Stol­tenberg: Nato sieht Cyber­an­griffe als Kriegs­grund an

Nato-Gene­ral­se­kretär Stol­tenberg hat erneut bekräftigt, dass ein Cyber­an­griff auf ein Nato-Land für die Nato als Ganzes ein Kriegs­grund wäre. Die USA aber haben keine Hem­mungen, selbst andere Länder im Cyber­space massiv anzugreifen.
Schon vor einem Jahr habe ich darüber berichtet, dass Stol­tenberg mit­ge­teilt hat, ein Cyber­an­griff auf ein Nato-Land wäre für die Nato ein Grund, den Ver­tei­di­gungsfall aus­zu­rufen und einen echten Krieg vom Zaun zu brechen. Darüber gab es meines Wissens keine Berichte im deut­schen Mainstream.
Heute wieder das gleiche Spiel: Stol­tenberg hat in einem Gast­beitrag für das bri­tische Portal „Pro­spect“ geschrieben und das erneut bekräftigt. Aber die deut­schen Medien schweigen darüber.
Unmiss­ver­ständlich schreib Stol­tenberg bei „Pro­spect“:
„Für die Nato könnte ein ernst­hafter Cyber­an­griff Artikel 5 unseres Grün­dungs­ver­trages aus­lösen. Das ist unsere gemeinsame Ver­tei­di­gungs­er­klärung, in der ein Angriff auf einen Ver­bün­deten als Angriff gegen alle ange­sehen wird.“
Das ist eine alar­mie­rende Nach­richt, denn letztlich kann ein ernst­hafter Cyber­an­griff auch von einer talen­tierten Hacker­gruppe durch­ge­führt werden, die die Spuren zu jedem belie­bigen Land der Welt führen lässt. So etwas zwei­felsfrei auf­zu­klären, ist fast unmöglich. Aber die Nato ist offi­ziell bereit, in einem solchen Fall einen großen Krieg mit Tau­senden oder gar Mil­lionen Opfern vom Zaun zu brechen.
Aber als wenn das nicht schlimm genug wäre, sind sich die USA, immerhin Füh­rungs­macht der Nato, nicht zu schade, selbst Cyber­an­griffe gegen andere Länder durch­zu­führen. Gerade erst vor wenigen Tagen haben die USA durch­si­ckern lassen, dass sie einen Cyber­an­griff auf den Iran durch­ge­führt haben. Der Spiegel schrieb dazu:
„Das Cyber­kom­mando der Ver­ei­nigten Staaten hat (…) mili­tä­rische Com­pu­ter­systeme im Iran lahm­gelegt. Der Angriff auf Kom­mu­ni­ka­ti­ons­netze und eine Datenbank der Ira­ni­schen Revo­lu­ti­ons­wächter erfolgte demnach bereits am 20. Juni, als Reaktion auf den Abschuss einer US-Drohne. (…) Die offi­ziell nicht bestä­tigte US-Ope­ration sei nach Ansicht von Experten im Weißen Haus unterhalb der Schwelle einer krie­ge­ri­schen Handlung anzu­siedeln und eine ange­messene Strafe für den Abschuss der US-Drohne.“
Das Problem ist, dass die Drohne – nach allem, was man heute weiß – in den ira­ni­schen Luftraum ein­ge­drungen war, der Iran also jedes Recht der Welt hatte, die Drohne abzu­schießen, zumal sie ja unbe­mannt war und daher niemand zu Schaden gekommen ist.
Wenn die Nato aber einen Cyber­an­griff als Kriegs­grund ansieht, mit welchem Recht führen dann Nato-Staaten solche Angriffe selbst durch?
Und das war nicht der einzige der­artige Fall in diesem Jahr.
Seit den Snowden-Ent­hül­lungen wissen wir, dass die USA weltweit die Infra­struktur mit Tro­janern und Viren durch­setzt haben und im Grunde jedes Land „abschalten“ können. Sie können riesige Strom­aus­fälle her­bei­führen oder auch punk­tuell Kran­ken­häuser oder Ver­kehrs­leit­systeme aus­schalten. Sie sind für alles vorbereitet.
Und die mas­sen­haften Strom­aus­fälle, die seit März immer wieder Vene­zuela treffen, dürften vor diesem Hin­ter­grund kein Zufall sein. Die Medien (und zu meiner Schande auch ich) haben irgendwann auf­gehört, darüber zu berichten. Aber es gab nach den Strom­aus­fällen, über die in Deutschland berichtet wurde, noch einige mehr, die von den Nach­rich­ten­agen­turen ver­meldet wurden. Nur die deutsche Presse hat darüber nicht mehr berichtet.
Soll Vene­zuela das nun als Kriegs­grund ansehen?
Und was ist mit Russland? Die USA haben in diesem Jahr gemeldet, die ganze rus­sische Infra­struktur mit solchen Viren durch­setzt zu haben. Soll Russland jetzt einen Krieg anfangen? Am besten gleich mit Atombomben?
Nach der Logik der Nato wäre das das Mittel der Wahl.
Da ist es doch beru­higend, dass die „aggres­siven“ Länder sich nicht die Stan­dards der „fried­lie­benden“ Nato zu eigen machen.
 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“