadurch ver­hindert, dass man die Augen vor der Tra­gödie ver­schließt. Wie wird Frank­reich in fünfzig Jahren aus­sehen? Wie werden die Städte Mul­house, Roubaix, Nantes, Angers, Tou­louse, Tarascon, Mar­seille und das gesamte Depar­tement Seine Saint-Denis aussehen?”
Wenn sich die Bevöl­kerung ver­ändert, folgt die Kultur. Wie der Autor Éric Zemmour betont, “wird aus Quan­tität nach einer bestimmten Zahl Qualität”.
Während die Macht des euro­päi­schen Chris­tentums von einer demo­gra­phi­schen und kul­tu­rellen Klippe zu stürzen scheint, macht der Islam große Fort­schritte. Es geht nicht nur um Ein­wan­derung und Gebur­ten­raten, es geht auch um Ein­fluss. “Im Sep­tember 2002 nahm ich an einem Treffen der Kul­tur­zentren der füh­renden Mit­glieds­staaten der Euro­päi­schen Union in Brüssel teil”, schrieb der deutsch-syrische Intel­lek­tuelle Bassam Tibi, eme­ri­tierter Pro­fessor für Inter­na­tionale Bezie­hungen an der Uni­ver­sität Göttingen.
“Die Kon­ferenz fand unter dem Motto “Penser l’Europe” [‘Europe denken’] unter dem Titel “Islam in Europa” statt. Dort war ich beun­ruhigt, als Tariq Ramadan von Europa als ‘dar al-Shahada’ sprach, d.h. Haus des isla­mi­schen Glaubens. Das anwe­sende Publikum war alar­miert, ver­stand aber die Bot­schaft von der Wahr­nehmung Europas in einer isla­mis­ti­schen Denk­weise als Teil des Hauses des Islam nicht. Wenn Europa nicht mehr als ‘dar al-Harb’/Haus des Krieges wahr­ge­nommen wird, sondern als Teil des fried­lichen Hauses des Islam, dann ist dies kein Zeichen der Mäßigung, wie einige fälsch­li­cher­weise annehmen: Es ist die Men­ta­lität einer Isla­mi­sierung Europas…”
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Die gute Nach­richt ist, dass nichts in Stein gemeißelt ist. Die Europäer könnten immer noch selbst ent­scheiden, wie viele Ein­wan­derer ihre Gesell­schaft braucht. Sie könnten eine Lösung finden, die kohärent und nicht chao­tisch ist. Sie könnten ihr huma­nis­ti­sches Erbe noch einmal neu ent­decken. Sie könnten wieder Kinder bekommen und ein echtes Inte­gra­ti­ons­pro­gramm für die bereits in Europa lebenden Ein­wan­derer starten. Doch keiner dieser Schritte, die not­wendig sind, um die Trans­for­mation großer Teile des Kon­ti­nents und seinen Zusam­men­bruch zu ver­hindern, findet statt.
Es ist wichtig, auf die Pro­gnose von Pierre Manent zu hören und die aktuelle Mode der Selbst­er­nied­rigung zurück­zu­weisen. Europa scheint von einer Skepsis gegenüber der Zukunft geplagt zu sein, als ob der Nie­dergang des Westens tat­sächlich eine gerecht­fer­tigte Strafe und eine Befreiung von seinen Fehlern der Ver­gan­genheit wäre. Ja, viele Fehler mögen schrecklich gewesen sein, aber sind sie wirklich so viel schlimmer als die Fehler vieler anderer Länder, wie Iran, China, Nord­korea, Russland, Mau­re­tanien, Kuba, Nigeria, Vene­zuela oder Sudan, um nur einige zu nennen? Noch wich­tiger ist, dass zumindest der Westen, im Gegensatz zu vielen anderen Orten, ver­sucht hat, seine Fehler zu kor­ri­gieren. Am wich­tigsten ist es, eine Über­kor­rektur — und in eine schlimmere Situation zu geraten als vorher — zu vermeiden.
“Für mich ist heute”, so Fin­kiel­kraut, “das Wich­tigste die euro­päische Zivilisation”.
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Giulio Meotti, Kul­tur­re­dakteur bei Il Foglio, ist ein ita­lie­ni­scher Jour­nalist und Autor.

Quelle: gatestoneinstitute.org