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Daniel Stelter zur Welt­wirt­schaft: „Es gibt keine schmerz­freie Lösung“

Daniel Stelter gab am „Insu­rance Day“ in Wien einen Ein- und Aus­blick auf das wirt­schaft­liche Geschehen und zeichnete ein düs­teres Bild der Zukunft, mit dem sich vor­aus­schauende insti­tu­tio­nelle Inves­toren besser früher denn später aus­ein­an­der­setzen müssen.

Dr. Daniel Stelter, Mas­termind der Plattform Beyond the Obvious und ehe­ma­liger Partner der Boston Con­sulting Group, prä­sen­tierte am von Insti­tu­tional Money und dem VVO (Ver­si­che­rungs­verband Öster­reich) orga­ni­sierten „Insu­rance Day“ seine Ein­schät­zungen zur aktu­ellen und zur zukünf­tigen wirt­schaft­lichen Ent­wicklung. Der viel gelesene Autor von Büchern wie „Eiszeit in der Welt­wirt­schaft“ und „Das Märchen vom reichen Land“ zeichnete ein fast schon dys­to­pi­sches Bild, in dem Ver­mö­gens­be­sitzer wohl unver­meidlich einen Teil ihres Besitzes ver­lieren werden, damit der über­schuldete Staat seinen Schul­denberg redu­zieren kann.
Zu wenig Dynamik
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Die Welt­wirt­schaft, ins­be­sondere jene in den west­lichen Ländern, kann aus meh­reren Gründen nicht mehr die hohen Zuwachs­raten der Vor­krisen-Ära erreichen. Zu groß sind der defla­tionäre Druck und die Schul­den­berge von Haus­halte, Unter­nehmen und Staaten. Hinzu kommen seit rund zwei Jahren Han­dels­kriege, die wohl auch in Wäh­rungs­kriege münden werden. „Schulden führen zu immer mehr Schulden, um das Ponzi-Schema am Laufen zu halten“, stellte Stelter voll­kommen richtig fest. Dabei zeigte er, dass im Ver­gleich zur Ver­gan­genheit neue Schulden auf­grund eines abneh­menden Grenz­nutzens in Relation zu immer weniger BIP-Wachstum führen – trotz der nied­rigsten Zinsen seit 5.000 Jahren.
Gar­niert bzw. unter­stützt wird diese bedenk­liche Ent­wicklung durch Belas­tungs­fak­toren wie eine alternde Bevöl­kerung und eine abneh­mende Pro­duk­ti­vität. Das gilt u. a. auch für Deutschland, wo das (öffent­liche) Schul­system nicht mehr fähig sei, pro­duktive Arbeits­kräfte zu pro­du­zieren, die im bein­harten inter­na­tio­nalen Wett­bewerb mit­halten können. Nicht umsonst titelte Stelter sein jüngstes Buch „Das Märchen vom reichen Land“. Tipp für Asset-Allo­ka­toren: Besser sieht es dies­be­züglich in Japan aus, wo die Pro­duk­ti­vität pro Arbeit­nehmer zunimmt.
Zen­tral­banken befeuern die Blase
Um das Finanz- und damit das Wirt­schafts­system zu retten, pumpen die Zen­tral­banken seit Jahren Bil­lionen-Beträge in den Geld­kreislauf, aus dem es aber nicht in die Real­wirt­schaft, sondern über­wiegend in Wert­pa­piere fließt. Aus diesem Grund sind derzeit fast alle Ren­ten­pa­piere, viele Immo­bilien und wohl auch die meisten Akti­en­märkte der Welt über­teuert. Stelter befürchtet, dass die Zen­tral­banken nach der TMT-Blase und der Hypo­theken-Blase nunmehr die nächste große Blase, er nennt sie „Zen­tral­banker-Blase“, geschaffen haben.
Einen Crash, ver­gleichbar mit 2008 sieht Stelter aber nicht unmit­telbar. Vielmehr würden Aktionäre in den kom­menden Jahren nur mit sehr nied­rigen Ren­diten rechnen dürfen. Als dies­be­züg­lichen Richtwert für Akti­en­käufer nannte Stelter die derzeit nied­rigen Ren­diten von US-Tre­asuries. Mehr an Per­for­mance wird es auch für Aktionäre nicht geben.
Die mauen Aus­sichten für Aktien begründete Stelter auch damit, dass in den ver­gan­genen Jahren und Jahr­zehnten die Kapi­tal­seite bei der Wohl­stands­ver­teilung im Ver­gleich zur Arbeit­neh­mer­schaft („Lohn­seite“) im Vorteil war (siehe Grafik). Das Pendel werde aber wieder zurück­schwingen zugunsten der Lohn­seite. Wann diese geschehe, sei aber noch nicht prognostizierbar.
Nach Erläu­te­rungen zum Thema „Leverage“ und den daraus mög­lichen tem­po­rären Vor­teilen, zeigte Stelter, dass ab einem zu hohen Schul­den­niveau die Nach­teile über­wiegen. Einer­seits steigen die sys­te­mi­schen Risiken, ande­rer­seits „zom­bi­fi­ziert“ die Real­wirt­schaft, da tod­kranke Unter­nehmen nicht aus dem Wett­bewerb aus­scheiden und durch Preis­dumping auch den gesunden Unter­nehmen die Gewinn­margen rui­nieren und damit defla­tionäre Ten­denzen ver­stärken. Stelter wies darauf hin, dass in den Peri­phe­rie­ländern Banken Kredite wider bes­seren Wissens an Zom­bie­firmen ver­längern, um diese im Grunde „faulen“ Kredite nicht abschreiben zu müssen. Besonders pikant: Zur Kom­pen­sation und aus Gründen der Bilanz­ver­kürzung streichen manche süd­län­dische Banken dafür gesunden Unter­nehmen die Kre­dit­linien und treiben diese im Worst Case in den Ruin oder in die Hände von Finanz­in­ves­toren. Vor diesem Hin­ter­grund eines „Eis­zeit­alters“ seien Invest­ments laut Stelter wenig emp­feh­lenswert bzw. besonders kri­tisch auf den Prüf­stand zu stellen.
Zinsen bleiben noch lange niedrig
Auf­grund hoher Schul­den­berge würden die Zinsen weltweit noch sehr lange niedrig bleiben bzw. im Minus. Dies gelte auch für die USA: „Irgendwann sind auch die Ren­diten von US-Anleihen im Nega­tiv­be­reich“, kün­digte Stelter an. Um Inves­toren den Fluchtweg in Bargeld zu ver­stellen, immerhin sollen einige Ver­si­che­rungen höhere Cash-Bestände phy­sisch ein­bunkern, werde ein Verbot von Bargeld sowie wahr­scheinlich auch von Gold kommen. „Die Ernennung der ehe­ma­ligen IWF-Chefin Christine Lagarde zur EZB-Prä­si­denten ist kein Zufall“, merkte Stelter an.
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Stelter führte eine Reihe von mög­lichen Aus­wegen aus der derzeit ver­fah­renen Situation an. Nahe­lie­gende und leichte Auswege wie Austerität (Sparen) oder hohes Wirt­schafts­wachstum seien leider nicht möglich. Lösung Nummer drei wäre eine Sal­dierung von Ver­mögen mit Schulden im Rahmen einer „Schul­den­re­struk­tu­rierung“. Dabei werde es auch einen Zugriff auf die pri­vaten Ver­mögen geben. Ent­spre­chende Pläne liegen beim IWF schon länger in der Schublade und wurden bereits in Zypern im Nachgang der Grie­chen­land­krise im Kleinen getestet. Am wahr­schein­lichsten wäre im Rahmen dessen ein Zugriff auf den Immo­bi­li­en­besitz der Mit­tel­schicht durch die erneute Ein­führung einer Art von „Las­ten­aus­gleichs­steuer“, wie sie im Nach­kriegs­deutschland anlässlich der Wäh­rungs­reform von der Reichsmark zur DM-Mark bereits ein­ge­setzt wurde. Diesen staat­lichen Raubzug gegen die eigenen Bürger hat Fran­zosen-Prä­sident Macron, der ja Lagarde als EZB-Chefin poli­tisch durch­setzte, übrigens schon aus­ar­beiten lassen. „Das ist die wahr­schein­lichste Option“, sagte Stelter.
Lösungsweg vier wäre eine Finan­zierung des Staates über die Zen­tral­banken, wie es die Ver­treter der „Modern Monetary Theory“ (MMT) vor­schlagen. Dies könnte irgendwann auf­grund des Ver­trau­ens­ver­lusts der Bürger zum Geld zu einer wesentlich höheren Inflation führen und damit die Schul­denlast peu à peu redu­zieren. „Es gibt keine schmerz­freie Lösung“, erklärte Stelter.
Insti­tu­tio­nelle sollten gewarnt sein
Inves­toren sollen beide letzt­ge­nannten Vari­anten fürchten: Ent­weder gibt es bei den Anleihen einen Haircut sowie bei den Immo­bilien eine zusätz­liche Ver­mö­gens­steuer, oder eine hohe Inflation zehrt an der Kauf­kraft der in Nomi­nal­werten inves­tierten Gelder. In beiden Fällen können insti­tu­tio­nelle Inves­toren ihren „Anspruchs­be­rech­tigten“ nur wenig realen Wert­zu­wachs bieten. Inter­es­sante und ren­di­te­starke Seg­mente sind den Ver­si­cherern nicht – oder aus Sol­vency-II-Gesichts­punkten nur mit erheb­lichen Nach­teilen – zugänglich. Es bleiben im Grund vielfach nur Ren­ten­pa­piere und Large Caps. „Was sie kaufen dürfen, ist alles Mist“, brachte es Stelter abschließend auf den Punkt.