Auf seiner Internetseite „Bundesweiter Einsatztag zur Bekämpfung von Hasskriminalität“ lässt das BKA (Bundeskriminalamt) voller Stolz wissen, dass beim bundesweiten Einsatztag mehr als 25 Polizeidienststellen in 14 Bundesländern die Wohnräume von 60 Beschuldigten durchsucht haben. Das geschah im Rahmen der Bund-Länder-Projektgruppe „Bekämpfung von Hasspostings“.
Um der Bevölkerung einen Eindruck davon zu ermitteln, womit sie nun zu rechnen hat, veröffentlichte das BKA auf seinem Youtube-Kanal ein kleines Filmchen.
Dieses Video lässt den Betrachter eher noch ratloser zurück, als er vorher war. Alles, was hängenbleibt ist, dass man nicht wirklich weiß, was denn nun noch erlaubt ist und was nicht. Das Schlusswort von Hannes Ley, des Gründers der Facebookgruppe #ichbinhier ist so nebulös, wie der Name der Gruppe und mindestens so beunruhigend:
„Die Menschen wissen meistens nicht, dass die Meinungsfreiheit durch Strafe öööhhh … das Strafgesetz auch eingeschränkt ist … und, ääähhh … das geht an ihnen vorbei. Sie glauben halt immer, okay, äääh, Meinungsfreiheit bedeutet, ich kann alles sagen, was ich will. Und dem ist halt nicht so.“
Sein Versprecher, „dass die Meinungsfreiheit durch Strafe eingeschränkt ist“ trifft es sehr genau. Es ist exakt das, was beim Bürger hängen bleibt: Wer was sagt oder schreibt, was „man besser“ nicht sagt oder schreibt, wird bestraft. Das kennen wir aus den Erzählungen unserer Großelterngeneration im Dritten Reich und viele Deutsche kennen es heute noch selbst aus DDR-Zeiten. Das Filmchen ruft geradezu auf, vermeintliche „Hassposter“ zu melden und zu denunzieren.
Zuerst einmal stellt sich die Frage, warum es plötzlich den Begriff „Hasspostings“ gibt. Es gibt im Strafgesetzbuch schon seit bald 75 Jahren Paragraphen, die sehr genau die Grenzen dessen markieren, ab wann etwas nicht mehr nur eine Meinung ist, sondern ein Straftatbestand. Das hat bisher prima funktioniert und jeder konnte es nachlesen.
Sind es beispielsweise rein persönliche Äußerungen gegen eine bestimmte andere Person, die Drohungen, Beleidigungen, üble Nachrede, sexuelle Belästigung usw. enthielten, konnte der Betroffene denjenigen anzeigen oder es lassen. Nicht alles ist ein Offizialdelikt, bei dem die Staatsanwaltschaft von sich aus tätig werden muss. Das ist so, weil es sich in der Regel um Interaktion zwischen zwei Menschen innerhalb der geschützten Privatsphäre handelt, genau wie bei Diebstahl in der Familie. Das ist zwar ein Straftatbestand, ein Antragsdelikt, also etwas, das nur auf Antrag/Anzeige des Geschädigten verfolgt wird.
Bei Volksverhetzung (§ 130 StGB), Landfriedensbruch (§ 125 StGB), Aufstachelung/Anstiftung zu Straftaten (§ 26 StGB zum entsprechenden Delikt) greifen sofort die vorhandenen Strafgesetze.
Wer Hakenkreuze oder andere Verbotene Zeichen zeigt oder irgendwohin malt, oder für verfassungswidrige Organisationen Propaganda betreibt, kann nach §§ 86 und 86a StGB betraft werden.
Der § 130 StGB (Volksverhetzung) bestraft mit Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren denjenigen, der „gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder die Menschenwürde anderer dadurch angreift, dass er eine vorbezeichnete Gruppe, Teile der Bevölkerung oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet“
Das ist eigentlich durchaus genügend. Das deutsche Strafgesetzbuch liefert für jedes eklatante, menschliche Fehlverhalten ein Gesetz. Das Gefühl „Hass“ zählt nicht dazu.
„Hass“ plötzlich als Straftat? Ist demnächst jeder ein Täter, der volle Züge hasst? Oder Hundekot in seinem Vorgarten? Ist das schon ein Hassposting gegen die Gruppe der Hundebesitzer? Und warum werden andererseits Leute gefeiert, die alle jene, die sie als „Nazis“ bezeichnen, leidenschaftlich und öffentlich hassen?
Warum also erfindet man jetzt plötzlich das „Hassposting“, als Pseudo-Straftatbestand? Und was genau ist ein Hassposting? Diesen Straftatbestand gibt es im Strafgesetzbuch nicht. Erfüllt das „Hassposting“ einen der oben ausgeführten Straftatbestände, reicht eine Strafanzeige durch den Betroffenen. Den religiösen Gruppen, den verschiedenen Interessengruppen aller Art, von LGTB bis People of Colour stehen diese Möglichkeiten schon immer offen.
Der Punkt ist, dass die oben angeführten Straftatbestände vom Gesetzgeber (bewusst!) sehr eng gefasst sind, um ein großes Maß an persönlicher Meinungsfreiheit zu garantieren und nur eindeutig verwerfliche, zutiefst amoralische Taten mit direkter Schadwirkung in diesem Bereich zu ahnden. Vieles, was heute nicht mehr gesagt werden darf oder „politisch inkorrekt“ ist, fällt eben nicht unter diese Straftatbestände.
Unser Strafgesetzbuch gibt es also nicht her, jemanden abzustrafen, nur weil er sich allgemein irgendwie politisch inkorrekt äußert. Die ganze Hassposting-Kampagne zielt anscheinend darauf ab, schon weit im Vorfeld echter Straftaten unliebsame Meinungen abzustrafen. Das Gesetz bietet der Staatsmacht aber eigentlich keine Handhabe, solange nicht jemand die Staatsmacht durch Antrag/Anzeige auf den Plan ruft, entsprechend dem Spruch: Wo kein Kläger, da kein Richter. Und für genügend Kläger will man nun offensichtlich sorgen.
Und ganz genau darum geht es im Grunde. Es geht um eine riesige Einschüchterungs- und Denunziationsmaschine, die aufgebaut wird, indem das BKA zum Melden von „Hass und Hetze im Netz“ aufruft. Niemand weiß wirklich, was nun ein Hassposting ist und was nicht — und was einem passiert, wenn man verpfiffen wird. Der eifrige „IM-Bundesbürger“ soll nun alles melden, was er für Hassrede hält. Das ist dermaßen unheimlich, dass man es erst für einen Fake hält, was das BKA da unter „Aktiv gegen #Hasspostings“ als Anleitung auf seinem Twitter-Account veröffentlicht:
Mit so einer Drohkulisse verängstigt man die Bevölkerung und würgt im Prinzip die sozialen Medien und jede freie Meinungsäußerung der normalen Bürger ab, denn lieber schreibt man nichts, als dass man vielleicht doch denunziert wird. Der Diskurs und das Argumentieren und Ringen um weltanschauliche und politische Positionen, eines der Fundamente der Demokratie, wird unter einer dicken Decke diffuser Angst erstickt. Gleichzeitig züchtet man eine Spitzel- und Verpetz-Kultur heran, die unglaubliche Schäden in der Gesellschaft anrichten wird. Das mit nichts spezifizierte und definierte Wort „Hassposting“ lässt den Bürger vollkommen im Dunkeln, was er noch darf und was nicht und befeuert die Denunzianten, denn „Hassposting“ ist beliebig weit oder eng auszulegen. So errichtet man eine Diktatur und tötet das Grundrecht der Meinungsfreiheit.
Das sehen sehr viele so. Ein Blick auf das Twitterkonto des BKA zeigt, dass die Leute ein sehr wachsames Auge auf diese Kampagne werfen und sie formulieren ihren Unwillen: „Dann definieren Sie bitte Hass. Ich hasse z. B. Thunfisch = strafbar?“ oder: Fräulein M fragt: „Was ist, wenn ich Zensur hasse? Uuups.“
Besonders hübsch:
https://twitter.com/christophmarloh/status/1202244977826373633
Oder dies:
Letztendlich musste das BKA einräumen:
Sehr bemerkenswert ist der Thread des Users “FilzCarraldo“. Seine Ausführungen sind sowohl knapp, als auch hervorragend:
„Wie jede Polizeibehörde darf auch das @bka nur strafverfolgend und ermittelnd tätig werden, wenn sie davon Kenntnis erlangt, dass eine Straftat begangen wurde oder vorbereitet wird. Es gibt weder ein Gesinnungs- noch ein politisches Strafrecht im Rechtsstaat des GG.
(…) Ferner gibt es keine Strafe ohne Tat. Vorbeugende präventive Repression ist nicht rechtsstaatlich und verfassungsfeindlich. Dazu zählen auch Realakte wie Warnungen, Drohungen, “Meldeapelle”: quasi Nötigung der Bürger durch den Staat, auf Gebrauch ihrer Grundrechte zu verzichten.
(…) Es gibt kein Gesetz in Deutschland, dass #Hasspostings als Straftat definiert. Es wäre auch wegen völlig fehlender Bestimmtheit dieses Begriffs als Straftatbestandsmerkmal evident #verfassungswidrig. Das wissen Sie. Warum verbreiten Sie solche Desinformation und drohen Bürgern?“
Dushan Wegner schreibt:
Wir lesen aktuell: »Meldepflicht für IP-Adressen – Facebook und andere Netzwerke müssen Hass-Postings künftig dem BKA melden« (focus.de, 6.12.2019).
Wieder wird die Propaganda-Vokabel »Hass« benutzt. Das »Sozialkredit-System« in China (siehe Wikipedia) soll die Bürger erziehen, sich im Sinne der chinesischen Regierung zu äußern – welchen Zweck erfüllt denn die permanente Vermischung eines eigentlich legalen, aber störenden, weil negativen Gefühls – und tatsächlich strafbaren Äußerungen, als eben denselben Zweck wie in China, nämlich den Bürger zu erziehen, sich nur noch so zu äußern, wie es der Regierung passt?Noch ist Hass nicht illegal, auch wenn es von Behörden, Ministerien, Politikern, linientreuen Journalisten und gewissen regierungsnahen NGOs wahrheitswidrig impliziert wird, wieder und wieder und wieder.
Ja, darum geht es wirklich. Denn letztendlich trifft es gar nicht die, für die das alles angeblich veranstaltet wird, und das weiß man beim BKA auch. Den echten Extremisten aller Couleur wird man dadurch nicht beikommen, denn diese kennen sich sehr gut mit den Möglichkeiten aus, nicht auffindbar oder greifbar zu sein. Das möchte ich sehen, wie die Polizei in das Antifa-Viertel Connewitz in Leipzig einrückt, um einen Antifanten wegen „Hassposting“ festzunehmen.
Nur zur Illustration, was am 12. Dezember so in Leipzig zwischen Polizei und Antifa los war:
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