Genau wie China, nur in Grün: Kom­munen führen „Social-Credit-Punkte-System“ für vor­bild­liche, „grüne“ Haus­halte ein

Der Land­kreis Mainz-Bingen zeichnete Ende Oktober zehn Familien und Haus­halte aus, die sich als besonders umwelt- und kli­ma­freundlich her­vor­getan haben. Brav stehn sie alle da auf dem Foto für die Presse und halten stolz ihr Grün-weißes Schildchen vor den Bauch. So ganz vor­bildlich sind sie aber doch nicht, denn es sind offen­sichtlich noch Kinder in diesen Haus­halten, und deren CO2 Fuß­ab­druck ist ja bekann­ter­maßen horrend.

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Aber ansonsten haben sie sich alle Mühe gegeben:
„Sie heizen mit erneu­er­baren Roh­stoffen, haben nach­haltige Wand- und Dach­däm­mungen, tun etwas für den Arten­schutz auf dem eigenen Grund­stück. Sie achten auf umwelt­be­wusste Ernährung, bauen selbst Obst und Gemüse an oder fahren viel mit der Bahn. Neben umwelt­freund­lichem Enga­gement und ihrem Wohnort im Land­kreis Mainz-Bingen haben alle sich in der Kreis­ver­waltung ein­ge­fun­denen Haus­halte nun noch etwas gemeinsam: ein grünes Email­le­schild mit der Auf­schrift „Grüne Haus­nummer plus“, welches an der Haus­fassade ange­bracht werden kann.
„Wir sehen, wie viel Enga­gement von Kindern, Jugend­lichen und Erwach­senen in den Umwelt- und Kli­ma­schutz inves­tiert wird“, betonte Land­rätin Dorothea Schäfer. Umwelt­bildung sei nicht nur für das Hier und Jetzt, sondern auch besonders für die Zukunft und jün­geren Gene­ra­tionen essen­tiell. „Die Preis­träger leisten einen tollen und bei­spiel­haften Einsatz für unsere Natur und Umwelt“, so der Erste Kreis­bei­geordnete Steffen Wolf.“
Und dann kommt ein langer Text­lappen, der alle die kli­ma­freund­lichen Hel­den­taten der gefei­erten Haus­halte auf­zählt. Und wir erfahren, dass bisher 130 Pri­vat­haus­halte in dieser Weise aus­ge­zeichnet wurden. Und nicht nur die Kli­ma­freund­lichkeit wird bewertet, nein! Es gibt auch noch ein Super­gut­mensch-Sternchen für „Nach­hal­tigkeit im Konsum“: Das „Plus“ zur grünen Hausnummer.
Da schaut der Staat noch in die letzte Ritze, ob man auch nicht mehr als maximal zweimal pro Woche Fleisch isst, haupt­sächlich sai­sonale Lebens­mittel kauft und vor­wiegend Bioware. Der im Netz her­un­ter­ladbare Kri­te­ri­en­ka­talog ver­gisst keinen Aspekt des Lebens: Der Trink­was­ser­ver­brauch sollte geringer als 30 Kubik­meter pro Person und Jahr betragen (also weniger Duschen, ein bisschen miefen schadet nicht, sondern zeugt von der rich­tigen, grünen Gesinnung!). Regen­was­ser­nutzung für Garten und Wasch­ma­schine, Wand­be­grünung am Haus, hei­mische Bäume im Garten (Was sagt wohl FARN dazu? Das ist ja Pflan­zen­ras­sismus!), Wild­wiese, Eigen­kom­pos­tierung (nein, damit ist nicht gemeint, dass man sich selbst tötet und auf den Kom­post­haufen ent­sorgt, wenn­gleich das vielen Grünen auch als besonders vor­bildlich erscheinen könnte). Dann gibt es noch Punkte dafür, dass man fair gehan­delte Kleidung trägt, seine Kor­re­spondenz auf Recy­cling­papier schreibt, sogar sein Geld sollte man öko­lo­gisch anlegen. Die im Haushalt ver­wen­deten Geräte müssen min­destens Effi­zi­enz­klasse A+++ haben, ein Trockner ist des Teufels. Mög­lichst noch Mit­glied­schaften in öko­lo­gi­schen Ver­einen und Insti­tu­tionen, abschaltbare Strom­leisten, Fahr­rad­ferien sind ganz toll und bringen 5 Punkte und beim Auto sollte es schon Gas, Hybrid oder Elektro sein, wenn man schon nicht aus­schließlich mit den Öffent­lichen oder dem Fahrrad fährt. Am meisten Plus­punkte bringt gar kein Auto. Das ist logisch. Eigentlich am besten gar nicht atmen und gleich sterben (siehe Kom­pos­tierung), dann bekommt man einen grünen A+++ Grab­stein (Scherzlein).
Für das alles sollte man auch Belege vor­weisen können.
Das kann ja wohl nicht wahr sein?
Oh doch.
Und ja, die Leute bewerben sich allen Ernstes für den grünen Gulag. Nicht nur im Land­kreis Mainz-Bingen. Auch Vils­hofen im schönen Bayern, Erfurt, Weimar, Schweinfurt, Zen Ensdorf, Hil­polt­stein, Osna­brück, das Saarland, Altmühl-Franken, Nie­der­sachsen und Sachsen-Anhalt und viele andere mehr haben die „Grüne Haus­nummern-Medaille am jutenen Bande“ für die Gewinner im grünen Bootscamp ins Leben gerufen. Nie­der­sachsen zeigt auf der ent­spre­chenden Web­seite eine Karte, welche Regionen beim edlen Wett­streit um grüne Haus­nummern teilnehmen.
Umwelt­schutz und Natur­schutz ist eine groß­artige Sache. Als ich mir den Katalog der mit Punkten belohnten Maß­nahmen ange­sehen habe, war ich ver­blüfft, wie viele Punkte ich da schon bei­ein­ander hätte. Eigenes Gemüse und Obst, alte, regionale Sorten, Haus­wand­be­grünung, Wild­blu­men­wiese, Gar­ten­teiche, Bienen und ein paar frei­lau­fende Hühner halte ich auch, Hecken für Gar­ten­tiere, jede Menge Nist­plätze, Vogel­füt­terung das ganze Jahr durch, bin im NABU und BUND, habe Wald, den ich wild wachsen lasse und nur etwas abge­stor­benes Totholz für den Ofen raushole, kaufe fast aus­schließlich Bioware, meist vom Biohof 500 Meter weiter, bekomme Solar­anlage, habe strom­spa­rende Geräte,  … usw. usf. …
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Das mache ich aber kom­plett frei­willig und aus Über­zeugung und in Eigen­ver­ant­wortung, ich will nix dafür und es geht, ver­dammt nochmal, kein Schwein was an.
Diese besch… Volks­er­ziehung, die Mus­ter­schüler, die Klas­sen­petzen und die Fleiß­kärtchen habe ich schon in der Grund­schule gehasst. Nicht nur, weil ich nie ein Fleiß­kärtchen bekommen habe.
Machen wir uns nichts vor: Was heute noch gelobt und aus­ge­zeichnet wird, ist morgen schon das Min­deste, was man zu tun hat. Wenn der Staat erst einmal die Mög­lichkeit bekommt, in alle Aspekte des Lebens der Bürger Ein­blick zu bekommen, regiert er auch sofort rein. Der nächste Schritt ist dann, dass die, die das nicht wollen, sich erst recht­fer­tigen müssen und dann wird verpönt, ver­boten und gebrand­markt. Wer so ein Ding nicht am Haus pappen hat, ist ein böses Umwelt­schwein, weil er den Staat nicht in seinen Kochtopf und seinen pri­va­testen Bereich gucken und prüfen lässt. Hinter der grünen Haus­nummer lugt schon der denun­zie­rende Öko-Blockwart hervor.
Der nächste Schritt sind Strafen. Genau, wie in China. Wer dort nicht bis ins Pri­va­teste eil­fer­tigst spurt, bekommt Minus­punkte und wird emp­findlich abge­straft. Wer zum Bei­spiel zu oft seine Bezie­hungen wechselt, hat schnell ein Problem. Die Öko-Dik­tatur hält Einzug auf leisen Sohlen. Erst sind es Beloh­nungen für vor­bild­liches Ver­halten, am Ende brutale Strafen, wenn man sich nicht allem wider­standslos unter­wirft. Genau die Leute, die für offene Grenzen auf die Straße gehen, sind die­selben, die uns allen knall­harte Grenzen in jedem Bereich des pri­vaten Lebens auf­zwingen wollen.
Noch haben wir ein sehr, sehr gutes Grund­gesetz, das uns weit­ge­hende Frei­heiten garan­tiert, unsere Bür­ger­rechte garan­tiert! Nehmen wir sie in Anspruch! Ver­tei­digen wir sie! Natur­schutz ist gut! Öko­sta­li­nismus nicht!