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Besser als sein Ruf: Weltbank ver­öf­fent­licht über­ra­schende Studie zum Geschäfts­klima in Russland

Im Gegensatz zu vielen Vor­ur­teilen über Russland sind die Geschäfts­be­din­gungen in Russland weit besser, als ihr Ruf. Die Weltbank ana­ly­siert jährlich das wirt­schaft­liche Umfeld in 190 Ländern und das Ergebnis ist überraschend.
Die Russen sind den Deut­schen in einem sehr ähnlich: Sie schimpfen gerne über ihr eigenes Land. Daher fällt manche anti-rus­sische Pro­pa­ganda auch in Russland selbst auf frucht­baren Boden. Die Russen denken, in ihrem Land wäre alles ganz schrecklich und wenn das irgendwo bestätigt wird, glauben sie es mit Ver­gnügen. Wenn ich ihnen dann von Deutschland erzähle, können viele gar nicht glauben, dass es dort kei­neswegs besser ist, als in Russland. Viele Pro­bleme sind iden­tisch, manche unter­scheiden sich, in manchem hat Deutschland die Nase vorne, in manchem aber auch Russland. Unterm Strich muss man in jedem der Länder bei einigen Dingen Abstriche machen und jeder muss für sich selbst am Ende ent­scheiden, wo es ihm besser gefällt.
Aber die nega­tiven Vor­ur­teile über Russland sitzen oft so tief, dass ich viele davon auch geglaubt habe.
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Wenn man Dinge aber über­prüft, recher­chiert und ihnen auf den Grund geht, kann man manche Über­ra­schung erleben. Die Russen sind zum Bei­spiel der Über­zeugung, die Kri­mi­na­lität wäre hoch in Russland und Eltern sind sehr ängstlich, ihre Kinder alleine auf die Straße zu lassen. Als ich zu dem Thema recher­chiert habe, war ich sehr über­rascht zu sehen, dass die Kri­mi­na­lität in Deutschland fast drei Mal so hoch ist, wie in Russland. Gut, ich habe mich in Russland immer sicher gefühlt und mir ist außer einem Taschen­dieb­stahl in über 20 Jahren in Russland nie etwas geschehen. Aber das der Unter­schied so gewaltig ist, hätte ich nicht gedacht.
Eine ähnlich große Über­ra­schung habe ich beim Thema Rente erlebt. Schließlich ist ja all­gemein bekannt, dass die rus­si­schen Renten mise­rabel sind und nicht zum Leben reichen. Als ich jedoch zu dem Thema recher­chiert habe und in die Rechnung auch alle Fest­kosten ein­be­zogen habe, also Mieten, Kran­ken­ver­si­cherung, ÖPNV und so weiter, war meine Über­ra­schung wieder groß. Nach all den Abzügen, die ein Rentner in Deutschland hat, bleibt ihm zum Leben kaum mehr, als einem rus­si­schen Rentner, der all diese Abzüge nicht kennt, dafür aber Pri­vi­legien hat, wie zum Bei­spiel kos­ten­losen ÖPNV für Rentner. Der Unter­scheid zwi­schen deut­schen und rus­si­schen Renten lag nach Berück­sich­tigung der Abzüge in Deutschland und der Pri­vi­legien in Russland am Ende bei ca. 20 Euro monatlich zu Gunsten des deut­schen Rentners.
Und heute nun habe ich etwas über das wirt­schaft­liche Umfeld in Russland gelernt. Die Weltbank gibt einmal pro Jahr eine Unter­su­chung heraus, die das Geschäfts­umfeld von 190 Ländern in zehn Bereichen, dar­unter die Vergabe von Bau­ge­neh­mi­gungen, der Zugang zu Elek­tri­zität und die Zahlung von Steuern ver­gleicht. Das Ergebnis ist über­ra­schend: Russland ist in diesem Jahr vom 31. auf den 28. Platz geklettert. Zum Ver­gleich: Deutschland liegt auf Platz 22 nur knapp vor Russland. Noch über­ra­schender aber ist, dass Russland damit noch vor Ländern wie Japan, Frank­reich, Spanien und sogar der Schweiz liegt.
Wer mit rus­si­schen Geschäfts­leuten spricht, bekommt hin­gegen den Ein­druck, dass alles in Russland furchtbar schwierig sei. Wenn sie mir dann aber von ihren Pro­blemen erzählen, muss ich oft lachen: Kleine und mit­tel­stän­dische zahlen nicht mehr als 15 Prozent Steuern und sie finden die Steu­erlast enorm hoch. Wenn ich denen dann von den Steu­er­sätzen in Deutschland erzähle, glauben mir manche kein Wort. Gleiches gilt übrigens für die Lohn- bzw. Ein­kom­mens­steuer: Russland hat eine Flatrate von 13 Prozent und eine Steu­er­erklärung braucht nur machen, wer davon noch etwas absetzen kann, zum Bei­spiel eine Hypothek.
Jeden­falls war ich über­rascht, dass ein wei­teres Vor­urteil über Russland heute bei mir gefallen ist, an das ich irgendwie unter­be­wusst auch selbst geglaubt habe: Das schlechte geschäft­liche Umfeld in Russland. Tat­sächlich ist es weit besser, als sein Ruf. Pro­bleme gibt es noch genug, aber den Ver­gleich zu anderen Ländern braucht Russland nicht zu scheuen. 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“