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Das Dilemma mit der AfD

Dieses ewige Gejammer der AfD-Anhänger, dass ihre Poli­tiker von Jour­na­listen regel­mäßig in die Zange genommen werden, dass sie mit Dingen kon­fron­tiert werden, die sie gesagt oder gemacht haben, was dann teil­weise sogar in wüs­teste Beschimp­fungen dieser Jour­na­listen aus­artet, ist sehr auf­schluss­reich. Genau das ist Aufgabe von inves­ti­ga­tivem Jour­na­lismus: nicht nur Poli­tikern das Mikro hin­halten und ihnen harmlose Fragen stellen, damit diese Werbung für sich selbst und ihre Partei machen können, sondern auf­decken, um was für Per­sonen mit was für einer Welt­an­schauung es sich handelt. Der Fehler ist nicht, dass dies mit AfD-Poli­tikern gemacht wird – genau das will ich sehen -, sondern dass es bei anderen nicht gemacht wird.
Keine libe­ralen Demokraten

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Saskia Esken (SPD), eine ast­reine Sozia­listin, die noch nie eine Füh­rungs­po­sition in der Politik inne hatte und dem auch kaum gewachsen sein dürfte, Lars Klingbeil (SPD), mit seiner Antifa-Ver­gan­genheit und all die anderen müssten genau so beleuchtet werden. Dass dies dort nicht oder nicht annä­hernd in gleichem Ausmaß geschieht, dass ist der Fehler. Aber zurück zu den AfD-lern.
Wie viele AfD-Anhänger regel­mäßig auf Kritik reagieren, zeigt, dass dies keine libe­ralen Demo­kraten sind. Man mag sich gar nicht vor­stellen, was pas­sieren würde, wenn die AfD an die Macht käme. Dann wäre es mit freier Presse und damit einer frei­heit­lichen Demo­kratie unter Umständen schnell vorbei. Man geht davon aus, dass ein Drittel der AfD-Anhänger rechts­ra­dikale, wenn nicht rechts­extre­mis­tische Ein­stel­lungen haben. Ich fürchte, es sind inzwi­schen eher noch mehr, da die libe­ralen Kräfte innerhalb der AfD sich zunehmend zurück­ziehen, was von der Mehrheit der Anhänger offen­sichtlich auch mehr­heitlich gewollt ist oder zumindest akzep­tiert wird.
Man hat den Ein­druck, vielen ist eigentlich völlig egal, neben wem sie mar­schieren oder „argu­men­tieren“, Haupt­sache man hat das gleiche Feindbild, welches von morgens bis abends eifrig gepflegt wird mit den immer gleichen stu­piden Phrasen, die jetzt sogar der neue Co-Par­tei­vor­sit­zende von sich gibt und zu viel mehr im Moment zumindest noch gar nicht fähig scheint.
Die AfD ist nicht bereit, sich von ihrem rechts­ra­di­kalen Rand zu lösen, dieser gewinnt sogar zunehmend an Einfluss
Dadurch hängt die AfD dann aber eben schon lange bei 10 bis 15 Prozent fest und kann seit ein­einhalb Jahren über­haupt keine neuen Wähler oder Sym­pa­thi­santen dazu gewinnen, obschon sie in meh­reren Schlüs­sel­be­reichen (Euro­kritik, Mas­sen­ein­wan­derung Kul­tur­fremder und Islam­kritik, Klima- und Ener­gie­po­litik) richtige Posi­tionen besetzt oder vor­sich­tiger for­mu­liert: wichtige Posi­tionen, die es in einer libe­ralen Demo­kratie als Alter­native braucht, damit die Wähler sich über­haupt zwi­schen ver­schie­denen Optionen ent­scheiden können. Sehr viele wollen aber mit Rechts­ra­di­kalen und Rechts­extre­misten aus sehr ver­ständ­lichen Gründen nicht das Geringste zu tun haben und werden die AfD daher nicht wählen.
In den viel wich­ti­geren west­lichen Bun­des­ländern, die 85 Prozent der Bevöl­kerung aus­machen, kommt sie daher kaum über 7 bis maximal 13 Prozent hinaus. Andere, die sie gewählt haben, wie ich, werden sich mit der Zeit über­legen, ob sie das noch einmal tun, wenn die Partei es seit Jahren nicht schafft, sich von ihrem rechts­ra­di­kalen bis rechts­extremen Rand zu lösen, der sogar noch anwächst und an Ein­fluss gewinnt. Mit solchen Leuten wollen halbwegs anständige Men­schen aber nichts zu tun haben.
Kann man die Fal­schen wählen, nur weil sie in einigen Punkten Rich­tiges sagen?
Damit gerät man als Wähler in ein echtes Dilemma: Die einen kann man alle nicht wählen, weil sie gleich in meh­reren Schlüs­sel­fragen völlig falsche Posi­tionen beziehen, die die eigene Gesell­schaft, in dem erreichten Frei­heits- und Zivi­li­sa­ti­ons­niveau zu zer­stören drohen, die anderen kann man nicht wählen, weil sie selbst Frei­heits­feinde sind und kaum zivi­li­sierten Umgang mit Kritik und Dis­kurs­kultur kennen, im Grunde oft das liberale, demo­kra­tische System ablehnen. Es sind quasi die fal­schen Leute, die aber in meh­reren essen­ti­ellen Fragen Rich­tiges sagen.
Und die Rich­tigen, die es in der Partei sicherlich auch gibt, setzen sich von den anderen nicht klar ab, machen mit diesen gemeinsame Sache, wobei klar sein dürfte, was jene Kräfte mit den Libe­ralen in der AfD machen werden, sobald sie die Gele­genheit dazu bekommen und der Zeit­punkt opportun scheint.

Jürgen Fritz — Erst­ver­öf­fent­li­chung auf dem Blog des Autors www.juergenfritz.com