Von Joachim Seidler, photog_at from Austria - 20150904 174, CC BY 2.0, Link

Der Spiegel über Studie zu Migranten aus Afrika: “Afrikas Beste kommen” — Was der Spiegel verschweigt

Wenn der Spiegel über Studien berichtet, dann ist Vor­sicht geboten, wie ich schon mehrmals aus­ge­führt habe. So auch heute, wenn der Spiegel über eine UNO-Studie über afri­ka­nische Migranten berichtet.
Wenn im Spiegel über Studien berichtet wird, habe ich immer viel Arbeit, aber es lohnt sich, denn der Spiegel berichtet dabei regel­mäßig unwahr. Ent­weder sind die Studien unbrauchbar, weil sie von Lob­by­isten in Auftrag gegeben wurden und kei­nerlei objek­tiven Kri­terien genügen, sondern ein vorher fest­ge­legtes Ergebnis unter­mauern sollen oder der Spiegel zitiert aus den Studien nur das, was ihm in sein poli­ti­sches Konzept passt.
So war es im Falle einer Ber­telsmann-Studie über Zuwan­derung, die kei­nerlei wis­sen­schaft­lichen Maß­stäben genügte, aber schon kurz danach als Grund für das Fach­kräf­te­zu­wan­de­rungs­gesetz her­an­ge­zogen wurde.
Auch über eine Studie über die Situation der Frauen weltweit hat der Spiegel berichtet, dabei hatte die Studie kei­nerlei Aus­sa­ge­kraft darüber, denn in ihren Fra­ge­stel­lungen wurde gar nicht nach der Situation von Männern und Frauen getrennt gefragt. Auf­trag­geber war eine Frau­en­rechts­or­ga­ni­sation und das Ergebnis fiel ent­spre­chend aus: Ohne jede objektive Grundlage kam die Studie zu dem gewünschten Ergebnis und sicherlich hat die Orga­ni­sation, die hinter der Studie steht, danach eine Menge Spen­den­gelder eingesammelt.
Gleiches konnte man bei einer Studie über die Kli­ma­schäd­lichkeit von Erdgas beob­achten, über die der Spiegel berichtet hat. Die Studie war von einer Lob­by­or­ga­ni­sation in Auftrag gegeben worden, die von Firmen der rege­ne­ra­tiven Energien bezahlt wird. Und die Studie war eine Frechheit für jeden, der sie gelesen hat: Auf nur fünf Seiten und mit vier Quellen kam die Studie zu dem von den Lob­by­isten gewünschten Ergebnis. Das ist nicht nur unwis­sen­schaftlich, das ist auch noch unseriös, aber der Spiegel hat trotzdem über die „Studie“ und ihrer „wich­tigen Ergeb­nisse“ berichtet.
Die Liste der Bei­spiele ist also lang und bestätigt, dass der Spiegel gerne als Lob­by­isten-Unter­stützer auf­tritt, wenn er über Studien berichtet.
Heute also ging es im Spiegel um eine Studie der UNO über Migranten aus Afrika. Da der Spiegel uns ja immer erklären will, wie gut Migration aus Afrika für Deutschland ist und dass die Migranten gebildete Men­schen mit guten Chancen auf Inte­gration sind, gab die Über­schrift schon die gewünschte Richtung vor: „Migration nach Europa – Afrikas Beste kommen
Für die Studie wurden nur Migranten befragt, die nicht aus Kriegs­ge­bieten gekommen sind. Es geht also um reine Wirt­schafts­flücht­linge, die nach den inter­na­tio­nalen Regeln zum Schutz von Flücht­lingen gar keine Flücht­linge sind, weil sie nicht ver­folgt wurden oder vor Kriegen geflohen sind.
Man muss fest­halten, dass der Autor des Artikels die Studie durchaus gelesen hat, aber er hat einfach das weg­ge­lassen, was nicht in sein Bild passt. Der Leser lernt im Spiegel:
„Zudem sind die Ein­wan­derer besser gebildet als der Bevöl­ke­rungs­durch­schnitt in ihren Hei­mat­ländern: 58 Prozent gingen in ihrer Heimat einer regel­mä­ßigen Arbeit nach oder waren in einer Schul­aus­bildung, ehe sie auf­brachen. Und ihr Ver­dienst war höher als im Lan­des­durch­schnitt: Sie ver­dienten deutlich mehr – und zwar um 60 Prozent mehr – als ihre Mit­bürger im Her­kunftsland, waren also ver­gleichs­weise gut situiert. (…) Aus all dem leiten die For­scher einen – auch an anderer Stelle gut doku­men­tierten – Schluss ab: Migration ist ein Schritt, der erst durch eine öko­no­mische oder gesell­schaft­liche Ver­bes­serung möglich wird. Steigt der Wohl­stand, kommen die Men­schen erst auf die Idee und erhalten die Mög­lichkeit, sich auf die Reise zu machen. Bildung und Arbeit, beides war bei einem großen Teil der befragten Migranten, die Europas Zäune über­wunden haben, eigentlich vorhanden.“
Das alles müssen wir mal auseinandernehmen.
Die erste Aussage ist, dass 58 Prozent der Migranten zu Hause einen Job hatten oder zur Schule gegangen sind. Das bedeutet aber auch, dass 42 Prozent vor der Abreise arbeitslos waren. Ich habe über die Folgen der Glo­ba­li­sierung einen aus­führ­lichen Artikel geschrieben und die hohe Arbeits­lo­sigkeit in vielen afri­ka­ni­schen Ländern ist eine direkte Folge der Glo­ba­li­sierung, die der Westen mit Gewalt vor­an­treibt. Dass der Westen damit zumindest eine Mit­schuld an dem Elend der Men­schen in Afrika trägt, steht in dem Spiegel-Artikel nirgendwo.
Der Spiegel kommt zu dem Schluss, dass Migration eine Folge von Wohl­stand ist, da die meisten Migranten in ihrer Heimat zu den Bes­ser­ver­die­nenden gehört haben. Es wird in Deutschland der Ein­druck erweckt, dass es gar nicht die Ärmsten sind, die nach Europa fliehen, sondern die Wohl­ha­benden und damit höher qualifizierten.
Ein wich­tiger Punkt wird dabei jedoch nicht erwähnt: Die Ärmsten würden sicher auch gerne nach Europa kommen, aber sie können es sich nicht leisten. Selbst diese „Bes­ser­ver­die­nenden“ mussten nämlich für die Flucht im Schnitt elf Monats­ge­hälter bezahlen, also fast ein Jah­res­gehalt. Das muss man sich erst einmal ansparen, wenn der Ver­dienst von ca. 200 bis 400 Dollar monatlich ohnehin kaum zum Leben reicht.
Bei solchen Kosten für die Flucht ist eine Migration nach Europa für die Ärmsten schlicht nicht finan­zierbar. Das erwähnt der Spiegel aber nicht, denn die Deut­schen sollen ja glauben, sie bekämen nur die Besten der Besten aus Afrika, denen es zu Hause ver­gleichs­weise gut geht. Erst durch Wohl­stand kämen die Afri­kaner demnach auf die geniale Idee, nach Europa zu mar­schieren. So steht es ja auch im Spiegel: „Steigt der Wohl­stand, kommen die Men­schen erst auf die Idee und erhalten die Mög­lichkeit, sich auf die Reise zu machen.
Übrigens lässt sich auch die höhere Kri­mi­na­lität der afri­ka­ni­schen Migranten, die aus der Kri­mi­nal­sta­tistik ein­deutig her­vorgeht, indirekt aus der UNO-Studie erklären: Demnach erhalten über die Hälfte der afri­ka­ni­schen Wirt­schafts­flücht­linge finan­zielle Unter­stützung für den Weg nach Europa von der Ver­wandt­schaft und einer wich­tigsten Gründe für den gefähr­lichen Weg nach Europa ist es, den Ver­wandten zu Hause Geld zu schicken. Das setzt die Migranten unter Druck, Geld nach Hause zu schicken, um die finan­zi­ellen Erwar­tungen der Familie zu erfüllen und wenn sie keine Arbeit finden oder nicht arbeiten dürfen, dann weichen manche von ihnen eben in die Kri­mi­na­lität aus, um Geld zu verdienen.
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Die nächste Illusion, die solche Medi­en­be­richte schaffen, ist die Illusion der gut aus­ge­bil­deten Migranten aus Afrika. Auch im Spiegel kann man als Ergebnis der Studie ja lesen: „Bildung und Arbeit, beides war bei einem großen Teil der befragten Migranten (…) eigentlich vor­handen.
Die Frage ist, was man „Bildung“ nennt und darauf geht der Spiegel nicht ein. In der Studie kann man jedoch lesen, dass 83 Prozent der Migranten maximal einen Schul­ab­schluss haben. Im Detail: 43 Prozent haben einen Schul­ab­schluss, 24 Prozent haben nur Grund­schul­bildung und 16 Prozent haben gar keine Schulbildung.
Von den ver­blei­benden 17 Prozent haben 6 Prozent einen Beruf gelernt und 8 Prozent eine berufs­vor­be­rei­tende Aus­bildung gemacht. Bleiben 3 Prozent „sonstige“. Was wir unter den „hoch­qua­li­fi­zierten“ afri­ka­ni­schen Migranten gar nicht finden, sind Men­schen mit Hochschulabschluss.
Ent­spre­chend waren auch die beruf­lichen Tätig­keiten der Migranten, die in ihrer Heimat einen Job hatten: Es waren alles ein­fachste Tätig­keiten als Arbeiter oder im Service.
All das findet sich im Spiegel jedoch nicht, dabei steht es deutlich und mit Gra­fiken in der Studie. 
Statt­dessen berichtet der Spiegel danach lieber über andere Themen. So teilt der uns mit, dass 60 Prozent wegen dem Wunsch nach Arbeit nach Europa gekommen sind (deren Ent­täu­schung dürfte groß sein, denn über 60 Prozent der Migranten haben keine Arbeits­er­laubnis). Da schließt sich der Kreis aus Glo­ba­li­sierung, die in Afrika die Arbeits­plätze ver­nichtet und der Aus­län­der­kri­mi­na­lität in Europa, denn wer nicht arbeiten darf, aber Geld nach Hause schicken soll, driftet eben fast zwangs­läufig in die Kri­mi­na­lität ab. Aber die Wurzel des Übels ist wieder die Glo­ba­li­sierung, denn ohne diese moderne Form der Kolo­ni­al­po­litik hätten die Afri­kaner weit weniger Gründe, nach Europa zu fliehen, wo sie dann in die Kri­mi­na­lität abgleiten.
Außerdem berichtet der Spiegel noch über die Ant­worten auf die Fragen, was die Migranten von der Flucht abge­halten haben könnte, wie ihre Wohn­ver­hält­nisse in Europa sind und ob es sich in Europa besser lebt.
Der Leser lernt also in dem Artikel die gewollten Nar­rative: Die Flücht­linge sind gebildet und sie sind bedau­ernswert, weil sie es so schwer haben, auch in Europa.
Das zweite stimmt ganz sicher: Sie sind bedau­ernswert, aber der Grund liegt in der Glo­ba­li­sierung, die ihnen ihre Lebens­grundlage in der Heimat zer­stört. Nur das erwähnt der Spiegel nicht.
Und das Thema der Bildung der Flücht­linge hat die Studie im Detail beleuchtet, aber diese Ein­zel­heiten ver­schweigt der Spiegel seinen Lesern lieber. 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“