Die Verkäufe der „Qualitätsmedien“ gehen dramatisch zurück. Im Mai habe ich über veröffentlichte Zahlen berichtet, die zeigten, dass Spiegel und Stern zum Beispiel die so wenig Ausgaben verkaufen, wie noch nie in ihrer Geschichte. Das führt nicht nur zu geringeren Einnahmen bei den Verkaufserlösen, sondern auch bei den Anzeigen.
Zeitungen leben nicht vom Verkaufspreis, sie leben von den Werbeeinnahmen durch Anzeigen. Und wenn sie weniger Exemplare verkaufen, zahlen die Werbekunden weniger pro Anzeige. Die fallenden Einnahmen haben in den Redaktionen der Mainstream-Medien bereits zu einigen Kündigungswellen geführt und viele Journalisten werden nicht mehr fest angestellt, sondern müssen ihre Artikel verkaufen und bekommen Geld pro verkauftem Artikel.
Aber auch diese Maßnahmen haben das Problem nicht gelöst, die Einnahmen fallen weiter. Ich wurde immer mal wieder gefragt, was denn wohl passiert, wenn die erste Zeitung (egal, ob FAZ, Süddeutsche oder ein ehemaliges Nachrichtenmagazin, wie der Spiegel) pleite geht. Und ich habe geantwortet, dass das nicht zugelassen wird. Eher wird der Staat diese Medien mit Geld unterstützen, um sie am Leben zu erhalten. Zu wichtig ist die Rolle, die sie als Propagandisten spielen.
Diese These von mir wurde oft belächelt. Und auch ich hatte natürlich meine Zweifel, denn die GEZ-Gebühren sind schon unpopulär genug. Wie wollen Medien und Politik den Bürgern beibringen, dass sie noch mehr zahlen müssen, um Dinge zu finanzieren, die sie nicht nutzen? In diesem Fall Zeitungen, die sie gar nicht lesen.
Seit kurzem kennen wir die Lösung: Die Förderung findet aus Steuergeldern statt, der Bürger wird weder gefragt, noch informiert. Und wie immer fängt es klein an. An geringen Summen stört sich niemand und niemand bemerkt sie. Und wenn sie irgendwann so groß werden, dass sie jemanden stören, kann man sagen: „Das war schon immer so, wozu plötzlich die Aufregung?“
Und dieses neue „immer“ beginnt nächstes Jahr mit 40 Millionen Euro, die der Staat den Medienkonzernen bezahlt. Schon im Koalitionsvertrag war festgelegt, dass ein „System zur Förderung der Zustellung von Abo-Tageszeitungen und Anzeigenblättern“ zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung mit Abo- und Anzeigenzeitungen etabliert werden solle.
Wenn jemand eine Zeitung abonniert, dann wird die Zustellung nun vom Staat gefördert. Noch absurder ist aber, dass das auch für Anzeigenblätter gelten soll, also für das, was man im Email-Postfach „Spam“, im Briefkasten aber „Anzeigenblatt“ nennt. Während die Bundesregierung von Umweltschutz und Klimapaketen faselt, fördert sie gleichzeitig die Zustellung von Papiermüll, den die meisten direkt – im wörtlichen Sinne – in die (Altpapier-)Tonne drücken.
Aber die Medienbranche ist nicht etwa dankbar für die 40 Millionen, sie findet, dass das zu wenig ist. Das Fachportal DNV-Online berichtet über die Reaktionen der Medienlobbyisten. So sagte Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV):
„Die vorgesehene geringe Förderhöhe für das Jahr 2020 löst aber kein einziges Problem. Die Fördersumme mag zunächst hoch erscheinen, hätte aber pro ausgeliefertem Zeitungsexemplar weniger als einem Cent entsprochen. Dem stehen durchschnittliche Vertriebskosten von 52 Cent pro ausgetragener Zeitung gegenüber. Der hohe Kostendruck bei der Zeitungszustellung bleibt eine Herausforderung mit gesellschaftspolitischer Tragweite, was sich zukünftig auch in einer angemessenen und wirksamen Förderhöhe widerspiegeln muss.“
Die Zeitungen sind also so wichtig für die Gesellschaft, dass man sie nun mit Steuergeldern subventionieren muss. Absurd dabei: Die Menschen wollen sie nicht mehr lesen und kaufen sie nicht mehr. Und das macht sie nun plötzlich so wichtig, dass der Staat einspringen muss.
Auch Dr. Jörg Eggers, Geschäftsführer des „Bundesverband Deutscher Anzeigenblätter (BVDA), ist enttäuscht. Über die im Koalitionsvertrag festgelegten Maßnahmen, die nun umgesetzt werden, sagte er:
„Allerdings war die dort angepeilte Förder- bzw. Entlastungshöhe mit Blick auf die äußerst angespannte Kostensituation in den Verlagen bereits damals von der Realität überholt. Dies gilt noch mehr für den heutigen Stand und erst recht für die nächsten fünf Jahre – den geplanten Zeithorizont der Förderung.“
Und Dr. Eggers hat weiß auch schon, was er erreichen will:
„Wer auch in Zukunft auf eine Pressevielfalt im Lokalen Wert legt, wird eine angemessene Fördersumme anvisieren müssen. Um eine nahezu flächendeckende Sicherung der Zustellung auch zukünftig leisten zu können, müssten die Verlage je nach Region eine Summe zwischen 5 und 7 Cent (gerundet) pro Anzeigenblattexemplar erhalten. Dies würde hochgerechnet auf die Anzeigenblattbranche einen Betrag von 200 bis 300 Mio. Euro ergeben. (…) Auch im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, die ihre freie Presse bereits umfassend unterstützen, bleibt die geplante Summe deutlich hinter den notwendigen finanziellen Erfordernissen der Verlage zurück.“
Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, von welcher „Pressevielfalt“ er redet. Eigene Recherchen machen die heutigen „Journalisten“ kaum noch, stattdessen über nehmen sie die Meldungen aus den Nachrichtenagenturen und formulieren sie bestenfalls ein wenig um. Das kann jeder leicht überprüfen, wie ich hier aufgezeigt habe.
Und da wir in Deutschland nur noch einige wenige Medienkonzerne haben und denen die Regionalzeitungen gehören, werden die Nachrichten für die Regionalzeitungen in einer zentralen Redaktion geschrieben, im Internet veröffentlicht und bestenfalls für die Regionalzeitungen noch einmal leicht umformuliert. Danach erscheinen sie jedoch wortgleich in den Regionalzeitungen eines Medienkonzerns.
Es geht also sicher nicht um „Pressevielfalt„. Es geht entweder ganz schnöde ums Geld, dass die Politik den Medienkonzernen bezahlen soll, oder (und?) es geht um die Meinungsbildung.
Und da ist es doch toll, dass ausgerechnet die Medien das Geld bekommen, die die gleiche Meinung haben, wie die Regierung: Banken müssen mit Milliarden gerettet werden, das Klima auch, 5 Milliarden für eine Grundrente sind viel zu teuer, 5 zusätzliche Milliarden für die Bundeswehr sind viel zu wenig und so weiter und so fort. Wer so etwas täglich propagiert, der bekommt auch einen Zuschuss für die Zustellung der Zeitungen, damit die Menschen auch bitte schön das lesen, was sie lesen sollen.
Und einen praktischen Nebeneffekt hat es auch: Wenn die Regierung nun anfängt, die Medien zu finanzieren, wie wahrscheinlich ist es dann, dass diese von der Regierung finanzierten Medien, die Regierung ernsthaft kritisieren? Wie war das mit der unabhängigen und freien Presse in einer Demokratie?
Und selbst die staatlichen Medien (sorry, sie heißen natürlich „öffentlich-rechtlich“) haben Geldnot. Über die GEZ werden sie zwar schon mit Milliarden finanziert, trotzdem wollen sie ihren Mitarbeitern keine vernünftigen Löhne zahlen. Schon im August habe ich über den Arbeitskampf bei den staatlichen Medien berichtet und in diesen Tagen war es auch wieder zu sehen. Letzte Woche kam es bei ARD-Anstalten zum Streik, den aber die arbeitende Bevölkerung kaum bemerkt hat, denn die Auswirkungen waren nur tagsüber zu bemerken.
Und mit der „Pressevielfalt“ und vor allem der Qualität der Berichte wird dort schon lange nicht mehr argumentiert. Während das Management aus Intendanten und Chefredakteuren bei „heute“ oder tagesschau“ sechsstellige Gehälter einstreicht, wird beim Personal gespart. Die Gewerkschaft monierte:
„Die Intendanten wollen die Einkommen der Beschäftigten dauerhaft senken. Substanz und Gestaltungsmöglichkeit werden dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk so geraubt“
Ich bin kein Fan der Programme von ARD und ZDF. Aber was man hier liest ist, dass befürchtet wird, das Programm könnte noch schlechter werden. Nur wie soll das gehen? Anstatt die Bevölkerung umfassend zu informieren, wie es ihre Aufgabe ist, produzieren sie schon jetzt immer mehr billige Seifenopern und ähnlichen Blödsinn. Und dafür bezahlen Sie GEZ, obwohl sie diese Art von Programm auch bei RTL und SAT1 bekommen.
Fazit: Die „Qualitätsmedien“ dünnen ihre Redaktionen aus und schreiben fast nur noch ab, was die Nachrichtenagenturen ihnen liefern. Dafür aber sollen sie nun Geld vom Staat bekommen, das Sie bezahlen, ohne gefragt worden zu sein. Und glauben Sie mir: Die 40 Millionen sind nur der Anfang. Die 300 Millionen, die Dr. Eggers vom BVDA gefordert hat, waren ja nur das, was er für die Anzeigenblätter haben wollte, die Förderung der Abo-Zeitungen war da noch gar nicht enthalten.
Was meinen Sie, wann erreicht die Förderung der privaten „Qualitätsmedien“ das erste Mal die Summe von einer Milliarde pro Jahr?
Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Osteuropa in verschiedenen Versicherungs- und Finanzdienstleistungsunternehmen in Osteuropa und Russland Vorstands- und Aufsichtsratspositionen bekleidet, bevor er sich entschloss, sich als unabhängiger Unternehmensberater in seiner Wahlheimat St. Petersburg niederzulassen. Er lebt insgesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite www.anti-spiegel.ru. Die Schwerpunkte seiner medienkritischen Arbeit sind das (mediale) Russlandbild in Deutschland, Kritik an der Berichterstattung westlicher Medien im Allgemeinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vladimir Putin: Seht Ihr, was Ihr angerichtet habt?“
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