Ich habe ausführlich über den „Ukraine-Skandal“ berichtet und die deutschen Medien erzählen uns jeden Tag, dass Trump angeblich schuldig ist und unter großem Druck steht. Ich habe immer wieder darauf hingewiesen, dass die deutschen Medien dabei allerdings großzügig alles verschweigen, was nicht in dieses Narrativ passt. Was wir aber noch kaum gesehen haben, sind russische analytische Einschätzungen dazu. Und so eine habe ich unter der Überschrift „Der Grund für das Impeachment ist die Ukraine, aber Russland ist am Ende Schuld“ als Gastkommentar in der russischen Nachrichtenagentur TASS gefunden und für all jene übersetzt, die sich dafür interessieren, wie in Russland über die Show in Washington gedacht wird.
Beginn der Übersetzung:
Es ist schwer zu sagen, ob die Versuche der amerikanischen Demokraten, den republikanischen Präsidenten Donald Trump von der Macht zu entfernen, erfolgreich sein werden. Es ist möglich, dass das vom US-Repräsentantenhaus eingeleitete Amtsenthebungsverfahren die gegenteilige Wirkung haben und den Demokraten selbst schaden wird, weil in dem Verfahren für die Demokraten unangenehme Tatsachen und Umstände auftauchen werden.
Auf jeden Fall zeichnen die Aussagen, die während der geschlossenen Anhörungen zu Stande gekommen sind, ein eher abstoßendes Bild von dem, was in den USA politisch hinter den Kulissen vor sich geht. Gleichzeitig erscheinen die Vertreter der ehemaligen und der gegenwärtigen ukrainischen Regierung, die in die innenpolitischen Kämpfe in der USA verwickelt sind, in einem schlechten Licht.
Doch wie auch immer es enden mag, am Ende wird Russland für alles verantwortlich gemacht werden.
Das Mariechen
Politische Gegner werfen Trump vor, während eines Telefonats mit Selensky im Juli versucht zu haben, den ukrainischen Präsidenten unter Druck zu setzen, gegen den Sohn des ehemaligen US-Vizepräsidenten Joe Biden zu ermitteln, der bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen als Trumps wahrscheinlichster Rivale gilt. Mit anderen Worten, Trump beabsichtigte, einen ausländischen Staatsmann zu benutzen, um den wichtigsten politischen Rivalen auszuschalten.
Dieses Telefonat war der Grund für die Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens gegen den Chef der amerikanischen Regierung. US-Beamte und Diplomaten, die auf die eine oder andere Weise mit der Ukraine in Verbindung stehen, wurden zu nicht öffentlichen Anhörungen im Repräsentantenhaus vorgeladen. Unter ihnen war die ehemalige US-Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, die Trump in dem Telefonat als „unangenehmen Menschen“ bezeichnet hat, die in der Ukraine mit „schlechten Leuten“ kommuniziert habe (später allerdings änderte er seine Meinung und nannte sie „eine sehr gute Frau“).
Yovanovitch wurde 2016 unter dem demokratischen Präsidenten Barack Obama als Botschafterin nach Kiew geschickt und im Mai 2019 trat sie auf persönlichen Wunsch Trumps zurück, der ihr Illoyalität vorwarf. Ihr Rücktritt fand schon vor der Amtseinführung des derzeitigen ukrainischen Präsidenten Vladimir Selensky statt, weshalb ihre Aussagen, die Zeit von Selenskys Vorgänger, Petro Poroschenko, betreffen.
Angesichts des skandalösen Charakters von Maries Rücktritt glaubten Trumps politische Gegner offenbar, dass ihre Aussage im Amtsenthebungsverfahren fast entscheidend sein könnte und Yovanovitch versuchte, die Erwartungen zu erfüllen. Nach ihren Worten hat Trumps Berater Rudolph Giuliani noch Ende 2018 versucht, Kontakt mit dem Generalstaatsanwalt der Ukraine, Jurij Lutsenko, und anderen ukrainischen Beamten herzustellen, die bei der Untersuchung der Aktivitäten von Joe Biden und seinem Sohn helfen könnten.
Nach dem Protokoll der Aussage zu urteilen, musste die Erwähnung Bidens fast mit der Zange aus ihr herausgezogen werden. Dafür erzählte die Ex-Botschafterin lange und bereitwillig, dass das Ziel des Beraters von Trump und seinen ukrainischen Kontakten darin bestehe, „ihr in den Vereinigten Staaten zu schaden“.
Sie arbeitete gegen Trump
Vielleicht war Yovanovitch damit nicht weit von der Wahrheit entfernt, denn nach ihren eigenen Aussagen zu urteilen, versuchte sie, auf ihrem Posten in Kiew, die Untersuchung der ukrainischen Einmischung in die amerikanischen Wahlen um jeden Preis zu verhindern.
Es ist kein Geheimnis, dass diejenigen, die die Ukraine seit der sogenannten „Revolution der Würde“ im Jahre 2014 regierten, von der Obama-Administration gefüttert, gestreichelt und am Ende an die Macht gebracht wurden. Und als Dank setzten sie im US-Wahlkampf 2016 auf die demokratische Kandidatin Hillary Clinton und nicht auf den Republikaner Trump. Sie übergaben sogar Dokumente an die Demokraten, die dazu beitrugen, Trumps Wahlkampfmanager Paul Manafort zu kompromittieren, der zuvor für den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch und seine „Partei der Regionen“ gearbeitet hatte. Manafort wurde schließlich zum Rücktritt gezwungen und später wegen Steuerhinterziehung verurteilt.
Doch es half den Demokraten nicht und ihre Kandidatin Clinton verlor die Wahl. Und die ukrainische Regierung, die beim Wahlsieger Trump Wiedergutmachung leisten und sich rechtfertigen wollte, versuchte nun, gegen die Demokraten zu spielen. Und das versuchte Yovanovitch vehement zu verhindern.
Wie aus ihren Aussagen bei den Anhörungen im Repräsentantenhaus hervorgeht, forderte sie beispielsweise die Konsularbeamten der US-Botschaft in Kiew auf, dem ehemaligen ukrainischen Generalstaatsanwalt Viktor Schokin ein US-Visum unter dem Vorwand seiner „bekannten korrupten Handlungen“ zu verweigern. Während seiner Zeit als Generalstaatsanwalt versuchte Schokin, die Aktivitäten des ukrainischen Gaskonzerns zu untersuchen, in dem Biden Junior arbeitete. Biden Senior prahlte später offen damit, dass er es war, der Schokins Kündigung angeordnet hat. Als Schokin sich nach Übersee aufmachen wollte, um Mitgliedern des Trump-Teams davon zu erzählen, wurde ihm das Visum verweigert.
Aus dem gleichen Grund behinderte Yovanovitch die Kontaktaufnahme von Vertretern der Trump-Administration mit Generalstaatsanwalt Lutsenko. Wie Marie erzählte, ersuchte er um Treffen mit dem US-Generalstaatsanwalt, dem Direktor des FBI usw., und behauptete, wichtige Informationen zu haben. Als Reaktion wurde ihm angeboten, sich mit dem Rechtsattaché des FBI in der amerikanischen Botschaft in Kiew zu treffen.
Yovanovitch sagte auch, dass der ukrainische Innenminister Arsen Awakow sie vor den Absichten von Menschen aus Poroschenkos Umfeld warnte, die sich „in die amerikanische Politik einmischen“ wollten. Es ist möglich, dass Awakows enge Kontakte zur amerikanischen Botschaft erklären, warum er nach dem Regierungswechsel als einziger von Poroschenkos Ministern im Amt blieb und und unter Selensky weiterhin Innenminister ist.
Die ukrainische Spur
Die Aussagen anderer hochrangiger Diplomaten, die im Repräsentantenhaus hinter verschlossenen Türen verhört wurden, dürften kaum dazu beitragen, ein Amtsenthebungsverfahren zum Erfolg zu führen. Der US-Botschafter bei der EU, Gordon Sonland, deutete jedoch an, dass die Aussetzung der US-Militärhilfe für die Ukraine möglicherweise mit dem Wunsch von Trumps Umfeld zusammenhing, öffentliche Erklärungen über den Kampf gegen Korruption aus Kiew zu erhalten, in denen der Gaskonzern Burisma, in dem Biden Junior gearbeitet hat, erwähnt wird. „Ich habe keine glaubwürdige Erklärung für die Aussetzung der Militärhilfe und ging davon aus, dass die Suspendierung mit der angeblichen Anti-Korruptions-Erklärung zusammenhängt“, sagte Sondland.
Das Weiße Haus stellte fest, dass eine solche Formulierung, die nichts handfestes enthielt, kaum als glaubwürdig angesehen werden könne.
In der Aussage des ehemaligen US-Sonderbeauftragten für die Ukraine, Kurt Volker, können die Demokraten, die das Amtsenthebungsverfahren eingeleitet haben, bestenfalls kritische Aussagen gegen Trumps Berater Rudy Giuliani finden. Nach seinen Worten habe Giulianis „negatives Narrativ“ über das Vorgehen der ukrainischen Regierung während Poroschenkos Herrschaft eine sehr negative Haltung Trumps gegenüber Kiew hervorgerufen und den Aufbau von Beziehungen behindert.
Doch Volker dementierte vehement alle Vorwürfe, dass das Weiße Haus Ermittlungen gegen die Bidens als Voraussetzung für ein persönliches Treffen von Trump und Selensky gefordert hat. „Nein“, sagte der Diplomat, „Die Antwort ist nein. Es gab Schwierigkeiten bei der Planung des Treffens, aber es gab keinen solchen Zusammenhang.“
Zugleich nannte es der ehemalige Sonderbeauftragte der Ukraine „absolut plausibel“, dass die Ukrainer versucht haben könnten, die US-Präsidentschaftswahl zu beeinflussen oder „Einfluss zu kaufen“. Und er fügte hinzu, dass es Kiews Versuche waren, auf der Seite der Demokraten im Wahlkampf „zu spielen“ und Kiew selbst so die negative Haltung Trumps gegenüber der ukrainischen Regierung gebildet hat.
„Schreckliche Menschen“
Man muss zugeben, Trump hatte allen Grund für seine negative Haltung. Nachdem sie 2016 auf Clinton gesetzt und ukrainische Politiker den Chef der republikanischen Wahlkampfzentrale mit Schmutz überschüttet hatten, prügelten sie in der Hitze des Wahlkampfes auch noch verbal auf Trump selbst ein. Vor allem, nachdem er die Möglichkeit der Anerkennung der Krim als Teil Russlands ins Spiel gebracht hatte.
Arseni Jatsenyuk, ehemaliger ukrainischer Premierminister und Vorsitzender der Partei „Volksfront“, nannte Trumps Erklärung „eine Herausforderung für die Werte der freien Welt“ und „einen Schritt gegen ethische und zivilisatorische Prinzipien“. Oleksandr Turtschinow, Vorsitzender es Nationalen Verteidigungs- und Sicherheitsrates der Ukraine, bezeichnete die Worte des republikanischen Kandidaten als „gefährliche Versuche, den Kurs der Vereinigten Staaten zu überdenken“. Der Chef des Innenministeriums, Awakow, ging sogar noch weiter und nannte Trump ein „gefährliches und schamloses Nichts“.
Der damalige ukrainische Präsident Poroschenko verzichtete auf solche harschen Bemerkungen, aber ein paar Monate vor der Wahl traf er sich mit Hillary Clinton, vor der er vor Unterwürfigkeit zerbröselte. Und über den republikanischen Kandidaten Trump sagte er, für ein Gespräch mit ihm habe er nicht mehr als 20 Sekunden Zeit.
Nach Trumps Wahlsieg löschten die ukrainischen Politiker die Kritik an ihm aus sozialen Medien und Poroschenko begann, um ein Treffen mit Trump zu betteln. Aber bei ihm hatte das natürlich Spuren hinterlassen. Wie die „Washington Post“ in diesem Zusammenhang behauptete, empfand der republikanische Präsident von seinen ersten Tagen im Weißen Haus an einen „unbeugsamen Hass“ auf die Ukraine.
Die negative Haltung Trumps gegenüber der ehemaligen ukrainischen Regierung, von der der ehemalige Sonderbeauftragte für die Ukraine Trump nach eigenen Worten „herunterholen“ wollte, habe sich auch auf Selensky bezogen. Der amerikanische Präsident glaubte, dass er, wie sein Vorgänger Poroschenko, von „schrecklichen Menschen“ umgeben sei, die „alle korrupt“ seien.
Aber am Ende ist Russland schuld
Natürlich kann man Selensky nicht beneiden, er muss jetzt das ausbaden, was sein Vorgänger und dessen Gönner in den Vereinigten Staaten in fünf Jahren angerichtet haben. Vielleicht hat der ukrainische Präsident zur Lösung dieser schwierigen Aufgabe vor kurzem den amerikanischen Berater und Anwalt Roman Mack als freiberuflichen Berater angeheuert, der über umfangreiche Erfahrung in der Ukraine verfügt und sich auf Fragen der Beziehungen von ukrainischen Unternehmen zu Partnern aus den Vereinigten Staaten versteht. Es ist möglich, dass Mack beauftragt wird, den Fall so zu regeln, dass Trump eine Untersuchung gegen die Firma „Burisma“ bekommt, die aber Biden nicht gefährlich wird.
Doch was auch immer aus Trumps Amtsenthebung und möglichen Ermittlungen gegen die Bidens werden mag, am Ende wird Russland die Schuld gegeben. Es ist kein Zufall, dass während der Anhörungen im Repräsentantenhaus immer wieder an die berüchtigte „Verschwörung mit Russland“ erinnert wurde, die angeblich dazu führte, dass Trump die Wahl 2016 gewann. Und die Hinweise auf die „russische Aggression“ in der Ukraine und die Notwendigkeit, „Positionen gegen Russland zu stärken“, die in den Aussagen von Yovanovitch und Volker zu hören waren, spiegeln ganz klar die Stimmung des größten Teils des amerikanischen politischen Establishments wider.
Was will man aber über pensionierte Diplomaten und oppositionelle Kongressabgeordnete sagen, wenn vor kurzem sogar hochrangige Vertreter der US-Administration, wie Justizminister William Barr, Pentagon-Chef Mark Esper und der amtierende Innenminister Kevin McElnan eine gemeinsame Erklärung abgegeben haben, in der es hieß: „Russland, China, Iran und andere ausländische Interessengruppen werden versuchen, sich in die Wahl im kommenden Jahr einzumischen oder die Meinung der Wähler zu beeinflussen.“
Und es ist wahr: Wenn Russland sich nicht eingemischt hat, dann stellt sich das ganze als völlig leerer Fake heraus. Und das wäre doch ärgerlich.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür interessieren, wie Russland auf die Fragen der internationalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und ungekürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. Dort sind auch viele Aussagen Putins zu den Vorwürfen zu finden, Russland habe sich 2016 in die Wahlen eingemischt. Bei Interviewa von Putin mit US-Journalisten hat das zu sehr unterhaltsamen Wortgefechten geführt, die ich komplett zitiert habe.
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
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