Putin auf Staats­besuch in Saudi-Arabien — Worüber die deut­schen Medien nicht berichtet haben

Der rus­sische Prä­sident Putin war letzte Woche auf einem wich­tigen Staats­besuch auf der ara­bi­schen Halb­insel, über den in Deutschland gar nicht berichtet wurde. Dafür hat das rus­sische Fern­sehen in der Sendung „Nach­richten der Woche“ aus­führlich darüber berichtet. 
Ich habe Teile des Inter­views über­setzt, das Putin drei ara­bi­schen TV-Sendern vor seiner Abreise nach Saudi-Arabien und in die Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emirate gegeben hat. Dort konnte man schon her­aus­hören, dass der Besuch wahr­scheinlich weitere wichtige Wei­chen­stel­lungen bringen würde, nachdem Russland sich bereits im Syri­en­krieg als wichtige Macht im Nahen Osten eta­bliert hat und den USA den Rang als Nummer eins in der Region streitig macht. Dass Russ­lands Gewicht am Per­si­schen Golf wächst, konnte man nun auch bei den aktu­ellen Staats­be­suchen beobachten.
Das rus­sische Fern­sehen hat darüber in zwei Bei­trägen berichtet. Vor allem der Bericht aus den Emi­raten zeigt sehr unge­wöhn­liche Bilder, die in dem Bericht kom­men­tiert werden. So wurden dort sogar die Poli­zei­wagen, die Putins Limousine eskor­tiert haben, umla­ckiert und sahen aus, wie rus­sische Poli­zei­wagen, während Kampf­flug­zeuge eine riesige rus­sische Fahne in den Himmel malten und auf Wol­ken­kratzern hun­derte Meter hohe Bilder von Putin auf über 120 Etagen pro­ji­ziert wurden. Ich habe die Berichte des rus­si­schen Fern­sehens über Putins Staats­be­suche in Saudi-Arabien und den Ver­ei­nigten Emi­raten über­setzt, weil in Deutschland darüber nichts in den Medien zu hören war.
Beginn der Übersetzung:
Am 14. Oktober stattete Prä­sident Putin Saudi-Arabien einen Staats­besuch ab, danach flog der rus­sische Staatschef in die Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emirate, auch zu einem Staatsbesuch.
Es geht um die wich­tigsten Themen für unsere Länder, für den Nahen Osten und den ganzen Pla­neten. Ein ein­facher Ver­gleich: Amerika läuft mit der Idee durch die Gegend, eine „ara­bische NATO“ zu schaffen, um auch wei­terhin im Nahen Osten Kriege zu pro­vo­zieren und seine Waffen dort für diese Kriege ver­kaufen, damit, wie im Falle der bestehenden NATO, der neue Block auch zu einem Werkzeug für die US-Kriegs­po­litik werden würde. Russland bietet dagegen eine andere Idee an: eine fried­liche Orga­ni­sation für Sicherheit und Zusam­men­arbeit in der Region am Per­si­schen Golf zu schaffen, auch mit einer Ein­ladung an die Ver­ei­nigten Staaten und China. Es wäre eine Plattform, um Lösungen zu finden und gegen­seitige Inter­essen zu berück­sich­tigen. Noch ist nicht jeder dazu bereit, aber spüren Sie den Unter­schied in den Ansätzen?
Auf jeden Fall ist Russ­lands Politik in der Region trans­parent, ver­ständlich, ohne dop­pelten Boden und wirklich auf­richtig. Darüber hinaus hat Putin keine kul­tu­rellen Bar­rieren bei der Kom­mu­ni­kation mit den Führern der ein­fluss­reichsten Länder der isla­mi­schen Welt. Schließlich gibt es dut­zende Mil­lionen Muslime in Russland. Wir hatten noch nie Reli­gi­ons­kriege, ganz im Gegensatz etwa zu Europa. Und wenn Muslime für die Führer der Euro­päi­schen Union oder Ame­rikas Fremde sind, dann sind sie es für uns nicht. Und während dieses Besuchs zum Bei­spiel herrschte in Riad eine solche Atmo­sphäre, dass die Mit­glieder der Dele­gation nur eines gemeinsam bedauert haben: Warum ist diese emo­tionale Nähe nicht schon früher entstanden?
Die Ehren­wache ver­suchte ihr Bestes, um im Rhythmus zu bleiben und eine per­fekte Linie zu bilden. Direkt am Flug­hafen gab es eine Salve zur Begrüßung. Es war Wla­dimir Putins erster Besuch in Saudi-Arabien seit 12 Jahren.
Im Königs­palast wurde die Prä­si­den­ten­li­mousine von einer Abteilung Reiter eskor­tiert. Die Köpfe der Reiter sind in Kufia, Beduinen-Kopf­tücher, gewi­ckelt. Das ist nicht nur eine Hommage an die Tra­dition. Wie vor Hun­derten von Jahren schützt sie in der Wüste auch heute vor der Hitze: in Riad sind es plus 40 Grad.
Auf jeder Seite gibt es eine große Dele­gation: Minister, Ver­treter des Militärs, regionale Führer, unter ihnen der Prä­sident von Tsche­tschenien, Ramsan Kadyrow, und Ver­treter der Zivil­ge­sell­schaft der beiden Länder.
Die rus­sische Natio­nal­hymne klingt – in jeder Hin­sicht – in diesem könig­lichen Palast besonders, denn Besucher aus dem Ausland waren hier früher meistens Ame­ri­kaner. Seit seiner Gründung im Jahr 1932 ist Saudi-Arabien mit den Ver­ei­nigten Staaten ver­bündet. Umso deut­licher fällt auf, wie gut die Bezie­hungen zwi­schen Moskau und Riad jetzt sind.
„Wir betrachten die rus­sisch-sau­dische Koor­di­nierung als ein not­wen­diges Element der Sicherheit im Nahen Osten und in Nord­afrika. Ich bin davon über­zeugt, dass es ohne die Betei­ligung Ihres Landes unwahr­scheinlich ist, dass eine gerechte und lang­fristige Lösung der regio­nalen Pro­bleme erreicht werden kann“ betonte Wla­dimir Putin.
„Wir bemühen uns, jederzeit mit Ihrer Exzellenz in allen Fragen zusam­men­zu­ar­beiten, die zu Sicherheit, Sta­bi­lität und Frieden, dem Kampf gegen Ter­ro­rismus und Extre­mismus bei­tragen können“ sagte König Salman bin Abdu­laziz Al Saud von Saudi-Arabien.
Die rus­si­schen Erfolge in Syrien haben die herr­schende Al-Saud-Dynastie beein­druckt. Doch während des Krieges in der syri­schen Republik folgte Riad Washington und wie­der­holte, dass Assad abtreten müsse. Aber abge­treten ist inzwi­schen Obama und es wurde klar, dass der rus­sische Ansatz vor­aus­schau­ender war und Moskau sein Wort hält. Das wird im Osten besonders hoch geschätzt.
Der engste ame­ri­ka­nische Ver­bündete in der ara­bi­schen Welt wendet sich Russland zu und das wurde in Washington eifer­süchtig beob­achtet. Einige ame­ri­ka­nische Jour­na­listen kamen sogar eigens nach Riad, um über den Besuch des rus­si­schen Prä­si­denten zu berichten.
„Die US-sau­dische Allianz bleibt stark, aber jetzt steht Putin hier gerade auf dem roten Teppich. Und, wie Offi­zielle in Saudi-Arabien sagten, die Zeiten, als die Saudis einen ein­zigen stra­te­gi­schen Partner hatten, sind vorbei.“ berichtete CNN.
„Im Nahen Osten schießen Putins Aktien in die Höhe und Trumps Aktien sind ein­ge­brochen. Wir sehen, wie Putin zum ersten Mal seit mehr als 10 Jahren nach Saudi-Arabien gereist ist und er wird vom König emp­fangen. Wir sehen, wie sich überall Länder des Nahen Ostens Russland zuwenden. Putin ist in vie­lerlei Hin­sicht der Held des Tages. Er ist ein Staatsmann, der mit allen sprechen kann und jeder wendet sich an ihn, um die Kon­flikte zu schlichten, die sich im Nahen Osten aus­ge­breitet haben“ sagte Joshua Landis, Direktor des Center for Middle East Studies an der Uni­versity of Oklahoma.
Riad ist direkt in viele der Kon­flikte ver­wi­ckelt. Und es erleidet Ver­luste. Was hat alleine der Droh­nen­an­griff auf die Öl-Infra­struktur des König­reichs im Sep­tember gekostet, die angeblich von ame­ri­ka­ni­scher „Patriot“ Luft­abwehr sicher vor Luft­an­griffen geschützt war?
Die sau­dische Armee hat Waffen im Wert von meh­reren Dutzend Mil­li­arden Dollar gekauft. Zu den Lie­fe­ranten gehören die USA, Frank­reich und China. Das Luft­ver­tei­di­gungs­system ist in die US-Luft­abwehr inte­griert, aber am Ende war das Land durch Angriffe von zwei Dutzend ein­fachen Drohnen verwundbar.
Die Stärkung der Luft­ver­tei­digung des König­reichs ist auch ein mög­licher Bereich der Zusam­men­arbeit zwi­schen Russland und Saudi-Arabien. Aber der Fokus liegt an erster Stelle natürlich auf der Ener­gie­wirt­schaft: Die beiden Länder gehören zu den füh­renden Ölpro­du­zenten der Welt.
„Wir messen der rus­sisch-sau­di­schen Koor­di­nierung der Lage auf dem Welt­ener­gie­markt große Bedeutung bei. Mit aktiver Betei­ligung unserer Länder war es möglich, die OPEC-Plus-Abkommen zu ver­längern, um die Ölpro­duktion zu redu­zieren“ sagte Putin.
Der OPEC-Plus-Vertrag hat Kon­kur­renten zu Partnern gemacht, denn unter den Bedin­gungen des glo­balen poli­ti­schen Chaos braucht jeder Sta­bi­lität, ins­be­sondere bei der Frage der Ölpreise. Das Abkommen war nicht einfach, weil jeder seine eigenen Vor­stel­lungen davon hat, was ein „akzep­tabler“ Preis ist.
„Während Russland einen Ölpreis von 45 Dollar pro Barrel benötigt, braucht Saudi-Arabien bei­spiels­weise nach Schät­zungen des IWF 85 Dollar pro Barrel, um den Haushalt aus­zu­gleichen. Daher müssen sie noch einen schwie­rigen Weg gehen. Aber die Zusam­men­arbeit mit Russland auf ver­schie­denen Gebieten wird es ihnen ermög­lichen, das so effi­zient wie möglich zu tun, indem sie teurere Importe aus Amerika und aus anderen Ländern durch rus­sische Lebens­mittel, rus­sische Metalle, Holz, Möbel und andere Waren in die Zusam­men­arbeit mit ein­be­ziehen“ sagte Maxim Oreschkin, Minister für wirt­schaft­liche Ent­wicklung der Rus­si­schen Föderation.
Saudi Aramco ist der größte Öl-Pro­duzent und das pro­fi­ta­belste Unter­nehmen der Welt. Es bereitet sich auf einen Bör­sengang vor. Es wird geschätzt, dass der Verkauf von nur 1% Prozent seiner Aktien 20 Mil­li­arden Dollar ein­ringen könnte. Aber es ist jetzt schwierig, sich hier auf die Unter­stützung ame­ri­ka­ni­scher Ver­bün­deter zu verlassen.
Aramco steht für Arab-Ame­rican Company. Seit seiner Gründung ist der Ölgigant Saudi-Ara­biens unter ame­ri­ka­ni­scher Kon­trolle gewachsen. Jetzt sind die USA selbst einer der größten Ölpro­du­zenten und das König­reich hat das zu spüren bekommen.
Kron­prinz Mohammed bin Salman ent­wi­ckelt aktiv alles, was nichts mit Öl zu tun hat. Es gibt ein Pro­gramm namens „Vision 2030“. Rus­sische Tech­no­logien sind gefragt. Ein Invest­ment­fonds im Wert von 10 Mil­li­arden Dollar ist bereits aktiv.
„Jetzt gibt es eine Gele­genheit für die rus­sische Eisenbahn, hier zu arbeiten, eine Gele­genheit für unsere High-Tech-Unter­nehmen, Pro­jekte im Bereich der künst­lichen Intel­ligenz umzu­setzen. Das ist eine Gele­genheit für uns, Zugang zu einem der größten Märkte im Nahen Osten zu erhalten, ein­schließlich der Land­wirt­schaft, weil sie eine Gele­genheit ist, nach Saudi-Arabien und in andere Golf­staaten zu expor­tieren“ sagte Kirill Dmitriev, CEO des Rus­si­schen Private Equity Fonds.
Eine direkte Folge davon ist die Tat­sache, dass Russland, wie es in der angel­säch­si­schen Welt genannt wird, zum „wich­tigsten Broker des Nahen Ostens“ geworden ist, also zu einem Land, das trotz aller scharfen Gegen­sätze der Region wirklich gute Geschäfte macht.
Wla­dimir Putin wurde am fol­genden Tag auch in den Ver­ei­nigten Ara­bi­schen Emi­raten emp­fangen. So eine von Kampf­flug­zeugen in den Himmel gemalte rus­sische Tri­kolore gibt es sonst nur am Tag des Sieges über den Faschismus in Moskau zu sehen. Es war, als wollten sie, dass sich der rus­sische Prä­sident wie zu Hause fühlt, auch beim kleinsten Detail. Sogar die Poli­zei­wagen waren neu lackiert und fuhren als rus­sische Poli­zei­wagen mit kyril­li­schen Buch­staben, die für die Bewohner von Abu Dhabi völlig unbe­kannt waren.
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„Selbst in der kurzen Zeit auf der Fahrt vom Flug­hafen zur offi­zi­ellen Residenz kann man schon aus dem Auto­fenster sehen, wie schnell sich Ihr Land ent­wi­ckelt, wie es besser und besser aus­sieht“ sagte Wla­dimir Putin.
Er konnte auch die große Anzahl rus­si­scher Flaggen nicht über­sehen, sogar Gebäude wurden in den Farben der Tri­kolore ange­strahlt, Fotos von Putin auf 9 mal 120 Stock­werken leuch­teten von Wol­ken­kratzern herab. Mit solchen Partnern ist es natürlich sinnvoll, in allen Bereichen besondere wirt­schaft­liche Bin­dungen auf­zu­bauen. Die neuen Ver­träge hier bedeuten neue Arbeits­plätze in Russland.
„Es wurden neue Ver­träge geschlossen. Wir sprechen über Pro­jekte im Wert von etwa 1,4 Mil­li­arden Dollar, die eine Vielzahl von Branchen abdecken“ sagte der rus­sische Präsident.
Das Fern­sehen der Emirate zeigte den ganzen Tag Filme über Russland. Berichte über Putins Kindheit, Jugend und seine Arbeit als Prä­sident. Bei plus 40 Grad waren Bilder von Putins Neu­jahrs­an­sprachen im Schnee vor dem Kreml besonders außergewöhnlich.
Als Putin gerade in Abu Dhabi ange­kommen war, fingen die Kinder auf dem Flug­hafen an, etwas aus Zau­ber­würfeln zu bauen. Dann, als er gerade gehen wollte, zeigten sie, woran sie den ganzen Tag gebaut hatten: Es war ein Mosaik über Putins Staats­besuch aus den Teilen von Zauberwürfeln.
Das geo­po­li­tische Mosaik aber sieht jetzt so aus, dass Russland im Nahen Osten beson­deren Respekt genießt.
„Wir wissen, wie der Westen mit uns Moslems umgeht. Deshalb sind wir heute im Hin­blick auf die Wirt­schaft für die ara­bische Welt unver­zichtbar“ sagte der tsche­tsche­nische Regie­rungschef Ramsan Kadyrow.
Die Freund­lichkeit wurde hier bis zur letzten Minute demons­triert. Der rus­sische Prä­sident und der Kron­prinz fuhren gemeinsam zum Flug­hafen, und zwar in Putins Limousine. Nach einem kleinen Hin und Her bestand Putin darauf, dass der Prinz seinen Platz im Auto ein­nehmen sollte. Während dieser Fahrt hatten sie wahr­scheinlich auch noch einiges zu besprechen.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“