co2 am Himmel? - Photo By: Zappys Technology Solutions - https://www.flickr.com/photos/102642344@N02/ - CC BY 2.0

Nach­hal­tiges Finanz­system statt Rendite?

Claudia Kemfert ist Lei­terin der Abteilung Energie, Verkehr und Umwelt am DIW Berlin. Zwei­fellos eine der Vor­den­ke­rinnen beim Thema Kli­ma­schutz, wobei sie mir zu viel Wert auf die Besteuerung von CO2 legt und zu wenig auf die tech­no­lo­gi­schen Ant­worten. Bekanntlich setze ich viel mehr auf Letzteres.

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In einem Beitrag für MAKRONOM beschäftigt sie sich mit der Frage, wie eine „Wende zu einem nach­hal­tigen Finanz­system gelingen kann“. Nachdem ich dazu auch so meine Gedanken habe, dachte ich mir, es wäre lohnend, ihren Beitrag auf bto zu kommentieren:
  • „(…) die Zeit drängt, um die Treib­haus­gas­neu­tra­lität erreichbar zu machen. (…) Das Prio­ri­tä­ten­pro­gramm der Kom­mission (…) ver­spricht Kli­ma­neu­tra­lität bis zum Jahr 2050. Schon in den ersten 100 Tagen der neuen Kom­mission sollen zahl­reiche Maß­nahmen auf den Weg gebracht werden, um diesem Ziel näher­zu­kommen. Dabei geht es erwar­tungs­gemäß um klas­sische Struktur- und Inves­ti­ti­ons­maß­nahmen, etwa im Bereich von Off­shore-Wind­energie, Gebäu­de­sa­nierung oder Hilfen für Koh­le­re­gionen. Doch eine ele­mentare Rolle spielt die Aus­richtung des Finanz­systems auf Nach­hal­tigkeit und Kli­ma­schutz (…).“ – Daniel Stelter: Klartext, die Finanz­märkte sollen wie die EZB nicht mehr auf Rendite achten, sondern auf Kli­ma­schutz. Nun muss man wissen, dass schon heute die aktuelle Rendite deutlich unter dem Niveau liegt, das wir benö­tigen, um künftige Ver­sprechen zu erfüllen. Senkt man die Rendite weiter, wird die Lücke größer. Das wäre dann das zweite Mal, dass die Politik Ver­mögen der Bürger schmälert, ohne dies explizit zu machen.
  • „Der Einsatz fos­siler Energien for­ciert nicht nur den Kli­ma­wandel, sondern macht abhängig von fos­silen Ener­gie­kriegen. Zudem behindern heutige Inves­ti­tionen in fossile Infra­struk­turen den Wandel hin zu einer Voll­ver­sorgung mit erneu­er­baren Energien. (…) mehr als die Hälfte der in der EU benö­tigten Energie wird aus aller Welt impor­tiert. Die große Abhän­gigkeit von außer­eu­ro­päi­schen Pro­du­zenten ist doppelt nach­teilig: Erstens ist sie teuer. Zweitens ist sie poli­tisch heikel. Und drittens erreicht man so die Kli­ma­ziele nicht.“ – Daniel Stelter: teuer? Hm. Wenn es teuer wäre, bräuchte man doch keine Extra-CO2-Abgabe wie Kemfert und Co. fordern. Außerdem wäre unser Han­dels­über­schuss noch größer, wenn wir auch keine Energie mehr impor­tieren würden. Poli­tisch heikel? Tja, was ist das nicht? China? Türkei? Und das mit den Kli­ma­zielen hatten wir schon.
  • „Es tobt ein kaum ver­kappter Ener­gie­krieg zwi­schen den USA und Russland. (…) Aus­löser für die Spirale im Aus­verkauf fos­siler Energien war nämlich die Aus­weitung der För­derung von Öl und Gas in den USA mittels Fracking. Dies hat auf Anbie­ter­seite zu mas­siven Über­an­ge­boten und damit ver­bun­denen Preis­min­de­rungen geführt. (…) Bei sin­kender Nach­frage würde sich dieser ‘Kampf um fossile Energien’ eher ver­stärken. Des­wegen sollen die impor­tie­renden Länder als Kunden bei der Stange gehalten werden, damit der Absatz­markt nicht kleiner wird – was es erfordert, ihnen das Ener­gie­sparen und den Umstieg auf alter­na­tiven Energien so schwer wie möglich zu machen. Mit ent­spre­chendem Aufwand wird also die Kli­ma­de­batte dis­kre­di­tiert, die Ener­gie­wende blo­ckiert und im selben Atemzug eine ver­meint­liche fossile Ener­gie­si­cherheit vor­ge­gaukelt.“ – Daniel Stelter: Zunächst ist es rational, so viel von dem Öl zu ver­kaufen wie möglich, solange noch Nach­frage besteht. Zum anderen sind erneu­erbare Energien schon preislich wett­be­werbs­fähig, es ist also ganz natürlich, dass der Wandel weg vom Öl etc. Geschwin­digkeit auf­nimmt. Letztlich nehmen sich wohl beide Seiten nichts mit ihrer Des­in­for­mation. Bei­spiel: die angeb­lichen 97 Prozent aller Wis­sen­schaftler, die den men­schen­ge­machten Kli­ma­wandel bestä­tigen. Ordent­liche Sta­tis­tiker sehen da auch einige Rechen­tricks. Aber egal.
  • „(…) sollte es zu Lie­fer­un­ter­bre­chungen beim Öl kommen, würde das sofort erheb­liche Preis­stei­ge­rungen mit sich bringen. Und das hätte enorme negative wirt­schaft­liche Kon­se­quenzen in unseren aktuell leider über­wiegend öl-basierten Volks­wirt­schaften.“ – Daniel Stelter: wie übrigens auch dunkle, wind­stille Win­ter­wochen in den Ländern, die auf diese Energie setzen. Ich erinnere an die Warnung aus der Schweiz: → Dro­hender Strommangel
  • „Am besten und effi­zi­en­testen ließe sich die euro­päische Energie-Import­ab­hän­gigkeit so redu­zieren, wie es wohl jeder weit­sichtige Unter­nehmer täte: die hei­mische Ener­gie­pro­duktion aus­bauen, die Ener­gie­bezüge diver­si­fi­zieren und stra­te­gisch und effi­zient Speicher zum Einsatz bringen. Kurz: Eine kon­se­quente Ener­gie­wende wäre die beste Medizin für eine durch fossile Ener­gie­ab­hän­gigkeit dau­er­ge­fährdete euro­päische Wirt­schaft. Nicht zu ver­gessen: In der Kos­ten­bilanz stehen die erneu­er­baren Energien deutlich besser da als kon­ven­tio­nelle Energien.“ – Daniel Stelter: Abge­sehen von dem Han­dels­aspekt, wonach wir nicht nur expor­tieren können, stimmt es natürlich, dass es sich lohnt, erneu­erbar zu machen. Also, dann lasst es doch den Markt machen! Wozu jetzt weitere poli­tisch-steu­ernde Maß­nahmen, von denen wir wissen, dass sie viel kosten aber wenig bringen?
  • „(…) effektive Kli­ma­schutz-Maß­nahmen (werden) blo­ckiert, und wird der Umstieg hin zu einer auf erneu­er­baren und kli­ma­scho­nenden Energien basie­renden Wirt­schaft so behindert. Das demo­kra­tische Europa zeigt sich bereits seit Jahren auch im glo­balen Sinne ver­ant­wor­tungs­be­wusst und ver­sucht mit der Ener­gie­union nicht nur eigene wirt­schafts­po­li­tische Inter­essen, sondern eben auch weltweit rele­vante Kli­ma­ziele zu erreichen.“ – Daniel Stelter: ja was nun? Wird es „behindert“ oder sind wir „ver­ant­wor­tungs­be­wusst“?
  • „Für das Gelingen der Ener­gie­wende in Europa ist es somit not­wendig, dass der Anteil kon­ven­tio­neller Energien wie Kohle- und Atom­kraft, kon­ti­nu­ierlich sinkt.“ – Daniel Stelter: was nicht stimmt. Frank­reich betreibt seine Atom­meiler weiter und liegt deshalb mit dem Thema CO2 deutlich besser als wir. Auch der Umstieg auf Elek­tro­autos macht dort mehr Sinn als bei uns.
  • „Koh­le­kraft­werke pro­du­zieren nicht nur kli­ma­ge­fähr­liche Treib­hausgase und behindern damit die Errei­chung der Kli­ma­schutz­ziele, sie pro­du­zieren auch Umwelt­schäden wie bei­spiels­weise Queck­silber- und Fein­staub­emis­sionen. (…) Atom­kraft­werke sind ohnehin sehr risi­ko­reich und vor allem sehr teuer, da nicht nur der Bau, sondern auch der Rückbau der Anlagen und die End­la­gerung von Atommüll erheb­liche Kosten ver­ur­sachen. Diese nega­tiven externen Effekte sind ungleich höher als die der erneu­er­baren Energien.“ – Daniel Stelter: Wer wäre ich, das zu bezweifeln? Aber eine Frage habe ich dann schon: Wenn die Atom­kraft­werke schon gebaut sind und wir damit so oder so rück­bauen müssen, sollten wir sie dann nicht als Über­gangs­technik weiter nutzen? Sie sind doch schon da? O. k., das darf man ja nicht fragen, weil es bereits Ket­zerei ist. Dennoch wäre es aus öko­no­mi­scher und Kli­ma­schutz-Logik zumindest eine Über­legung wert.
  • Jeg­liche Inves­ti­tionen müssen heute in erneu­erbare, und nicht mehr in fossile oder atomare Tech­no­logien fließen. Dafür ist ein nach­hal­tiges Finanz­system zur Kana­li­sierung unaus­weichlich, weshalb der Green Deal der EU auch die Green-Finance-Archi­tektur ins Zentrum des Geschehens rücken. Damit die euro­päi­schen Anstren­gungen auch im glo­balen Wirt­schafts­system Widerhall finden, braucht es vor allem auch regu­la­to­rische Ände­rungen im Finanz­system (…), dass Europa allen Strei­te­reien zum Trotz im Zwei­felsfall zusam­menhält, hat sich zuletzt in der Bewerk­stel­ligung der gewal­tigen Finanz­krise von 2008 gezeigt und könnte sich jetzt in der glo­balen Kli­ma­krise ein zweites Mal erweisen – und zwar erneut dank seiner finanz­po­li­ti­schen Intel­ligenz.“ – Daniel Stelter: Da kann man nur lachen. „Finanz­po­li­tische Intel­ligenz“ ist in Europa ja wirklich weit aus­ge­prägt? Der Euro immer noch krank am Tropf der EZB, marodes Ban­ken­system, aber genau, die Leute, die dies zu ver­ant­worten haben, bauen jetzt das Finanz­system nach Kli­ma­ge­sichts­punkten um?
  • „Global fließen immer mehr Inves­ti­tionen in erneu­erbare als in fossile Energien zur Strom­her­stellung. Hier ist bereits ein Wen­de­punkt erreicht. Künftig werden riesige Inves­ti­tionen in nach­haltige Kli­ma­schutz-Tech­no­logien und Infra­struk­turen fließen. Die EU-Kom­mission hält zusätz­liche Inves­ti­tionen in Höhe von 180 Mil­li­arden Euro pro Jahr für not­wendig, um die euro­päi­schen Klima- und Ener­gie­ziele bis 2030 zu erreichen. Ange­sichts solcher Summen ist ein nach­hal­tiges Finanz­system zur Kana­li­sierung unaus­weichlich.“ – Daniel Stelter: O. k., ich bin einfach zu dumm. Wenn erneu­erbare Energien schon heute wett­be­werbs­fähig sind, wenn schon heute mehr Geld in diese Bereiche fließt und wenn es sich immer mehr rechnet, warum braucht man dann einen Ein­griff in die Freiheit der Inves­toren? Geht es in Wahrheit darum, einen wei­teren wich­tigen Schritt in Richtung Plan­wirt­schaft zu gehen? Ohnehin ist es doch kein Problem, die 180 Mil­li­arden von der EZB zu bekommen. Denn die freuen sich über jede Mög­lichkeit, die öko­no­mische Eiszeit zu bekämpfen.
  • „Eine ordent­liche und trenn­scharfe Klas­si­fi­zierung und darauf auf­bauend Stan­dards und Labels für grüne Finanz­markt­pro­dukte wird derzeit auf EU-Ebene ent­wi­ckelt. Bemer­kenswert ist, dass in diesem Zusam­menhang zwei Bench­marks für Nach­hal­tigkeit ent­wi­ckelt werden sollen: Neben einem weniger strikten „low-carbon-benchmark“, der Titel mit einem CO2-Fuss­ab­drucks unterhalb des Bran­chen­durch­schnitts beinhaltet, soll ein strik­terer „positive-carbon impact benchmark“ im Ein­klang mit dem 2‑Grad-Ziel von Paris ent­wi­ckelt werden, der Titel beinhaltet, die eine positive CO2-Bilanz auf­weisen.“ – Daniel Stelter: Welche Werte werden in Zukunft besser per­formen: jene, die erst beginnen, CO2 zu redu­zieren, weil sie a) diese Inves­ti­tionen bil­liger bekommen als die Vor­reiter (Erfah­rungs- und Ska­len­ef­fekte) und b) weil sie tiefer bewertet werden als die anderen Werte. Über­ren­diten ver­dienen jene, die diese Papiere kaufen und die im „grünen Produkt“ unter­ge­wichten. So wird sicher­ge­stellt, dass der ein­fache Sparer eine noch schlechtere Rendite erwirt­schaftet. Brillant.

  • „Ziel des Akti­ons­planes ist es, den Beitrag des Finanz­sektors zum nach­hal­tigen Wachstum zu stärken und dadurch die Finanz­sta­bi­lität durch Berück­sich­tigung von Umwelt­fak­toren zu erhöhen. (…) der­zeitige Regu­lie­rungs­vor­haben auf EU-Ebene, wie die Offen­legung von Nach­hal­tig­keits-Risiken durch Asset Manager und Asset Owner, wie sie im Vor­schlag des Sus­tainable Finance-Regu­lie­rungs­pakets oder im EU Banking Package ent­halten sind, sind eine wichtige Vor­aus­setzung dafür, eine größere Trans­parenz bzgl. Nach­hal­tig­keits­ri­siken von Invest­ments sowie des Geschäfts­be­triebs von Banken zu schaffen.“ – Daniel Stelter: Es soll eine Ver­teuerung des Kapitals für „braune Indus­trien“ erzwungen werden. Fein, aber wozu, wenn es sich doch schon heute rechnet, nicht mehr braun zu sein? Es ist der Versuch, die Kapi­tal­ströme zu lenken und damit im Kern die Abschaffung der Kern­freiheit der Marktwirtschaft.
  • „(…) der EU-Akti­onsplan hat das Potenzial, die Grundlage für eine Wende hin zu einem ins­gesamt nach­hal­tigen Finanz­system zu bilden. Und das wäre eine per­fekte Kom­bi­nation aus staatlich ver­ord­netem Kli­ma­schutz und Markt­wirt­schaft – ein echter Green New Deal.“ – Daniel Stelter: genauso nach­haltig wie das euro­päische Ban­ken­system, das zehn Jahre nach der Krise immer noch als fak­tisch insolvent anzu­sehen ist? Ins­gesamt nach­haltig würde aber vieles andere umfassen: mehr Eigen­ka­pital, weniger Spe­ku­lation, geringere Ver­schuldung der Real­wirt­schaft, Nor­ma­li­sierung der Zinsen … All dies taucht hier nicht auf, dennoch wird von „Nach­hal­tigkeit“ gesprochen.
  • „Das Ziel sollte sein, den Anteil erneu­er­barer Energien mög­lichst schnell deutlich ansteigen zu lassen. (…) Die Vor­teile für fossile Energien und Atom­energie sollten so schnell wie möglich abgebaut, den erneu­er­baren Energien Vorrang ein­ge­räumt und ihr Ausbau massiv for­ciert werden. Nur so wird es Europa gelingen, die Vor­teile für die Volks­wirt­schaften, die sich aus einem stär­keren Kli­ma­schutz und der Tech­no­lo­gie­füh­rer­schaft durch Inno­va­tionen und Wett­be­werbs­vor­teilen ergeben, heben zu können. (…) Jedes Land sollte den Umstieg hin zu einer Voll­ver­sorgung mit erneu­er­baren Energien so schnell wie möglich vor­an­bringen.“ – Daniel Stelter: Koste es, was es wolle. Nun, ich würde sagen, der Kom­mentar ist mei­nungs­stark aber nicht über­zeugend. Es werden viele Behaup­tungen auf­ge­stellt, die nicht zusam­men­passen. Im Kern bleibt der Ein­druck, dass es darum geht, die freie Allo­kation knapper Res­sourcen, die dank der EZB zunehmend ohnehin nicht knapp sind, weiter ein­zu­schränken. Zum Nachteil für Wachstum in der Zukunft.

Dr. Daniel Stelter – www.think-beyondtheobvious.com