Das rus­sische Fern­sehen über die Aus­wüchse der Poli­tical Cor­rectnes im Westen

In Russland gibt es das Phä­nomen der Poli­tical Cor­rectness nicht. Daher zeigt das rus­sische Fern­sehen immer wieder ungläubig, welche absurden Höhe­punkte diese neue Mode im Westen erreichen kann. 
Am Sonntag hat das rus­sische Fern­sehen in der Sendung „Nach­richten der Woche“ über die Nie­der­lande berichtet, wo nun sogar Bilder großer Künstler kur­zerhand umbe­nannt wurden, weil die alten Namen der Bilder nicht mehr poli­tisch korrekt sind. Ich dachte, dass der Höhe­punkt dieses Unsinns in Deutschland erreicht worden wäre, als man ange­fangen hat, Kin­der­bücher wie Pippi Lang­strumpf und andere poli­tisch korrekt umzuschreiben.
Ich lebe in Russland und bin bei jedem Besuch in Deutschland immer wieder über­rascht, was man alles nicht mehr sagen darf. Als ich Deutschland vor 20 Jahren ver­lassen habe, gab es noch solche Szenen in Vor­abend­sen­dungen des ZDF, was heute undenkbar wäre.

Daher ist die schritt­weise Ver­än­derung der Sprache, die in den letzten 20 Jahren in Deutschland statt­ge­funden hat, an mir vor­bei­ge­gangen. Wenn ich in Deutschland bin, finde ich daher ziel­sicher jeden sprach­lichen Fettnapf, in den man treten kann. Aber darum fällt es mir auch so deutlich auf, weil ich die 20 Jahre eben nicht täglich damit gelebt habe, wie ein Aus­druck nach dem anderen der poli­ti­schen Kor­rektheit zum Opfer gefallen ist.
Daher denke ich, dass es für Deutsche inter­essant ist, wie man in Russland auf die Aus­wüchse der Poli­tical Cor­rectness blickt und habe ich den Beitrag des rus­si­schen Fern­sehens übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Wenn wir über kul­tu­relle Pro­zesse in Europa sprechen, gibt es in der Tat span­nende Geschichten. „Unver­söhn­licher Libe­ra­lismus“ scheint ein Wider­spruch in sich zu sein, aber es gibt jetzt ein solches kul­tu­relles Phä­nomen im Westen.
Es gab mehr als drei­tausend Meister, das Goldene Zeit­alter war die Blü­tezeit der nie­der­län­di­schen Kunst: Rem­brandt, Frans Hals, Jan Vermeer oder Peter Claes. Ihr Spiel mit Licht und Schatten, ihr Rea­lismus, der Sturm der Emo­tionen und die ver­bor­genen Bedeu­tungen in den Bildern des Alltags sind ein­malig und unvergleichbar.
„Es war eine Zeit, in der nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Archi­tektur und in der Wis­sen­schaft viele außer­ge­wöhn­liche Dinge pas­sierten, es gab sogar Mei­nungs­freiheit. Men­schen aus aller Welt kamen nach Holland, weil sie sich hier frei ent­falten konnten. Das 17. Jahr­hundert ver­dient einen beson­deren Namen“ sagt Ad Gir­dinck, Direktor des Westfrieslandmuseums.
Eine außer­ge­wöhn­liche Zeit für ein kleines Land, das zum Zentrum der Welt geworden war. Die Blü­tezeit der Nie­der­lande zog auch den rus­si­schen Zaren Peter den Großen an. Er reiste nach Holland und „öffnete das Fenster nach Europa“. Übrigens sind es die Fenster, die das Mar­ken­zeichen der Bilder der Zeit sind. Aber das Goldene Zeit­alter ist nicht nur mit der Kultur ver­bunden, sondern auch mit Feld­zügen und Erobe­rungen. Das hat dem Ams­ter­damer Museum nicht gefallen. Sie beschlossen, den Namen einer Aus­stellung zu ändern.
Sie hieß das „Nie­der­län­dische Goldene Zeit­alter“ und wurde zu „Grup­pen­por­träts des 17. Jahr­hun­derts“. Das Museum ver­si­chert: Sie haben nur die Nuancen der Ver­gan­genheit vervollständigt.
„Ein Prozent der Leute war sehr reich, sie haben Ver­mögen mit dem Handel gemacht und die Kunst gefördert, aber es gab eine Menge Armut, eine Menge Kriege, Skla­verei und die Nach­kommen dieser Sklaven sind nicht sehr stolz auf diese Zeit. Die Bezeichnung „Gol­denes Zeit­alter“ ist unpassend“ glaubt der Ver­treter des Museums.
Das wich­tigste Museum des Landes, das Reyk­s­meeum, ging noch weiter. Das Bild „Neger­mädchen“ von Simon Maris heißt jetzt „Mädchen mit dem Fächer“. Die Begriffe „Zwerg“ oder „Indianer“ sind poli­tisch nicht korrekt, weshalb 132 Gemälde nie­der­län­di­scher Künstler nun poli­tisch korrekt umbe­nannt wurden.
„Gerade in Ams­terdam gibt es viele Linke und Liberale innerhalb und außerhalb der Politik, die glauben, dass wir uns für unsere eigene Indi­vi­dua­lität schämen sollten. Sie glauben nur an Mul­ti­kul­tu­ra­lismus und Isla­mi­sierung, sie schämen sich für unsere Ver­gan­genheit, glauben, dass sie nicht stolz sein sollten, wollen unsere Iden­tität zugunsten poli­ti­scher Kor­rektheit los­werden“ sagte Geert Wilders, Vor­sit­zender der Frei­heit­lichen Partei.
96% der Leser der größten Zeitung, dem Tele­graph, nannten es Unsinn, Pre­mier­mi­nister Mark Rutte nannte es Unsinn, aber die Ände­rungen betrafen auch die Royal Gallery, die direkt vor dem nie­der­län­di­schen Par­lament steht
Die große Gips­statue von Johann Moritz Nassau-Siegen wurde aus dem Foyer ent­fernt. Sie sagen, dass das nichts mit der kolo­nialen Ver­gan­genheit des ehe­ma­ligen Besitzers des Gebäudes zu tun habe, es wurde nur beschlossen, die Aus­stellung ein wenig zu ver­ändern. Sie ver­sprachen, ihm einen eigenen Saal zu widmen, aber bisher erinnert an den Feld­mar­schall der Ver­ei­nigten Pro­vinzen nur die ver­schmierte Farbe einer win­zigen Statue und eine große, erklä­rende Tafel, auf der man auf Eng­lisch lesen kann, dass er bedau­er­licher Weise Sklaven auf seinen Plan­tagen ein­ge­setzt hat.

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Jan Pie­terszoon Coen, Gene­ral­gou­verneur der Nie­der­län­di­schen Ost­in­di­en­ge­sell­schaft, weitete den kolo­nialen Besitz auf den indo­ne­si­schen Archipels stark aus und machte ein Ver­mögen im Mus­kat­nuss­handel von Banda Island, dessen Bevöl­kerung auf seinen Befehl fast voll­ständig wegen Verrat abge­schlachtet wurde. Als Reaktion auf die For­de­rungen, seine Statue abzu­reißen, richtete das Museum einen Theater-Gerichtshof ein und ließ die Besucher abstimmen. Zwei Drittel der Muse­ums­be­sucher stimmte für den Erhalt des Denkmals.
„Er wurde im 19. Jahr­hundert zum Natio­nal­helden und wir zeigen das in diesem Teil der Aus­stellung, aber später wurde er kri­ti­siert. Das spiegelt sich hier wider. Und dann sind da noch die Aus­sagen von Experten zum Thema, das heißt, wir zeigen ver­schiedene Aspekte der Zeit, in der er lebte“ erklärte Ad Girdinck.
Und wie kann man den Namen Coen aus der Geschichte ent­fernen, wenn zu seinen Ehren immer noch Kinder, Cafés, Straßen und Waren benannt werden. Als eines seiner Denk­mäler ver­se­hentlich von einem Last­wagen umge­fahren wurde, begannen die Men­schen, sich auf dem leeren Sockel zu foto­gra­fieren und berei­cherten die Sprache mit einem neuen Wort – „coe­nieren“ – abge­leitet von seinem Nach­namen. Aber die Gegner haben die Umbe­nennung einer der Schulen erreicht. Die Eltern, Nach­kommen von Ein­wan­derern, waren dafür.
Ver­geblich war der Versuch, Ams­terdams wich­tigsten Tunnel, der nach Coen benannt ist, umzu­be­nennen. Und jetzt geht es um den Namen des Landes selbst, wenn es sich früher als „Holland“ posi­tio­niert hat, muss es jetzt aus­schließlich „Nie­der­lande“ heißen.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse.

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“